Das Wendejahr 1989/1990 brachte für die vielen Läufer aus dem
„anderen Teil“ Deutschlands für ihren Sport viele Umwälzungen in
positiver, wie auch negativer Art. Eine der positiven
Begleiterscheinungen war, dass sich mit Klaus Weidt, Wolfgang Weising
und Ulf Ringer drei Sportjournalisten fanden, die die Idee hatten, eine
neue Läufer-Zeitschrift zu begründen, die es im ehemaligen Ostteil
Deutschlands bisher nicht gab.
Die einschlägigen Laufzeitschriften aus dem Westen waren „heiße
Ware“ und gingen unter der Hand ihren Weg. Es gehörte schon viele
Enthusiasmus, Mut und Energie dazu, sich auf diesem Markt etablieren zu
wollen. Kräftige Geburtshelfer waren dabei Horst Milde und der
BERLIN-MARATHON. In diesem prosperierendem Lauf-Umfeld wurde LAUFZEIT
„hineingeboren“ und der Laufwelt bekannt gemacht. In den vergangenen 15
Jahren hat LAUFZEIT diese Marktlücke ausgebaut – und die lange und
große Lauftradition Ostdeutschlands und Berlins wiederbelebt und neue
Initiativen entfacht und damit den Laufsport in den neuen Bundesländern
aus dem Tief neu entwickelt.
Viele der traditionellen Läufe hätten sicherlich auf diesem
schwierigen Sektor nicht überlebt, wenn LAUFZEIT nicht
ermuntert und medienmäßig gefördert hätte.
Wie aber auch die Redaktion – jetzt unter dem Chefredakteur
Wolfgang Weising – natürlich ein gestandener Läufer – mit einer
Minimannschaft das derzeit schwierige Geschäft meistert, ist
anerkennenswert und sollte unterstützt werden.
LAUFZEIT hat inzwischen mit WALKING eine Schwesterzeitschrift etabliert, die sich auch sehen lassen kann.
Im
folgenden geben wir dem laufenden Chefredakteur Wolfgang Weising Raum
für sein Editorial der Jubiläumsnummer, gratulieren zum Geburtstag und
wünschen weiterhin viel Erfolg – und natürlich das „Ohr am Läufer“!
Schlagzeilen
"Wildsau beißt Berlinerin", titelte kürzlich die hauptstädtische
Boulevardpresse. Ja, das sind Schlagzeilen. Die liegen noch dazu
einfach so im Wald herum. Eine garstige Wildsau und ihre Frischlinge
bringen Auflage. Muss man da als Vertreter eines vergleichsweise leisen
Mediums nicht neidisch werden. Man erinnere sich, wie einst namhafte
Gazetten in Zeiten, da noch keine Rede vom Laufboom war, mit ihren
Lettern die aufstrebende Bewegung erschlugen.
Verrückte
Die "Verrückten" erfuhren aus der Zeitung von ihrer Neurose. Und wenn
nur einer nah genug am Laufgeschehen das Zeitliche segnete, dann gab es
kein Halten mehr für die losgetretene Medienlawine. Auch der letzte,
unsportlichste Redakteur wusste dann zu berichten, wie gefährlich doch
das Laufen sei. In dieses Horn zu blasen und daraus Kapital zu schlagen
verbot sich für uns von Anfang an. Ach, wie bescheiden klingt da ein
Satz wie: "Laufen ist gesund". Wobei das heute schon besser in die
Landschaft passt. Besser jedenfalls als noch vor Jahrzehnten, als nur
eine sehr bescheidene Bevölkerungsminderheit von dem Satz überzeugt
war. Ungefähr zu jener Zeit, in der die LAUFZEIT als zartes Pflänzchen
in einer quirligen, gerade erst wiedervereinigten deutschen
Medienlandschaft keimte. Gestandene Titel gaben gerade reihenweise
ihren Geist auf, da schickten sich die LAUFZEIT-Gründer an, eine
Zeitschrift in den Markt einzuführen. Und das ohne das Instrumentarium
der großen Schlagzeilen-Macher, mit kleinem Budget, aber mit umso mehr
entschlossenem Engagement und mit nachhaltiger Unterstützung aus der
Szene.
Mai 1990 war die Premiere
LAUFZEIT erschien erstmals zum Rennsteiglauf im Mai 1990. Der
damalige Rennsteiglauf-Chef Hans-Georg Kremer erinnert sich daran auf
den Mittelseiten dieser Ausgabe. Es war die Zeit des Aufbruchs in den
neuen Bundesländern. Heute liegen 15 Jahre hinter dem LAUFZEIT-Team.
Sie halten gerade die 167. Ausgabe in Ihren Händen. Wir haben das
Antlitz leicht verändert. Denn, wie heißt es so schön: Nur wer sich
verändert, bleibt der Alte. Auch ein bisschen Rückblick auf
LAUFZEIT-Geschichte haben wir uns gestattet, verbunden mit guten
Wünschen vieler unsere Wegbegleiter.
Dankeschön
Ein Dankeschön an Sie und an alle unsere treuen Leser. Wie zum
Beispiel Dieter Stabrey, der uns ein Foto von seiner vollständigen
LAUFZEIT-Sammlung zusandte. Wie nahm sich die erste Ausgabe 5/1990 doch
noch bescheiden aus mit 32 Seiten Inhalt, fifty-fifty zweifarbig und
schwarzweiß. Heute legen wir mindestens das Doppelte in Farbe vor.
Dazwischen liegt die Zeit der größten technischen Umbrüche in der
Druck- und Satztechnik seit Gutenberg. Die nächsten sind im Gange.
Schon wachsen virtuelle LAUFZEIT-Seiten im Internet. Und längst
übertrifft die elektronische Post die herkömmliche.
Die leisen Töne
Doch eines blieb. Wir konnten der Versuchung der platten
Schlagzeilen widerstehen. Bevor wir Wunder nachdrucken, suchen wir erst
nach den Erklärungen. Was wir nicht wissen, versuchen wir nicht zu
behaupten. Weil unsere Leser fragen, suchen wir weiter nach Antworten.
Dem ehrlichen Streit räumen wir gern Platz ein, dem Kleingeist schon
weniger. So pflegen wir für unsere Leser weiter die leisen Töne fernab
der großen Schlagzeilen.
Bis auf die eine, zum lauten Weitersagen:
Immer ist LAUFZEIT!
Wolfgang Weising
Chefredakteur