Einmal mehr hat der New-York-Marathon seine Rolle als großes Spektakel
unterstrichen. Über 30.000 Läufer und wiederum ein Millionenpublikum
an der Strecke unterstrichen die in dieser Hinsicht weltweit führende
Stellung. Doch spitzensportlich macht der Marathon-Klassiker keinen Schritt
nach vorne. Im Vergleich zum Chicago-Marathon, der zwei Wochen zuvor bei
Männern und Frauen Weltspitzenzeiten produziert hatte, hat das Rennen von
New York sogar an Boden verloren. Bemerkenswert ist, dass nun auch der zweite
amerikanische Marathon-Herbstklassiker von einem aus Marokko stammenden
Läufer gewonnen wurde. Während Chicago-Sieger Khalid Khannouchi
inzwischen die US-Staatsbürgerschaft besitzt, triumphierte im Central Park
sein früherer Landsmann Abdelkader El Mouaziz. Bei der 31. Auflage des
Rennens siegte der Marokkaner im Alleingang in 2:10:09 Stunden. Erst fünf
Wochen zuvor hatte er den olympischen Marathon absolviert. Auf der nicht leicht
zu laufenden Strecke gab es bei den Männern jedoch keine weiteren guten
Zeiten. Japhet Kosgei (Kenia) blieb als Zweiter mit großem Abstand in
2:12:30 um fast fünfeinhalb Minuten hinter seiner Bestzeit.
Vergleichsweise besser waren da die Resultate des Frauen-Rennens. Neben der
Überraschungs-Siegerin Ludmila Petrowa (Russland), die in 2:25:45 Stunden
gewann, blieben drei weitere Läuferinnen unter 2:27 Stunden. Die Sieger
des New-York-Marathons, der zum 25. Mal durch die Innenstadt führte,
nachdem der Lauf in den ersten sechs Jahren im Central Park ausgetragen worden
war, verdienten sich jeweils eine Prämie von 65.000 Dollar sowie ein Auto
und obendrein auch noch einen Motorroller. Während El Mouaziz eine
Zeitprämie von 10.000 Dollar erlief, erhielt Petrowa zusätzlich eine
Prämie von 25.000 Dollar.
Bei kühlen Temperaturen von anfangs 7 Grad Celsius und Wind kam
Abdelkader El Mouaziz mit einer ähnlichen Taktik wie bei zwei seiner
Starts beim London-Marathon zum Erfolg. 1998 hatte sich der Außenseiter
in London frühzeitig abgesetzt, baute seinen Vorsprung aus und wurde erst
kurz vor dem Ziel von Abel Antón (Spanien) noch abgefangen. Ein Jahr
später ließen die Favoriten den Marokkaner in London wieder ziehen,
und dieses Mal holte ihn keiner mehr ein. Ohne Ausreißversuche hatte der
31-Jährige in diesem Jahr bereits Platz zwei in London und Rang sieben
beim olympischen Marathon belegt. "Ich habe mich nach Olympia gut erholt,
und ich war zuversichtlich, nachdem ich mich von den anderen gelöst
hatte", erklärte Abdelkader El Mouaziz. Nachdem die große
Führungsgruppe mit rund einem halben Dutzend Tempomachern den 10-km-Punkt
in 30:23 Minuten erreicht hatte, tauchte El Mouaziz bereits vorne auf.
Gemeinsam mit einem der Pacemaker, Jacob Losian (Kenia), setzte er sich dann
auf dem nächsten 5-km-Abschnitt ab. Der Olympiasieger von Atlanta 1996,
Josia Thugwane (Südafrika), schloss wenig später noch zu dem
Marokkaner auf. Doch nach etwa 20 km musste Thugwane dem hohen Tempo Tribut
zollen. Während El Mouaziz die Halbmarathonmarke nach sehr schnellen 63:08
Minuten erreicht hatte, lag der Südafrikaner bereits elf Sekunden
zurück. Hinter ihm folgte weitere 15 Sekunden später eine
fünfköpfige Gruppe mit Noah Bor, Japhet Kosgei, Benson Mbithi (alle
Kenia), Shadrack Hoff und Benedict Kimondiu (beide Südafrika). Nachdem
Vorjahressieger Joseph Chebet (Kenia) krankheitsbedingt kurzfristig ausgefallen
war, spielten zwei andere New-York-Marathon-Sieger bei Halbzeit keine Rolle
mehr: German Silva (Mexiko), Sieger 1994 und '95, und John Kagwe
(Kenia/1997 und '98) lagen bereits fast zwei Minuten hinter Abdelkader El
Mouaziz.
Während hinter dem Marokkaner die Verfolgergruppe auseinanderfiel,
vergrößerte El Mouaziz seinen Vorsprung ständig. Schnell lag
Japhet Kosgei über eine Minute zurück, und als es auf den letzten
Meilen durch den Central Park ging, waren es sogar zwei. Längst lief zwar
auch El Mouaziz nicht mehr so flüssig wie in der ersten Hälfte des
Rennens, aber die Konkurrenz war an diesem Tag nicht stark genug, um ihn
einzuholen.
