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Langstrecken in Deutschland - Alleine die Frauen machen etwas Hoffnung

Detlef Uhlemann hat sich seinen Job auch leichter, sprich

erfolgreicher, vorgestellt. Doch am Ende des WM-Jahres steht der

Langstreckencoach des DLV mit quasi leeren Händen da. Die Präsenz

deutscher Langstreckler beim Welt-Championat in der finnischen

Hauptstadt erstreckte sich nach den Absagen von Luminita Zaituc und

Claudia Dreher und den Mutterfreuden bei Irina Mikitenko alleine auf

Sabrina Mockenhaupt. Und die kleine Siegerländerin zeigte sich

angesichts des hohen Niveaus im 10 000 m-Rennen der Frauen zwar in

einer grundsoliden, aber keineswegs Topform, die Hoffnungen auf ein

gutes Abschneiden hätte keinem lassen. „Dass sie auf hohem Niveau

laufen kann, das haben die 5000 m-Rennen nach Helsinki gezeigt. Das war

schon klasse!“ gesteht Uhlemann „Mocki“ zu.

Die Bahn ist ein Fokus, die Straße ein zweiter. Angesichts der

attraktiven Marathonveranstaltungen auf deutschem Boden wie Berlin,

Hamburg, Köln und Frankfurt mit stetig wachsendem Zuspruch fällt es

schwer, deutsche Spitzenleistungen, bei den Frauen sicherlich schon

eher, bei den Männern jedoch keinesfalls, herauszufiltern. In Berlin

stand Luminita Zaituc, die Europameisterschaftsdritte von München,

sicherlich ganz im Schatten der Olympiasiegerin Mizuki Noguchi, kämpfte

sich aber, von Krämpfen geplagt, überaus tapfer in respektablen 2:27:34

Stunden durch.

Zwar lief Melanie Kraus auf dem schnellen Berliner Asphalt bereits

als Vierte ins Ziel unweit des Brandenburger Tores, doch die 2:34:23

brachten die trotz aller Rückschläge immer wiederkehrende Kölnerin

keinen Deut weiter. In Köln marschierte Claudia Dreher unverzagt ob der

widrigen Witterungsverhältnisse zum dritten Sieg in Folge in

respektablen 2:31:43 Stunden.

Ein Frauenteam für die Medaillenplätze

„Mit Luminita und Claudia haben wir zwei Läuferinnen für

Platzierungen unter den ersten Sechs, eine Mannschaft kann ganz vorne

mitmischen. Schließlich haben wir vor vier Jahren gewonnen“, macht

Detlef Uhlemann den Frauen Mut für die anstehenden

Europameisterschaften im kommenden Jahr in Göteborg. Doch wer soll die

Mannschaft komplettieren? Der Langstreckencoach setzt dabei auf zwei

jüngere, aber derzeit noch im Aufbau befindliche Frauen: Ulrike Maisch

wird in Frankfurt einen Versuch ohne Ambitionen starten, Romy

Spitzmüller ist nach dem ausgeheilten Ermüdungsbruch wieder im leichten

Training. Nicht aus dem Blickwinkel möchte Uhlemann dabei auch Stefanie

Maier und Anja Carlsohn verlieren, die sich allerdings im

Marathon-Frühling 2006 erst einmal zeigen müssen.

Früherer Bergläufer Steidl führt DLV-Bestenliste mit 2:18:45 an

Ganz düster ist die Situation bei den Männern. Die aktuelle

DLV-Jahresbestzeit hält der 34jährige frühere

Berglauf-Junioren-Weltmeister Uli Steidl, der seit Jahren in den USA

lebt, mit 2:18:45 Stunden, die er vor wenigen Wochen als Siebter im

kanadischen Toronto erzielen konnte. „Mit dem Platz bin ich trotz des

41 km langen Sololaufes zufrieden. Ich hoffe nur für den deutschen

Marathon“, gestand Steidl im Ziel, „dass ich mit dieser Zeit nicht auch

am Ende der Saison in der DLV-Bestenliste ganz oben stehen werde!“

Vorjahresmeister Martin Beckmann brach in Berlin nach

zielgerichteter erster Hälfte völlig ein und kam nach unerklärlichen

2:24:24 ins Ziel. Dirk Nürnberger gewann in Regensburg die Titelkämpfe

in 2:22:48. „Während wir auf der Bahn mit Jan Fitschens Rückkehr und

Arne Gabius’ leichten Verbesserungen ebenso ordentliche Ansätze sehen

wie auch mit den Erfolgen der jungen André Pollmächer und Stefan Koch

in Erfurt, sieht es auf der Straße völlig düster aus!“ urteilt

Uhlemann. „Wir können nur mit einer Mannschaft nach Göteborg fahren,

wenn zumindest zwei Athleten die sicherlich abgeschwächte Norm laufen.

Es wird nicht heißen: Auf jeden Fall eine Mannschaft!“

Beckmann setzt auf Professionalität bis 2008

Martin Beckmann, der inzwischen 27jährige deutsche Meister des

Vorjahres, kehrte nach Berlin an die Städte seines

Meisterschaftserfolges mit einer nicht nachvollziehbarem

Leistungseinbruch zurück. Zumal er nach dem Abschluss seines Studiums

auf die Karte Professionalität setzt. „Man bekommt immer wieder unter

die Nase gehalten, wie schlecht man ist. Es gibt bei uns aber auch

wenig richtige Laufgruppen wie dies in Afrika der Fall ist. Und wenn es

solche gibt, dann brechen sie schnell wieder auseinander“, sagte

Beckmann am Rande des Berlin-Marathons.  

Er möchte jedenfalls bis 2008 als Laufprofi arbeiten, um sich den Traum

von Olympia erfüllen zu können. „Ich brauche Zeit, um alles umzusetzen.

Man kann das Niveau nicht von heute auf morgen steigern!“ Auch wenn er

kein ausgesprochener Vorläufer der Szene ist, vielleicht lässt sich

dennoch der eine oder andere der Zunft von seiner Einstellung

anstecken.

Hier Ansätze bei Kröckert, dort ein Lebenszeichen von Eich

Die Halbmarathonstrecke, die Bundestrainer Uhlemann als eine Art

„Zubringer“ für die 42,195 km-Distanz sieht, wird derzeit von Oliver

Dietz (1:04:23) vor dem gerade in Griesheim nach Studiumsabschluss

wieder eingestiegenen Mario Kröckert (1:04:35) angeführt. „Das mag ein

erster Schritt in Richtung Marathon sein, aber beide sollten zunächst

noch auf den Unterdistanzen bleiben, ehe sie zur Marathonstrecke

wechseln!“

Gleiches möchte Uhlemann gerne bei Stefan Koch erreichen, dem

deutschen Meister von Ohrdruf, der hier beherzt seine Chance gegen die

Etablierten wie Beckmann und Co. zum Titelgewinn ausnutzte. Erste

Lebenszeichen gibt es übrigens auch von Carsten Eich, der sich mit

zaghaften Schritten aus Österreich wieder zurückmeldet. Doch der

Neu-Düsseldorfer hat sich längst aus der Nationalmannschaft

verabschiedet und möchte „in Ruhe“ wieder in Form kommen, zumal er kein

Perspektivmann für die nahe Zukunft (mehr) ist.

Wilfried Raatz

 

 

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