„Paderborn freut sich auf den 60. Osterlauf“ schürte Horst Wiczynski, seit nunmehr 30 Jahren an der Organisationsspitze des ältesten deutschen Straßenlaufes, hochgesteckte Erwartungen auf „seine“ Veranstaltung.
Wie selten eine Veranstaltung hat der Paderborner Osterlauf die deutsche Lauflandschaft geprägt, schließlich gilt die Veranstaltung an der Pader als das Non-plus-ultra der deutschen Laufszene, sieht man einmal von den großen Marathonläufen in Berlin und Hamburg ab. Weltklasseathleten haben in den Vergangenheit immer wieder für Furore am Ostersamstag gesorgt, auch wenn Osterlauf-Chef Horst Wiczynski nicht unbedingt das „große Geld“ in Paderborn ausschütten kann – es reicht aber immerhin, um Jahr für Jahr attraktive Startfelder zusammenzustellen.
Kontakte
Schließlich sind die Kontakte des umtriebigen Vater-Sohn-Teams Wiczynski exzellent. Jahr für Jahr sind die international tätigen Manager wie Walter und Sylvia Abmayr, Volker Wagner, Paul Boltersdorf, Helmut Ebert, Ceszlaw Zapala, Bogdan Müller und Dieter Albertus Garanten für hochkarätige Starterfelder - und natürlich die entsprechenden Resultate.
Im VIP-Zelt gab es ein nicht minder beachtliches Aufeinandertreffen zahlreicher Laufveranstalter wie Horst Milde (Berlin), Bernd Düngen (Duisburg), Alfred Langenbrunner (Würzburg), Manfred Hübner (Regensburg), Derk Kogelheide (Run Berlin), Wilfried Aufenanger (Kassel) oder Gerd Zachäus (Essen), die gerne Spalier für ihren Veranstalter-Kollegen Horst Wiczynski standen.
Oder am Mikrophon, wo einmal mehr der zweifache Paderborn-Sieger Wolf-Dieter „Poschi“ Poschmann und Burkhard Swara ihre Wortspielchen trieben und unter der mehrtausendköpfigen Kulisse am Start und Ziel für so manche Lachsalven sorgten.
Osterlauf-Präsident Horst Wiczynski: „Hervorragende Ergebnisse!“
„Wir haben hervorragende Laufergebnisse vorzulegen“, freut sich ein sichtlich geschaffter Race-Director nach getaner Arbeit bei einem Pressezusammenkommen unter der Tribüne der Sporthalle am Maspernplatz, „und zwei Rekorde!“
Und diese Rekorde sind sicherlich vom feinsten. Mit 7.694 Anmeldungen waren es heuer so viele wie nie zuvor, die bisherige Marke wussten die Paderborner gleich um satte 400 zu steigern. Dass dabei neben den beiden Hauptwettbewerben 10 km (2.740) und Halbmarathon (2.869) diverse Nebenstrecken wie der 5 km-Fun-Lauf, die Walkingstarter und vornehmlich die Bambini-Wettbewerbe (1.390) zum starken Rekord helfen mussten, dass sei am Rande für die Statistiker angemerkt.
Drei unter dem bisherigen Veranstaltungsrekord
Aber auch sportliche Highlights setzten die Spitzenläufer zum 60. Geburtstag. Der spurtstarke Moses Kigen gewann nach seinen Erfolgen in Korschenbroich und Den Haag nun auch mit 1:01:30 Stunden und seinen beiden Landsleuten Joseph Ngolepus und Abel Kigen im Schlepp die Jubiläumsausgabe und sorgte dafür, dass die Paderborner Janz Unternehmensgruppe um gleich 3000 Euro ärmer wurde.
