Newsarchiv

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Es brennt noch

Wer das Laufen in sich gefunden hat, bleibt dabei

In Kooperation mit RUNNER’S WORLD erscheint hier jeden Monat ein Thema aus dem aktuellen Heft


von Thomas Steffens | Chefredakteur


Kürzlich war ich zum ersten Mal nach vielen Jahren wieder auf einer Laufbahn. Ich lief nicht nur einfach im Kreis herum wie die meisten anderen dort, denen diese 400-m-Kunststoffbahn verkehrsfreies Laufen mitten im Häusermeer der Großstadt ermöglichte. Darum ging es mir nicht. Ich trainierte. Spontan hatte ich mich entschieden: 800 Meter im schnellen Tempo, dann 200 Meter Pausenjogging und das ganze wieder von vorne, insgesamt fünfmal. Ich, auf einer Kunststoffbahn, dazu im Winter! Willst du dich schon mal auf den Wechsel in die Altersklasse M55 vorbereiten, hörte ich meine Kollegen fragen.


Danke der Nachfrage, aber Altersklassen-Einteilungen haben mich nie interessiert. Einmal vielleicht, lange ist’s her und da auch erst im Nachhinein, als ich mich nämlich wunderte, dass ich mit einer Zeit von 35 Minuten den ersten Platz beim Möbel-Marsch-Lauf in Biblis belegt hatte. Gewonnen hatte ich lediglich deshalb, weil die dort versammelte nationale und regionale Elite gesondert gewertet wurde.

 

Besagte Laufbahn habe ich eher zufällig entdeckt, als ich von einer meiner Standard-Laufstrecken entlang der S-Bahn-Nordachse einer Eingebung folgend abwich und mich diese weitläufige Sportanlage anlachte. Von der S-Bahn auf die Laufbahn sozusagen. Dieses Bahnerlebnis habe ich inzwischen mehrfach wiederholt, ist es doch eine willkommene Abwechslung zum normalen Laufen, den Routinerunden und den Entdeckungsläufen. Es gefällt mir, dieses intensive Laufen, das systematische Element, das ihm innewohnt, ein konzentriertes Laufen auf exakten Distanzen, die genau bemessenen Pausen, systematisches Training eben. Aus Erfahrung weiß ich, dass solche Tempotrainings extrem effektiv sind, sie bringen schnell messbare Fortschritte, schon der nächste Dauerlauf beweist es.


Mein Bahnerlebnis hat allerdings auch etwas Ernüchterndes, wurde mir doch dabei deutlich vor Augen geführt, wie sich die menschliche Leistungsfähigkeit zunehmend verringert. Ein Tempo, das ich vor zwanzig Jahren locker über einen Kilometer lief, halte ich heute vielleicht gerade mal 200 Meter durch. Das 10-km-Tempo von damals kaum einen einzigen Kilometer, von längeren Distanzen ganz zu schweigen. Im Sport zu altern heißt für mich akzeptieren, langsamer zu werden und sich nicht an ehemaligen Zeiten zu orientieren. Ehemals liegt dreißig Jahre zurück. Wer allerdings erst mit dreißig oder vierzig das Laufen begonnen hat wie die Mehrzahl unserer Leserinnen und Leser, orientiert sich natürlich an frischen Bestzeiten.


Die einen lassen sich durch Altersklassen motivieren, die alle fünf Jahre wechseln, anderen reicht der Bewegungstrieb, die Frischluftsucht. Ich zähle mich zu den Letzteren, auch wenn ich immer mal wieder einige Kilometer das Tempo forciere, weil – ja weil mir einfach danach zumute ist, weil es Spaß macht. Es mag gegen jede Trainingsregel verstoßen, das kümmert mich nicht, schließlich zeigen mir diese emotionalen Momente, dass es noch brennt, das Feuer. Und ich verfüge noch über ausreichend Brennmaterial für viele Tempospielchen.

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