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Marathon-Meisterschaften wandern nicht ohne Kritik kurzfristig von München nach Mainz

Artikel des Running News Network - runnn.com

Selten gab es um die Vergabe von Deutschen Marathonmeisterschaften so viel Wirbel. Noch im August des vergangenen Jahres kündigte der Pressedienst des Deutschen Leichtathletik-Verbandes die Austragung der Titelkämpfe für die Jahre 2006 bis 2008 im Rahmen des München-Marathons an. Doch nach einer Ausrichtung in der bayerischen Metropole, die selbst von Verbandsseite aus gute Kritiken erhalten hatte, machten die Leichtathletik-Macher in der Darmstädter Schaltzentrale rasch einen Schwenk – zum neuen Austragungsort Mainz. Auch der Termin hat sich geändert: Anstelle des angesetzten Oktobertermins werden nun sogar schon am 6. Mai 2007 die nationalen Titelträger ermittelt.

„Wir haben die Chance erkannt und wahrgenommen“, zeigte sich der Mainzer Sportdezernent Norbert Schüler bei der Unterzeichnung einer Vereinbarung zwischen der Stadt Mainz und dem Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) über den Deal hoch zufrieden. Im Rahmen einer Pressekonferenz unterzeichnete er als Veranstalter des Gutenberg-Marathons zusammen mit dem DLV-Generalsekretär Frank Hensel das Vertragswerk in der historischen Zitadelle hoch droben über dem Rhein. „Wir sind uns sicher, dass die Mainzer Lebensart die Marathonläufer beflügeln wird.“ Trotz der Terminverschiebung rechnet man in der Karnevalshochburg mit zusätzlich rund 800 Teilnehmern, obgleich der Gutenberg-Marathon bereits Anfang November ein Anmeldestopp mit dem Erreichen von 10.000 Teilnehmern verkünden musste.

Während in München die „Meisterschaftsläufer“ noch fünf Minuten vor der Masse der in- und ausländischen Starter ins Rennen gehen mussten, soll dies in Mainz nicht mehr der Fall sein. „Der bewährte Ablauf des Gutenberg-Marathons bleibt bestehen. Dies wurde auch vertraglich klar geregelt. Die Meisterschafts-Teilnehmer werden mit optisch abgegrenzter Startnummer gut erkennbar in das Feld integriert“, so Schüler über die Einbettung der Deutschen Meisterschaften.

Im Gegensatz zu der Vereinbarung mit der Münchener Agentur „runabout“, dem Veranstalter des München-Marathons, betonte Sportdezernent Norbert Schüler allerdings, dass der Vertrag „nur“ für 2007 Gültigkeit habe. „Wir schließen nicht aus, dass die Veranstaltung wiederholt werden kann.“ Im übertragenen Sinne hieße dies, am Zusammenfluss von Main und Rhein macht man sich bereits Gedanken über eine längerfristige Installation der Meisterschaft im Rahmen des Gutenberg-Marathons, der eigens zum Gutenberg-Jahr zur Jahrtausendwende als eher einmaliges Ereignis von städtischer Seite aus initiiert wurde und nun bereits im Mai 2007 die achte Austragung erleben wird.

„Nach dem Scheitern der Vertragsverhandlungen mit München mussten wir nach Alternativen suchen. Mainz hat sich angeboten“, begründete DLV-Generalsekretär Frank Hensel die Entscheidung für die Landeshauptstadt von Rheinland-Pfalz. „Wir hatten eine einjährige Vereinbarung mit München mit einer Austragungsoption für zwei weitere Jahre. Die erste Austragung war durchaus ein Erfolg, aber...“ Hensel musste aber zugeben, dass man seitens DLV die erforderliche Balance zwischen „Geben und Nehmen“ in München nicht mehr gesehen habe. Die für die Vermarktung zuständige Deutsche Leichtathletik Promotion- und Projektgesellschaft mbH (DLP) hatte in Mannheim und Münster nachgefragt, doch aufgrund der Bindung an einen in Konkurrenz zum DLV-Ausrüstungspartner Nike stehenden Ausrüster blieb alleine Mainz übrig.

Unter der Überschrift „DLV verschachert Deutsche Meisterschaften“ hatte vor wenigen Tagen erst die Vereinigung der deutschen Laufveranstalter German Road Races (GRR) die geplanten Verschiebungen von München nach Mainz in die Öffentlichkeit getragen. „Wir waren anfangs sicherlich dagegen, eine Marathonmeisterschaft für drei Jahre an einen Veranstaltungsort zu vergeben, haben dies aber im Sinne unseres Mitglieds akzeptiert“, äußert sich GRR-Sprecher Horst Milde. Völlig überraschend war nämlich der DLV Ende 2005 entgegen dem bisherigen Landesverbands-Rotationsprinzip abgewichen und hatte die Titelkämpfe für drei Jahre an den München-Marathon vergeben und dabei den eigentlich für die Vergabe von Meisterschaften zuständigen DLV-Verbandsrat vor vollendete Tatsachen gestellt.

