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Das Millionenspiel – Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland

Beim 35. Studienkurs des Arbeitskreises Kirche und Sport der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) in Sils Maria im Schweizer Engadin drehte sich diesmal vieles, aber nicht alles um den Fußball:

„Das Millionenspiel“ – Kirche und Sport und die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland“ lautete das Thema der diesjährigen Tagung für Sportpfarrerinnen und Sportpfarrer aus den Landeskirchen sowie weitere am Thema bzw. an Kirche und Sport Interessierte.

Im Mittelpunkt standen insgesamt zehn Vorträge von Theologen und Sportwissenschaftlern. In mehreren Arbeitsgruppen konnten die rund 70 Teilnehmer/innen das Thema vertiefen. Hier ging es u. a. um die Erstellung von kirchlichen Handreichungen für die Fußball-WM 2006 und um deren Aufarbeitung für den Religions- und Konfirmandenunterricht.

Zum Studienkurs gehörte wiederum zeitweilig Sportpraxis mit Ski alpin und Langlauf im Skigebiet rund um St. Moritz.

 

Profil und Auftrag der Olympischen Bewegung

In seinem Auftaktreferat „Der Fußball – Die Kirche – Das Spiel – Theologisch-Ethische Überlegungen“ skizzierte Kirchenpräsident Prof. Dr. Dr. h. c. Peter Steinacker (Darmstadt) Profil und Auftrag der Olympischen Bewegung im Spannungsfeld des Hochleistungssports und verwies dabei insbesondere auf die Idee Coubertins, die Olympischen Spiele als Bildungsprogramm zur Gemeinschaftsfähigkeit der Gesellschaft zu propagieren, um letztlich damit auch dem globalen Frieden zu dienen.

Fußball – Leistung – Gesellschaft

Um „Fußball – Leistung – Gesellschaft – Rituale und Inszenierungen in der Moderne“ ging es im Vortrag des Berliner Sportphilosophen Prof. Dr. Gunter Gebauer. Er stellte drei wesentliche Gründe heraus, warum das Zuschauerinteresse gerade beim Fußball weiter boomt: Es ist erstens das Erinnern und die Re-Identifizierung von vertrauten Bewegungsmustern durch die Zuschauer – eine Art Gemeinschaftsmotorik zwischen Spielfeld und Tribüne, durch die es – je nach „Lagerbildung“ - zur Übereinstimmung oder zur Disharmonie von Spielenden und Zuschauenden kommt.

Kollektives Erinnern

Ein zweiter Grund liegt im kollektiven Erinnern, zumal Fußballspielern in aller Regel keine Denkmäler gesetzt werden, sondern ihre Aktionen und Leistungen in Geschichten bewahrt bleiben („Helmut, erzähl mich dat Tor!“). Als einen dritten Grund bezeichnete Gebauer den emotionalen Akt, der durch die vermehrte mediale Vermittlung des Fußballspiels (via Radio und Fernsehen einschließlich der Großbildleinwände auf öffentlichen Plätzen) zustande kommt und wodurch sich neue temporäre Gemeinschaften etablieren, die Begeisterung und Leidenschaft miteinander teilen. Inhaltlich schloss sich daran der Vortrag des Bielefelder Sportpädagogen Prof. Dr. Dietrich Kurz mit dem Titel „Gewinnen (nicht: Siegen!) und Verlieren“ an.

Kurz verglich dabei das Fußballspiel mit dem Theaterspiel und hob originäre Unterschiede hervor: Beim Fußball bleiben die Zuschauer nie passiv, sie können den Spielausgang sogar durch engagiertes Anfeuern beeinflussen. Fußball wird real gespielt, im Theater spielt man nur „als ob“.

Von Bodelschwinghschen Anstalten in Bethel

Der Leiter der Sport- und Bewegungseinrichtungen der von Bodelschwinghschen Anstalten in Bethel, Dr. Lutz Worms berichtete über Forschungen und Erfahrungen, wie geistig behinderte Menschen fußballerische Kompetenzen erwerben können und mit welchem Enthusiasmus sie dem Spiel dann nachgehen:

„Was hat der IQ mit Fußball zu tun“ lautete das Thema seines Referats. Gleich mit zwei Beiträgen war Prof. Dr. Gunter A. Pilz (Universität Hannover) vertreten. Der Sportsoziologe und Gewalt- und Fanforscher sprach über aktuelle Wandlungen des Zuschauerverhaltens im Profifußball und konstatierte dabei eine Tendenz der bisher friedlichen sog. „Ultras“ hin zu Diskriminierung, Sexismus, Gewalt und (rechts-) extremistischen Aktionen.

In seinem zweiten Vortrag ging er auf das geplante Fan- und Besucherbetreuungsprogramm der Fußball-WM 2006 in Deutschland ein und zeigte Möglichkeiten auf, wie sich das Motto „Die Welt zu Gast bei Freunden“ bzw. die Gastgeber-Botschaften Freundlichkeit, Offenheit und Respekt konkret umsetzen lassen. Auch dabei könnte kirchliches Engagement gefragt sein …

Dr. Detlef Kuhlmann

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