Ganz anders lief das Rennen bei den Frauen. In der zweiten Rennhälfte
gab es an der Spitze fast keinen Tempoverlust. Zuvor war eine große
Gruppe mit bis zu 14 Läuferinnen lange Zeit zusammen geblieben. Darunter
waren einige, die in den letzten drei bis acht Wochen allerdings schon einen
Marathon gelaufen waren: Tegla Loroupe (Kenia/13. in Sydney), Vorjahressiegerin
Adriana Fernandez (Mexiko/16. in Sydney), Franca Fiacconi (Italien/2. in Berlin
in 2:26:42), Kerryn McCann (Australien/11. in Sydney) und Sun Yingjie (China),
die erst am 15. Oktober Zweite in Peking gewesen war (2:26:36). Und bei allen
von ihnen wird sich dieser eigentlich viel zu kurze Abstand bemerkbar gemacht
haben. Als die Hälfte der Strecke nach 1:12:38 Stunden gelaufen war, lagen
aus dieser Gruppe nur noch Fiacconi und Sun an der Spitze - gemeinsam mit
Ludmila Petrowa, Hellen Kimutai, Florence Barsosio (beide Kenia) sowie Yuko
Arimori (Japan). McCann folgte sieben Sekunden später, kurz hinter ihr
lief Fernandez. Beide hatten wie die dahinter laufenden Esther Kiplagat (Kenia)
und Swetlana Schakarowa (Russland) nichts mehr mit dem Rennen an der Spitze zu
tun. Das schien bei Halbzeit auch für Tegla Loroupe zu gelten, die als
Elfte bereits 35 Sekunden Rückstand hatte. Aber kurz nach der
20-Meilen-Marke hatte sie sich noch einmal bis auf Rang drei nach vorne
geschoben. Arimori, Barsosio, Fiacconi und Sun waren in dieser Reihenfolge
zurückgefallen. Loroupes Rückstand auf das Führungsduo mit
Kimutai und Petrowa betrug zeitweilig nur noch 18 Sekunden. Doch im welligen
Central Park lief nichts mehr bei Loroupe, während sich vorne Petrowa von
Kimutai löste und ihrem größten Triumph entgegen rannte. Die
32-Jährige Russin hatte zuvor eine Bestzeit von 2:29:13 Stunden, gelaufen
als Siebente in Boston 1999. Während Tegla Loroupe noch auf Platz sechs
zurückfiel, wurde die am Ende stark aufkommende Fiacconi Zweite. Margaret
Okayo (Kenia), die zwei Wochen zuvor in Chicago mit Magenproblemen aufgegeben
hatte, kam noch auf Rang drei.
Ludmila Petrowa erklärte ihre deutliche Steigerung vor allen Dingen mit
besseren Trainingsbedingungen. Ihr Mann habe ihr im Haushalt den Rücken
freigehalten und sich um die beiden Kinder gekümmert, so dass die
Läuferin mehr Zeit zum Training hatte. Für Tegla Loroupe endete
währenddessen ein Jahr, das ihr in der zweiten Hälfte große
Enttäuschungen gebracht hatte. Als Favoritin in Sydney angetreten,
erfüllte sich auf Grund von Magenproblemen der Traum vom
Marathon-Olympiasieg nicht.
Ergebnisse:
Männer: 1. Abdelkader El Mouaziz (MAR)2:10:09, 2. Japhet Kosgei
(KEN)2:12:30, 3. Shem Kororia (KEN)2:12:33, 4. Elijah Korir (KEN)2:13:00, 5.
Abraham Assefa (ETH) 2:13:16, 6. Josia Thugwane (RSA)2:15:25 , 7. Yasuaki
Yamamoto (JPN) 2:15:37, 8. Simon Bor (KEN)2:16:23, 9. Mathias Ntawurikura
(Ruanda)2:16:26, 10. John Kagwe (KEN)2:17:02, 11. Koji Shimizu (JPN)
2:18:55,12. Shadrack Hoff (RSA) 2:18:57, 13. Marco Orsi (ITA) 2:20:09, 14.
German Silva (MEX) 2:20:41, 15. Joseph Mereng (KEN) 2:20:54, 16. Benedict
Kimondiu (KEN) 2:21:27, 17. Sam Ngatia (KEN) 2:22:58,18. Chris Verbeeck (BEL)
2:23:14, 19. Paul Pilkington (USA) 2:23:33, 20. Fabien Manzanares
(FRA)2:23:35.
Frauen: 1. Ludmila Petrowa (RUS) 2:25:45, 2. Franca Fiacconi (ITA) 2:26:03,
3. Margaret Okayo (KEN)2:26:36, 4. Hellen Kimutai (KEN) 2:26:42, 5. Florence
Barsosio (KEN) 2:27:00, 6. Tegla Loroupe 2:29:35, 7. Yingjie Sun (JPN) 2:30:13,
8. Kerryn McCann (AUS) 2:30:39, 9. Esther Kiplagat (KEN) 2:30:52, 10. Yuko
Arimori (JPN) 2:31:12, 11. Hellen Kimaiyo (KEN) 2:32:11, 12. Swetlana
Schakarowa (RUS) 2:32:35, 13. Adriana Fernandez (MEX)2:35:20, 14. Silvana
Trampuz (ITA) 2:37:02, 15. Zofia Wieciorkowska (POL) 2:43:09, 16. Suzi Morris
(USA) 2:45:17, …, 23. Annette Wolfrom (OSC Berlin) 2:49:57.