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Zwei Sieger erinnern sich: „Marathon war etwas Exotisches – Als Frau musste man um Anerkennung kämpfen“

Klaus Goldammer (52 Jahre) war 1981 der erste Sieger des Lichtenberg-Marathons, aus dem in Ost-Berlin der Friedenslauf und schließlich der Bewag BERLINER HALBMARATHON hervorging.

Angelika Brandt (54) war die erste Siegerin des SCC-Halbmarathon, der 1984 in West-Berlin seine Premiere hatte und aus dem der heutige Bewag BERLINER HALBMARATHON hervorging.

Marisa Reich führte die Interviews.

Herr Goldammer, war der Lichtenberg-Marathon ein Durchbruch für die Straßenläufe in der DDR?

Klaus Goldammer: „Es gab kleinere Straßenläufe in der DDR, aber in einer Großstadt war das bis dahin undenkbar. Es war toll aus dem Wald herauszukommen und die Straßen von Berlins Osten per pedes zu erkunden.“

War es üblich, einen Marathon zu laufen?

Klaus Goldammer: „Nein, es war schon etwas Exotisches. Es gab zwar einen kleinen Personenkreis, die diese Distanz in Angriff nahm, aber kleinere Läufe mit geringeren Distanzen wurden von der Bevölkerung besser angenommen.

Es stand aber damals vor allem Leistung im Mittelpunkt und nicht der Breitensport mit seinem Ziel, mitmachen ist alles. Der größte Lauf der DDR war der Rennsteiglauf im Thüringer Wald. Die Strecke betrug damals 75 km beziehungsweise 45 km für die kurze Distanz.

Das war eine Prestigesache. Einen Startplatz zu bekommen war allerdings kaum möglich.

Es gab lediglich 1000 Teilnehmer.“

Frau Brandt, war die Gemeinde der Läufer schon im Jahr 1984 so stark in Berlin?

Angelika Brandt: „Ja, es gab schon damals eine enorme Laufbereitschaft. Die Welle kam ja aus den USA. Ich bin 1974 nach Berlin gekommen und habe im Laufe der Zeit mitbekommen, dass es in Berlin einen kleinen Kreis von Leuten gab, die gelaufen sind. 1978, glaube ich, bin ich meinen ersten Marathon gelaufen. Damals musste man als Frau doch noch ziemlich um Anerkennung kämpfen.“

Wie war die Stimmung beim ersten Halbmarathon im Westen Berlins?

Angelika Brandt: „Es war eine tolle Stimmung, vor allem unter den Läufern. Es standen viele Zuschauer an der Strecke. Zum Ende am Mommsenstadion und am "kleinen" Stern standen die meisten, und da war auch die Stimmung am besten.“

Wie war die Stimmung beim Lichtenberg-Marathon?

Klaus Goldammer: „Stimmung? Nun ja, es standen zwar vereinzelt Zuschauer an der Strecke, aber das war dann die große Ausnahme. Die Medien haben den Lauf angekündigt.

Da der Lauf jedoch früh am Sonntagmorgen gestartet wurde, waren es wie gesagt nur ein paar Zuschauer.“

Hätten Sie eine so gewaltige Entwicklung des Halb- und Marathonlaufes für möglich gehalten?

Klaus Goldammer: „Man kannte die Laufbewegungswelle aus den USA, aber dass diese Welle auch nach Deutschland kommt, vor allem in die DDR, habe ich damals nicht für möglich gehalten. Es war zwar populär, das Laufen, aber dass das so eine Form annehmen könnte, daran hat wohl kaum jemand geglaubt.“

Wie sind Sie zum Laufen gekommen?

Angelika Brandt: „Ich habe ziemlich spät mit der Leichtathletik begonnen, mit 23 Jahren. In meinem Verein bin ich zuerst 800 Meter gelaufen. Längere Strecken bin ich nie gelaufen bis zu dem Tag an dem ich mit meinen Freuden eine Wette abgeschlossen habe.

Ich habe gewettet, dass ich einen Marathon laufen könne, und da keiner daran geglaubt hat, bin ich meinen ersten Marathon halt gelaufen. Nach dieser Wette bin ich dann weiter Halbmarathon und Marathon gelaufen. Ich bin nicht nur in Berlin den Halbmarathon und Marathon gelaufen.

Ich bin auch in New York, Seoul, London und x-mal bei den Deutschen Meisterschaften gestartet. Meine Bestzeit im Marathon ist 2:47 und im Halbmarathon 1:22.“

Ist Ihnen damals mal etwas Kurioses passiert?