„Wir sind zu einer kooperativen Zusammenarbeit mit dem DLV bereit“, so Milde. „Was hier aber vor und hinter den Kulissen unter Umgehung der maßgeblichen Fachgremien passiert, das verurteilen wir auf das Schärfste. Um es auf einen Nenner zu bringen: Der DLV beugt sich dem Druck seiner Wirtschaftspartner und verschachert seine Deutschen Meisterschaften!“

Gernot Weigl als Geschäftsführer von runabout, dem Veranstalter des München-Marathons hatte sich in einem Interview mit Runner’s World mit Klartext zu Wort gemeldet: „Es gab einen Vertrag mit dem DLV, der an eine Vereinbarung mit DLP gekoppelt war. Diese Vereinbarung hatte eine Laufzeit von nur einem Jahr. In diesem Vertrag waren die Leistungen des DLV, der DLP beziehungsweise des Wirtschaftspartners Nike und unserer Agentur definiert. DLP und Nike wollten nun ihre Leistungen für die kommenden zwei Jahre um die Hälfte reduzieren. Unsere Leistungen sollten jedoch unverändert zu 100 Prozent erbracht werden!“

Unglücklich dürfte vor allem die Termingestaltung für die ambitionierten deutschen Marathonläufer sein. Unberücksichtigt von der Planung der Topläufer, die ehedem mit den Veranstaltern in Hamburg, Rotterdam und dem am gleichen Termin wie der Gutenberg-Marathon stattfindenden Marathon in Düsseldorf schon Verträge ausgehandelt haben, geht es für viele Marathonläufer nun allerdings darum, ihre Planungen umzustellen. Frühbucherrabatte und bereits vorgenommene Urlaubsplanungen sind das eine, was die Marathonszene erzürnt, eine Interessenskollision zu den zwei Wochen später stattfindenden Senioren-Europameisterschaften in Regensburg das andere. Vor dem Hintergrund, dass die schwächelnde deutsche Marathonszene hierzulande von starken Mastersläufern jenseits der Vierzig stark durchsetzt ist.

Die durch die Hintertür praktizierte Meisterschaftsvergabe weist Norbert Brenner, in der DLV-Schaltzentrale als Referatsleiter im Bereich Finanzen einer der Gesprächsteilnehmer u. a. bei den Verhandlungen mit der Stadt Mainz, zurück. „Die Vergabe ist auf bei einer Sitzung des Verbandsrates Anfang Dezember erfolgt. Voraussetzung ist aber, dass vertragliche Rahmenbedingungen auch umgesetzt werden können!“ Dieses konnte offensichtlich erst in der ersten Januar-Woche geklärt werden, da die Stadt Mainz ihrerseits kein „finanzielles Risiko“ (so der Sportdezernent Schüler) eingehen wollte und auch konnte. Außerdem traf es sich günstig, dass der Mainzer Stamm-Ausrüster Reebok sein Engagement gekündigt hatte, so dass der DLV-Partner Nike ein offenes Feld vorfinden würde. „Es war vorher einfach nicht machbar“, räumt DLV-Generalsrekretär Frank Hensel ein und denkt sicherlich mit Bauchgrimmen an die bereits gedruckten Terminkalender und Publikationen, bei denen nun gänzlich der Termin der Deutschen Meisterschaften im Marathonlauf fehlt – oder gar noch München mit dem Oktobertermin verzeichnet steht.

Bei GRR ist man vor allem erbost darüber, dass selbst der neu gegründete und mit weiterreichenden Kompetenzen ausgerüstete Bundesfachausschuss Laufen, in dem mit Horst Milde explizit sogar ein Vertreter der Laufveranstalter sitzt, von dieser Vorgehensweise überrumpelt wurden. „Es geht natürlich nicht primär um München oder einen anderen Austragungsort“, versichert Milde. „Es geht uns vorrangig darum, dass hier mit Athleten und Trainern in einer unanständigen Weise umgesprungen wird! Wie können wir von unseren besten Athleten Leistungen erwarten, wenn man hier zu kurzfristiger Umplanung in der Trainings- und Wettkampfgestaltung zwingt.“ BFA-Vorsitzender Harald Rösch fühlt ebenso übergangen und fordert eine Vorgehensweise, die die Fachleute wie es eben der Bundesfachausschuss sein soll, in den Entscheidungsprozess einbindet.

Für GRR bezieht sich der Vorwurf der Konzeptlosigkeit nicht alleine auf die Marathonmeisterschaften. Sondern auch auf die Vergabe von zur Marathonstrecke hinführenden Titelkämpfen wie denen über 10 km (Straße) und der Halbmarathondistanz. „Unsere Jahresplanung darf nicht daran ausgerichtet sein, welcher Veranstalter zu einem x-beliebigen Termin eine Deutsche Meisterschaft ausrichten möchte, sondern wir müssen als Fachleute dem Verband eine mittel- und langfristig angelegte Planung vorschlagen, die sich primär nach sportlichen und nicht nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten richtet!“

„Der Straßenlauf ist sehr problembehaftet“, greift Hensel zum großen Rundumschlag aus und nennt dabei einige Schwerpunkte. Die Fülle der Veranstaltungen (so weist der DLV-Laufkalender 3000 Läufe aus), die vielen Alternativen zum Geldverdienen, Terminüberschneidungen und der Konkurrenzkampf unter den Veranstaltern sind einige Aspekte, die es in der Tat immer schwieriger werden lässt, eine sinnvolle Jahresgestaltung vorzunehmen. „Ich denke, in dem Bundesfachausschuss Laufen und auch in der GRR sitzen kompetente Fachleute, die uns hier sicherlich gute Vorschläge unterbreiten können, die wir gerne aufgreifen werden“, wirbt der DLV-Generalsrekretär um ein kooperatives Miteinander.

Wie inzwischen bekannt wurde arbeitet German Road Races derzeit an einem Fördermodell, wie mittel- und langfristig das Ansehen des deutschen Langstreckenlaufes wieder gesteigert werden kann. Milde: „Wir dürfen uns nicht von den beiden Europameisterschafts-Goldmedaillen durch Jan Fitschen und Ulrike Maisch blenden lassen. Uns erwartet ein hartes Stück Arbeit, um international auf breiter Front wieder wettbewerbsfähig werden zu können. Und dazu gehört auch eine vernünftige Saisonplanung für unsere Besten.“ Wilfried Raatz

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