Die Geschichte des London-Marathons, der heute in der britischen
Metropole sein 25. Jubiläum feiert, begann vor 26 Jahren in einem Pub.
Im Außenbezirk Richmond traf sich eine Gruppe von Läufern des Klubs
Ranelagh Harriers im Dysert Arms. Darunter war mit Chris Brasher ein
früherer Weltklasseläufer, der bald darauf einer der Gründer des
London-Marathons werden sollte. Dass man mitten durch die Stadt auf
Asphaltstraßen einen Marathon organisieren könnte, das konnte sich
Chris Brasher damals nicht vorstellen.
„Ich hätte mir vorstellen können, einen Marathon durch eine schöne
Landschaft zu laufen, aber niemals durch die City von London – das
erschien mir langweilig“, erklärte Chris Brasher, der vor einigen
Jahren starb, einst. Doch dann hörte er im Dysert Arms von einem
Journalisten die Geschichte vom New-York-Marathon. Das bis heute
spektakulärste Rennen über die klassischen 42,195 km war einer der
Auslöser für den Laufboom Anfang der 80er.
Nachdem Brasher vom New-York-Marathon gehört hatte, meldete er sich
umgehend an. 1979 lief er mit und schrieb danach einen Artikel für die
britische Tageszeitung „The Observer“, der wie folgt begann: „Um diese
Geschichte zu glauben, muss man daran glauben, dass solch ein Marathon
so etwas wie eine fröhliche Familie ist, die zusammen arbeitet, lacht
und etwas unmögliches schaffen kann. Genau das passierte in New York,
wo 11.532 Läufer aus 40 Nationen von über einer Million Menschen
verschiedenster Kulturen und Hautfarben angefeuert wurden – sie
veranstalteten das größte Volksfest, das die Welt gesehen hat.“ Am Ende
des Artikels fragte Chris Brasher, ob London wohl in der Lage wäre, ein
solches Ereignis
zu veranstalten. Ein paar Monate später kam es zu einem Treffen mit den
Stadtbehörden, der Polizei und Leichtathletik-Funktionären. Es war die
Geburtsstunde des London-Marathons.
Schon im ersten Jahr bewarben sich über 20.000 Läufer um knapp 8.000
Startnummern. Trotz des strömenden Regens wurde die Premiere zu einem
großen Erfolg. Die Zuschauerresonanz war enorm, und das Rennen wurde in
der BBC übertragen, was dazu führte, dass das Interesse am
London-Marathon noch ganz andere Dimensionen erreichte. Schon 1982
bewarben sich über 90.000 Läufer um die inzwischen 18.000 Startnummern.
Die Nachfrage nach den begehrten Startplätzen ist bis heute
ungebrochen. Beim heutigen Jubiläumsrennen wollten über 100.000
Athleten starten. 46.500 Startnummern wurden vergeben, das Gros davon
in einer Lotterie, die jeweils sechs Monate vor dem Start stattfindet.
Man braucht Glück, um in London Marathon laufen zu dürfen.
Gemessen an diesem Zahlen dürfte der London-Marathon der größte der
Welt sein. Was die tatsächlichen Starter- und Zielzahlen betrifft, war
der Lauf im vergangenen Jahr die Nummer drei hinter New York und
Chicago. Über 30.000 Läufer erreichten 2004 das Ziel am
Buckingham Palast.
Mit verschiedensten Tricks versuchten sich Läufer, die keine
Startnummer erhalten hatten, in der Vergangenheit in das Feld zu
schmuggeln. Immer wieder entdeckten die Veranstalter besonders in den
80er Jahren Athleten mit nachgemachten Startnummern. Damals hatten die
Nummern noch einen Strichcode, der im Ziel zur Identifizierung der
Läufer per Computer nötig war. Nachdem ein Code nicht lesbar war,
fanden die Organisatoren heraus, dass in diesem Fall ein Läufer den
Strichcode einer Konservenbüchse auf die gefälschte Nummer montiert
hatte. Seit vor rund zehn Jahren ein neues Zeitmess-System eingeführt
wurde, gibt es derartige Probleme nicht mehr. Jeder Läufer trägt jetzt
einen personalisierten Computerchip am Schuh.
Der London-Marathon hatte in den letzten Jahren unter Race-Direktor
David Bedford meist das hochkarätigste Feld aller Marathonläufe am
Start. Der frühere Weltklasse-Läufer hat einen siebenstelligen Etat zur
Verfügung, um Topläufer einzukaufen. So wird am Sonntag neben
Olympiasieger Stefano Baldini (Italien) und Vorjahressieger Evans Rutto
(Kenia) auch der Weltrekordler Paul Tergat (Kenia), der in Berlin 2003
die Marke von 2:04:55 Stunden aufgestellt hatte, am Start stehen. Bei
den Frauen ist ebenfalls die Weltrekordlerin dabei: Paula Radcliffe
(England) hatte vor zwei Jahren in London die Bestmarke auf 2:15:25
Stunden geschraubt.
Eine Situation wie bei der Premiere wird es bei der 25. Auflage
sicherlich nicht geben. Damals liefen der US-Amerikaner Dick Beardsley
und der Norweger Inge Simonsen nach 2:11:48 Stunden Hand in Hand ins
Ziel. Beide werden heute auch beim Jubiläum rennen. „Heutzutage würden
wir sicherlich nicht mehr gemeinsam ins Ziel laufen – denn verglichen
zu damals ist ja jetzt viel mehr Geld und Prestige im Spiel“, erklärt
Dick Beardsley. Die Sieger bekommen heute 55.000 Dollar, das
Gesamt-Preisgeld beträgt knapp 300.000 Dollar.