Newsarchiv

Newsarchiv

Interview mit Tegla Loroupe

Tegla Loroupe (26) lief beim Rotterdam-Marathon 1998 mit 2:20:47 Stunden eine

Weltbestzeit. Die Kenianerin hat zweimal den New-York- und dreimal den

Rotterdam-Marathon gewonnen, beim 100. Boston-Marathon 1996 war sie Zweite.

Nach einer glänzenden Bahnsaison, in der sie Landesrekorde über 3000

sowie 10.000 m, will sie beim Alberto BERLIN-MARATHON am nächsten Sonntag

als erste Frau unter 2:20 Stunden laufen.

Wissen Sie welche Startnummer für Sie reserviert ist?

Nein, das weiß ich nicht - vielleicht die 2 oder die 100?

Sie bekommen die Nummer 219 ...

Oh, die ist gut - doch vielleicht wäre die 218 besser! Aber ich

wäre sehr zufrieden, wenn ich wirklich 2:19 Stunden laufen könnte.

Ich muss aufpassen, dass ich mich nicht zu sehr unter Druck setze. Auch eine

Zeit unter 2:21 wäre etwas Besonderes.

Sie sind eine tolle Bahnsaison gelaufen und haben nebenher für den

Marathon trainiert. Wie sehen Sie angesichts dieser Doppelbelastung die

Chancen, wirklich unter 2:20 Stunden laufen zu können?

Eigentlich kommt der Start beim Alberto BERLIN-MARATHON zu früh, das

ist sehr eng. Mir fehlen in der Vorbereitung auf den Marathon nach der

Bahnsaison zwei Wochen. Ich habe für kürzere Strecken sehr viel

Schnelligkeit trainiert und muss deswegen aufpassen, dass ich nicht zu schnell

loslaufe. Deswegen will ich die erste Hälfte vorsichtig in 70 Minuten

laufen. Wenn das Wetter gut ist und ich nicht müde werde, dann habe ich

eine Chance, unter 2:20 Stunden zu laufen. Ich hoffe, der zeitliche Druck in

der Vorbereitung macht sich nicht leistungsmindernd bemerkbar. Auf der anderen

Seite habe ich zur Zeit eine Form wie nie zuvor. Und ich habe zum Beispiel auch

in Sevilla während der WM für den Berlin-Marathon trainiert. Parallel

zur Bahnsaison bin ich bis zu 200 Kilometer in der Woche gelaufen.

Warum haben Sie denn Berlin ausgewählt und nicht die späteren

Rennen von Chicago oder Tokio?

In Berlin ist die Chance am besten, sehr gute Zeiten zu laufen. Die Strecke

ist flach und schnell, die Stimmung durch die Zuschauer inspirierend. Ich hatte

schon vor meinem ersten Marathon 1994 an einen Start in Berlin gedacht. Doch

dann bin ich in New York gelaufen und habe gewonnen. Ursprünglich war ich

in diesem Herbst auf den Amsterdam-Marathon im Oktober fixiert, doch das

klappte nicht. Dann kam im Juli ein Last-Minute-Angebot aus Berlin. Deutschland

ist meine zweite Heimat, aber ich bin hier noch nie ein großes Rennen

gelaufen. In Detmold fragen mich Freunde schon lange, wann rennst du endlich

mal beim BERLIN-MARATHON. Jetzt laufe ich, und sie fahren extra nach Berlin, um

mich zu unterstützen.

Sie wurden bei der WM in Sevilla Dritte über 10.000 m. Was ist Ihnen

wichtiger in diesem Jahr, die Medaille oder die Marathonzeit unter 2:20

Stunden?

Die Zeit unter 2:20 Stunden hätte für mich eine höhere

Bedeutung als die Medaille. Denn ein solches Resultat hat noch keine

Läuferin geschafft. Ich würde immer die Erste bleiben, die diese

Leistung vollbracht hat. Und es wäre schön, wenn der Alberto

BERLIN-MARATHON nach dem Rekord von Ronaldo da Costa auch die zweite Bestzeit

bekäme.

Neben der Traumzeit haben Sie noch ein anderes Traumziel im nächsten

Jahr.

Ja, es ist ein Traum, in Sydney den Marathon zu gewinnen. Ich hoffe, der

kenianische Verband macht bei der Nominierung für den olympischen Marathon

keine Schwierigkeiten und stört damit die Konzentration bei der

Vorbereitung. Vor der WM hatten sie mir für die 10.000 m eine Nominierung

zugesichert, dann haben sie mich nicht nominiert und schließlich durfte

ich dann doch starten. Aber mein Sportsponsor musste meine Reisekosten

übernehmen.

Sie machen sich seit Jahren stark für die kenianische

Frauen-Leichtathletik. Hat sich etwas getan?

Es gibt Fortschritte. Wenn sie noch nicht sichtbar sind, ist das nicht die

Schuld der Athleten sondern des Verbandes. Bei großen Meetings oder

Meisterschaften haben diese Frauen keine Chance zu starten - sie werden einfach

nicht nominiert. Warum startete zum Beispiel die 5000-m-Siegerin der

kenianischen WM-Ausscheidung nicht in Sevilla? Wir haben in Kenia übrigens

nicht nur Läufer, sondern auch Hochspringer, Weitspringer und Sprinter.

Aber ihnen gibt der Verband keine Chance mit einer Nominierung. Und dann

beklagen sich die Funktionäre, wenn es weniger Medaillen gibt als

erwartet. Wir Athleten haben uns darüber schon oft beklagt. Aber wenn wir

uns beschweren, wird das dann von Seiten der Fuktionäre in der Presse so

dargestellt, dass unsere Manager schuld sind.

Sie kennen sich in Deutschland gut aus. Hier gibt es andere Probleme -

viele Läufer rennen der Weltspitze weit hinterher. Woran liegt

das?

In Deutschland haben die Sportler sehr gute Rahmenbedingungen. Sie haben

alles was sie brauchen, um erfolgreich zu sein. Doch es gibt nur sehr wenige,

die hart trainieren und Erfolg haben. Die meisten machen einfach zu wenig. Da

gibt es eine gewisse Parallele zu einigen Kenianern, die erfolgreich waren.

Wenn sie genug Geld haben, vergessen sie das Laufen.

Seit Sie 18 Jahre alt sind, verbringen Sie einen großen Teil des

Jahres in Deutschland. Hatten Sie jemals Probleme auf Grund Ihrer

Hautfarbe?

Nein, niemals. In Detmold kennen mich viele Menschen, die Atmosphäre

ist sehr freundlich.

Sie sprechen auch ein bisschen Deutsch.

Ich kann nur etwas Deutsch sprechen. Aber das probiere ich nur in Detmold

aus.

 

Anzeige

Anzeige