Angelika Brandt: „Bei einem BERLIN-MARATHON war das Wetter schon vor dem Start furchtbar. Es war kalt und regnete die ganze Zeit. Ich bin also schon mit nicht so guter Laune zum Start gegangen. Ich wohne am Roseneck, wo ja auch die Strecke lang führt, und als ich dann dort lang gelaufen bin dachte ich mir – nein, ich hör jetzt auf. Also hab ich meinen Schlüssel geholt, den ich an einem Ort platziert habe und ging nach Hause statt zum Ziel zu laufen.

Ich machte mir eine heiße Badewanne und habe den Rest des Laufes am Fernseher gesehen.“

Wie war es bei Ihnen, Herr Goldammer?

Klaus Goldammer: „Beim ersten Friedenslauf 1982, also ein Jahr nach der Premiere vom Lichtenberg-Marathon, sollte die Polizei zwischen 25 und 30 km eine viel befahrene Kreuzung sperren. Das hätte aber bedeutet diese für mehrere Stunden zu sperren, also haben sie kurzerhand das Wendehütchen vor die Kreuzung gestellt, obwohl man noch einen Kilometer weiter hätte laufen müssen.

Nur das Spitzenfeld hat das mitbekommen, da wir uns natürlich gewundert haben, warum wir plötzlich eine so schnelle Durchgangszeit hatten. Alle anderen haben das nicht mitbekommen und natürlich wurde darüber auch nichts bekannt nach dem Lauf.“

Gab es damals, so wie heute, auch eine Siegprämie?

Klaus Goldammer: „Nein, das gab es natürlich nicht. Ich habe einmal sechs Holz-Eierbecher als Preis bekommen. Beim ersten Lichtenberg-Marathon habe ich, wenn ich mich recht erinnere, eine Kristallvase erhalten. Es gab immer eine kleine Annerkennung, aber man wurde nicht groß belohnt. Seinen Unterhalt konnte man sich damit nicht verdienen.

Gratuliert haben immer ein kommunaler Funktionär und der Veranstalter.“

Was gab es als Preis beim ersten Halbmarathon 1984?

Angelika Brandt: „Geld, so wie es heute üblich ist, gab es nicht. Das kam erst ganz zum Schluss meiner Karriere. Ich habe einen Tortenheber damals bekommen. Auch ein Toaster war mal dabei gewesen.

Gerade die Frauen haben in der Regel Haushaltsartikel bekommen.“

Wie sehen Sie die Entwicklung der Frauenläufe – brauchen wir diese?

Angelika Brandt: „Auf jeden Fall. Es ist als Frau recht schwierig, mit Männern zu laufen. Man muss sich durchsetzen und beim Laufen wollen die Männer sich beweisen und schneller sein als die Frauen. Wenn Männer wissen, sie laufen mit den ersten Frauen, dann wollen sie entweder schneller sein als diese oder mit denen zusammen ins Ziel kommen. Oft habe ich Männer im Schlepptau gehabt und kurz vorm Ziel haben sie mich dann überholt und sind als erstes durch Ziel.

Bei den Frauen geht es lockerer zu, und deswegen finde ich reine Frauenläufe sehr entspannend. Die Atmosphäre ist sehr schön und einfach eine tolle Erfahrung. Ich glaube auch aufgrund der Frauenläufe laufen heute mehr Frauen als vorher. Es ist doch eine Überwindung, zusammen mit Männern zu laufen, und so kann jede Frau ganz ungezwungen und entspannend laufen.“

Was machen Sie heute?

Angelika Brandt: „Leider kann ich heute aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr laufen. Mein Knie macht nicht mehr so mit wie ich es gerne hätte. Aber Sport mache ich immer noch – wenn man einmal dabei war, kann man es doch nur schwer wieder lassen.

Ich bin über 20 Jahre lang gelaufen und auch jetzt habe ich immer noch das Bedürfnis, an die frische Luft zu gehen. Und da ist es egal, was für Wetter ist. Ich gehe jeden morgen Fahrrad fahren, aber ich muss mich erst noch dran gewöhnen. Meine Tochter läuft jetzt. Das ist eine kleine Genugtuung und ich bin sehr stolz darauf.“

Wie ist es bei Ihnen?

Klaus Goldammer: „Vor allem arbeiten. Ich betreibe aber auch immer noch Leistungsport. Letztes Jahr bin ich Weltmeister meiner Altersklasse über 10 km geworden.

2005 wird für mich ein ruhiges Jahr. Ich habe mir keine großen Ziele gesetzt, man muss sich ja nicht jedes Jahr so fordern. Heute spielt der Faktor Zeit eine große Rolle. Seitdem ich selbstständig bin, ist die immer enger geworden.

Zum Sport gehört neben dem Training auch Erholung und Regeneration, und das ist alles sehr zeitraubend.“

Was sind Ihre Ziele für die nächsten Jahre?

Klaus Goldammer: „Mein großes Ziel ist der WM-Titel meiner Altersklasse über die Marathondistanz.

Ich hoffe das gelingt mir!“

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