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LEICHTATHLETIK-WM AKTUELL: Der nächste Streich der Kenianer

Die Kenianer haben ihren Status als Laufnation Nummer eins bei den

Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Edmonton einmal mehr untermauert. Sie

feierten nach dem Goldgewinn über 10.000 m und über die 3000 m

Hindernis einen weiteren großen Triumph: Mit Richard Limo kommt auch der

neue 5000-m-Weltmeister aus Kenia. In ähnlicher Manier wie sein Landsmann

Charles Kamathi über 10.000 m, gewann nun Limo den 5000-m-Lauf. 150 Meter

vor dem Ziel flog Limo auf Bahn zwei in der Kurve am spurtstarken Algerier Ali

Saidi-Sief vorbei und rannte in erstklassigen 13:00,77 Minuten zum Gold und zur

60.000-Dollar-Prämie.

Während der ersten 3000 m hatte zuvor der Kenianer Sammy Kipketer

für Unterhaltung gesorgt - bei den Zuschauern. Er setzte sich von Beginn

an an die Spitze, vergrößerte langsam einen Vorsprung von anfangs

zwei Metern und lief dann bis zu 20 Meter vor dem Feld her. Zwischenzeitlich

hatte er mindestens einmal das Tempo deutlich verschärft. Damit

dürften die Kenianer bewusst versucht haben, die Konkurrenten zu

verunsichern. Und es sah so aus, als ob die Taktik funktionieren würde.

Denn der Algerier Ali Saidi-Sief und die beiden Äthiopier Hailu Mekonnen

und Abiyote Abate führten die große Verfolgergruppe an und mussten

aufpassen, dass der Abstand nicht zu groß wurde. Sie ließen Kraft,

und der Algerier sah nicht locker aus. Dicht hinter dem Olympiazweiten aus

Algerien liefen Olympiasieger Million Wolde (Äthiopien) sowie die beiden

Kenianer John Kibowen und Richard Limo.

Kurz vor der 3000-m-Marke wurde Sammy Kipketer langsamer und ließ Sief

plötzlich sehr schnell herankommen. Nun war der Algerier vorne, und hinter

ihm in Lauerstellung liefen zunächst Mekonnen, Kipketer und Limo. Sief,

der auch über 1500 m zur Weltspitze zählt, versuchte es mit einem

Alleingang von der Spitze. Doch Wolde und Limo waren sofort hinter ihm. 400

Meter vor dem Ziel war Limo an Wolde vorbeigelaufen. Der Äthiopier spielte

in der entscheidenden Phase keine Rolle mehr, doch Sief konnte Limo nicht

loswerden. 200 Meter vor dem Ziel trat der Kenianer an, in der Kurve ging er

vorbei - und aus war der Traum von Ali Saidi-Sief vom Gold. Wie in Sydney blieb

ihm nur Platz zwei.

"Wir hatten uns zusammengesetzt und geplant, wie wir das Rennen

gewinnen können. Denn als wir nach Kanada kamen, sagten wir uns: wir

wollen zeigen, dass es Zeit ist, dass die Kenianer wieder gewinnen",

erklärte Richard Limo, während Ali Saidi-Sief wortlos an allen

Mikrofonen vorbei lief. "Wir wollten das Rennen schnell machen und die

Geschwindigkeit halten", sagte der Weltmeister und fügte hinzu:

"The Kenyans are back!"

Bisher hat Kenia bei der WM sechs Medaillen gewonnen. Am Ende werden sie

wohl sieben oder acht gesammelt haben. Doch sie hätten noch besser sein

können, aber die Funktionäre wollten das offensichtlich nicht. Auf

die eine oder andere Medaille haben sie wohl freiwillig verzichtet. Es ist

nicht das erste Mal, dass sie in den Laufdisziplinen nicht das mögliche

Startkontingent von drei Athleten ausgeschöpft haben. Aber es ist lange

her, dass bei großen internationalen Meisterschaften zum Beispiel gar

keine Kenianerin über 10.000 m am Start war. In der Geschichte der

Weltmeisterschaften ist das sogar eine Premiere.

Bronze hatte bei der WM 1995 und 99 Tegla Loroupe über 10.000 m

gewonnen. Sie ist das Aushängeschild der immer stärker werdenden

kenianischen Frauen. Und sie war ursprünglich neben nur drei anderen

Läuferinnen für die WM nominiert worden. Doch dann haben die

Funktionäre die Marathon-Weltbeste aus der ohnehin nur 23 Namen

umfassenden Teamliste gestrichen. "Sie haben mich herausgeworfen, weil ich

nicht zwischendurch zum Team nach Hause gefahren bin", erzählt Tegla

Loroupe, die während der Saison hauptsächlich in Detmold bei ihrem

deutschen Manager Volker Wagner beziehungsweise in der Schweiz lebt und

trainiert.

"Unsere Funktionäre verschenken Medaillen, und unsere Läufer

können nicht zeigen, wie gut sie sind", sagt Tegla Loroupe, die nun

als Zuschauerin in Edmonton ist. Nach der ursprünglichen Nominierung hatte

ihr Manager mit den Funktionären verabredet, alles so unabhängig zu

machen wie in den vergangenen Jahren. Tegla Loroupe hatte also den Flug nach

Edmonton und das Hotel selbst ausgesucht und bezahlt. Ihr Start hätte die

Kenianer nicht einmal etwas gekostet.

Doch Tegla Loroupe befindet sich in prominenter Gesellschaft. Denn auch der

1500-m-Olympiasieger Noah Ngeny muss beim heutigen Finale zuschauen. Im

vergangenen Jahr nach seinem Sieg über Weltrekordler Hicham El Guerrouj

(Marokko) noch als Held gefeiert, wurde auch er nach der Qualifikation wieder

gestrichen. Ngeny war wie Loroupe nicht nach Nairobi gereist, weil er seine

Startzusage beim Grand-Prix-Meeting in London einhalten wollte. Weil Tegla

Loroupe seit Jahren erfolgreich versucht, kenianische Frauen zum Sport zu

bringen, ärgert es sie besonders, dass nun nur drei zur WM durften.

"Es ist frustrierend. Wir geben unser bestes - und die Funktionäre

wollen es nicht einmal haben."

 

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