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Berliner Ausstellung zur Erinnerungspolitik in Deutschland - Über die Wiederaufnahme internationaler Sportbeziehungen

 Anlässlich des 60. Jahrestages des Endes des Zweiten Weltkrieges zeigt das Deutsche Historische Museum in Berlin eine sehenswerte Ausstellung mit dem Titel: „1945 - Der Krieg und seine Folgen. Kriegsende und Erinnerungspolitik in Deutschland“. Sie fragt nach dem Umgang mit den nationalsozialistischen Verbrechen in den beiden deutschen Staaten, setzt sich mit dem Verhältnis der Deutschen zu Krieg und Militär auseinander und will auch einen Bogen spannen zu den aktuellen Debatten über Flucht und Vertreibung.

Rolle des Sports

Auch die Rolle und die Bedeutung des Sports im geteilten Nachkriegsdeutschland werden unter den rund 500 Exponaten, Bildern und Zeugnissen einschlägig dokumentiert. Die Ausstellung, die ursprünglich bis zum 28. August dauern sollte, ist inzwischen wegen des großen Publikuminteresse bis zum 23. Oktober 2005 verlängert worden.

Im Ausstellungs-Kapitel „Annäherung und Konflikt der Staaten“ wird der Wiederaufnahme Deutschlands in die internationale Sportgemeinschaft sogar ein eigener Themenpark gewidmet. Exemplarisch im Zentrum steht dabei das erste Fußball-Länderspiel einer bundesdeutschen Mannschaft nach dem Zweiten Weltkrieg am 22. November 1950: Die freundschaftliche Begegnung mit der Schweiz vor 115.000 Zuschauern im Stuttgarter Neckarstadion wurde seinerzeit als „Auferstehung der Nationalelf“ apostrophiert … und endete nebenbei bemerkt mit einem deutschen 1:0-Sieg per Handelfmeter in der 42. Minute durch Horst Burdenski. Eintrittskarten zu 1,50 DM, der Gästewimpel des Schweizerischen Fußballverbandes und das Stadion- bzw. Programmheft zum Spiel sind in einer Vitrine zu sehen, in der auch das mit Schreibmaschine geschriebene und handschriftlich unterzeichnete Einladungsschreiben von Bundestrainer Sepp Herberger an den Fürther Mittelstürmer Horst Schade zu lesen ist: „Es geht um den Sieg ... aber wir wollen vor allem sauber, gut und schön spielen“, lautete die aktuelle Devise. Der Brief endet dann mit der eher zeitlosen Anweisung: „Trainieren Sie scharf und leben Sie sportlich-zweckmäßig!“

DDR - und die erste Friedensfahrt

Die DDR trug ihr erstes Fußball-Länderspiel am 21. September 1952 gegen Polen in Warschau aus. Die Ausstellung bebildert exemplarisch für die Wiederaufnahme internationaler sportlicher Aktivitäten in Ostdeutschland die erste (Rad-) Friedensfahrt Prag – Berlin – Warschau vom 30. April bis 13. Mai 1952 (hier u. a. mit einem Plakat, mit einem eigens dafür produzierten Brettspiel sowie der Erinnerungsmedaille für den besten Deutschen, Lothar Meister aus Chemnitz auf Platz 14). Knapp acht Jahre nach Kriegsende wurde dann mit der Europa-Meisterschaft im Eiskunstlauf erstmals wieder eine größere internationale Sportveranstaltung in die Bundesrepublik vergeben. Die Titelkämpfe fanden am Wochenende 24. und 25 Januar 1953 in der Dortmunder Westfalenhalle statt. Zu sehen ist dazu ein privates Fotoalbum der erfolgreichen deutschen Teilnehmerin Gundi Busch (Jahrgang 1935), die heute in Stockholm lebt.

"Diesseits-Jenseits-Lauf"

Wer die Berliner Ausstellung nach weiteren im weitesten Sinne sporthistorischen Bezügen durchsucht, kann noch andere bewegende und bewegte Eindrücke mitnehmen – sei es beim Videofilm aus dem Kriegs zerstörten Alltag im Ruhrgebiet, wo Trümmerbeseitigung, Steineklopfen und Kohlenklau als „Kinderspiele“ gelten, sei es auf einem Wahlplakat zur Bundestagswahl 1953 der Gesamtdeutschen Volkspartei (GVP) des späteren Bundespräsidenten Gustav Heinmann gegen die Wiederbewaffnung, das einen „halbierten“ jungen Mann zeigt (links in Uniform, rechts im Fußballdress) oder sei es beim sog. „Diesseits-Jenseits-Lauf“ am 29. September 1985 von rheinischen Herzogenrath nach Kerkrade (Niederlande), wo die Läufer erstmals ohne Ausweiskontrolle die Grenzen beider Länder passieren. Der Sport zeigt sich hier einmal mehr als fruchtbares Terrain zur Begegnung und Annäherung und zum Aufbau persönlicher Beziehungen …

Die Ausstellung im Deutschen Historischen Museum in Berlin ist auf zwei Etagen in der neuen Halle von I. M. Pei zu sehen (Unter den Linden 2 bzw. Eingang Hinter dem Gießhaus 3). Sie ist unterteilt in insgesamt acht Kapitel (u. a. Krieg und Befreiung in Europa, Erinnern und Verdrängen) und täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Weitere Informationen (zu Führungen, Katalog, Lese- und Filmreihe) auch unter Tel. 030/20304-0 und im Internet unter www.dhm.de.

Dr. Detlef Kuhlmann

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