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Halbe Strecke, doppelter Spaß

Die Teilnehmerzahlen zeigen: der Trend geht zum Halbmarathon. Kein Wunder, ist doch der Trainingsaufwand leichter und das Vergnügen mindestens ebenso groß

In Kooperation mit RUNNER’S WORLD erscheint hier jeden Monat ein Thema aus dem aktuellen Heft

von Thomas Steffens | Chefredakteur

Mein erster offizieller Wettkampf war ein Halbmarathon. Eine Entwicklung von Null auf Einundzwanzig sozusagen, denn weder habe ich mich damals besonders vorbereitet, geschweige denn so genannte „Aufbaurennen“ bestritten, wie wir es in diesem Magazin all jenen empfehlen, die sich ambitioniert auf einen Wettkampf vorbereiten, z.B. einen Marathon. Entsprechend hart war die Landung; sie erfolgte nach etwas mehr als der halben Wegstrecke. 21 Kilometer, das war für mich, der ich nie weiter als zehn Kilometer gelaufen war, eine Distanz, wie heute manchem unerfahrenen Marathon-Aspiranten die doppelte Strecke erscheinen mag: unendlich weit, ein Trip ins Ungewisse.

Bevor ich zu meinem ersten Marathon antrat, hatte ich drei Halbmarathons absolviert. Heute, 30 Jahre später, stürzen sich viele ins Abenteuer Marathon, ohne sich wenigstens ein Jahr lang auf kürzeren Strecken auszuprobieren, ohne sich an die Belastungsgrenze heranzutasten. Das bringt Vor- und Nachteile mit sich.

Die Statistik unterstreicht dies: Ein Drittel der Starter bei großen Stadtmarathons sind „Erst-Täter“. Was passiert mit ihnen nach der ersten Marathonerfahrung? Würden sie dem Marathon treu bleiben, könnten sich die Veranstalter nicht mehr retten vor Teilnehmern. Bei einer nicht unerheblichen Quote solcher Erstlinge handelt es sich vermutlich um Menschen, die einmal im Leben einen Marathon schaffen wollen, warum auch immer. Motive gibt es genügend. Der Marathon als Durchlauferhitzer, abgehakt.

Nicht wenige wenden sich kürzeren Wettkampfdistanzen zu, vor allem dem Halbmarathon. Die Zahlen sprechen für sich: Halbmarathons haben gegenüber Marathons in den letzten fünf Jahren deutlich zugelegt, Marathon-Teilnehmerzahlen stagnieren auf hohem Niveau mit Ausnahme des Berlin-Marathons. (Unter anderem liegt dies auch an der Umverteilung auf jüngere Marathon-Veranstaltungen.) Werden Marathons in Kombination mit Halbmarathons angeboten, wird dies besonders deutlich. Das Ungleichgewicht wird teilweise eklatant deutlich: in Heilbronn laufen 82 Prozent den Halbmarathon (Finisher), in Freiburg 71, in Karlsruhe 70, in Hannover 69, in Regensburg 64 und in Mainz 59 Prozent, wobei man sich z.B. in Mainz noch während des Laufs entscheiden kann, wie weit man läuft bzw. wann man aufhört – ein Zugeständnis an das „Konsumverhalten“ der Freizeitsportler.

Nicht zu unterschätzen ist dabei auch die Tatsache, dass es für einen Veranstalter deutlich einfacher ist, einer Stadtverwaltung einen Marathon schmackhaft zu machen und genehmigt zu bekommen, als dies bei Laufveranstaltungen über kürzere Distanzen der Fall wäre (obwohl hier viel mehr Menschen mobilisiert würden). Marathon hat eine magische Wirkung und städtischen Verantwortlichen fehlt der Durchblick, so erklären sich die vielen Marathons.

Ein Halbmarathon bedarf einer deutlich geringeren Vorbereitung, das Laufvergnügen beim Wettkampf selbst dauert aber verhältnismäßig länger als beim Marathon, bei dem die Zeit des Leidens gerade bei weniger Trainierten schon bei der Streckenhälfte beginnt. Darin liegt das Hauptgeheimnis des Teilnehmerzuspruchs.

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