Auch wenn das überaus hochgesteckte Ziel mit einer Endzeit unter 1:00:00 natürlich nicht erreicht werden konnte, ließ sich Janz-Geschäftsführer Mathias Jute nicht lumpen und spendierte den drei schnellen Afrikanern neben den ehedem schon ausgelobten Preisgelder noch den kleinen Zuschlag, weil die drei unter dem bisherigen Rekord von Stanley Kipkoskei Salil von 1:01:47 Stunden blieben. Und eben dieser Stanley hatte bei der Rekordjagd einen maßgeblichen Anteil, denn er war es, der als „Hase“ für die „Sub-60-Hatz“ verpflichtet wurde.
Und machte trotz der erschwerenden vier Anstiege über die Bahngleise und dem störenden Wind einen glänzenden Job – und finishte sogar hinter dem Trio auf Rang vier. Im geballten Auftritt der Afrikaner blieb für die Europäer kaum eine Prämie übrig. Einzig der Ukrainer Igor Geletiy schaffte dies als Fünfter mit einer starken zweiten Hälfte, nachdem er noch nach zehn Kilometer mit Martin Beckmann gleichauf gelegen hatte.
Martin Beckmann
Und der 29jährige aus Leinfelden-Echterdingen lief mit 1:06:02 als Zehnter zwar nicht ganz das Rennen, das er sich vorstellt hatte („Eigentlich ganz ok, aber es war wieder einmal für mich ein einsamer Kampf gegen den Wind“), aber ein ordentlicher Gradmesser ist es allemal vor seinem Marathonstart am 8. Mai in Düsseldorf.
Stefan Koch ohne Furcht inmitten der Kenia-Armada
Boston- und New York-Sieger Rodgers Rob beließ es an der Pader bei einer lockeren Laufdemonstration auf der 10 km-Distanz in 28:47 Minuten und hielt dabei seine Landsleute Ernst Melly Kimeli, Edwin Kibowen, Sammy Kipruto und James Kiplagat Kosgei deutlich auf Distanz.
Zur Überraschung selbst der Insider hatten so manche der Kenianer seinen lieben Schaff mit einem kampfstarken und furchtlos auftretenden deutschen Läufer: Stefan Koch, dem gerade vor wenigen Tagen erst in Herten-Bertlich erneut deutscher Juniorenmeister gewordenen 22jährigen vom TV Wattenscheid. Stefan Koch steigerte in diesem Rennen nach sehr verhaltenem Beginn (5000 m in 14:50) sogar seinen Hausrekord um 17 Sekunden auf starke 29:04 Minuten. „Das hätte ich nach der verschleppten ersten Hälfte nun wirklich nicht gedacht“, freute sich der Wattenscheider.
Irina Mikitenko Schritt für Schritt zurück in die Spitze
Auch bei den Frauen setzte eine Deutsche ein Ausrufezeichen. Die Frankfurter Olympiasiebte von Athen, inzwischen auch im Trikot des TV Wattenscheid, kommt nach ihrer Babypause immer besser in Schwung. „Es geht Schritt für Schritt vorwärts“, freute sich die gebürtige Kasachin, „Märchen sind hier längst ausgeträumt. Mit einer guten 32er Zeit kann ich derzeit gut leben. Bei den Europameisterschaften wird es eine 31-Minuten-Zeit. Da bin ich auf einem guten Wege dahin!“
Die sympathische Läuferin aus dem hessischen Hassenroth verlor zwar im Spurt gegen die Junioren-WM-Zweite Peninah Arusel, gewann nicht nur die Revanche gegen Viola Bor, der sie vor Wochenfrist noch in Korschenbroich unterlegen war, sondern auch gegen Luminita Zaituc. Diese machte sich allerdings keinen Kopf über Rang vier, sondern zeigte sich nach einer Erkältung zufrieden: „Die Grippe habe ich wohl überstanden. Das war heute im Prinzip mein erster Tempolauf. Das geht schon in Ordnung so!“
Claudia Lokar
Und noch eine deutsche Läuferin zeigte sich am Ostersamstag in guter Laune: Claudia Lokar. Die frühere Spitzenläuferin ist mit inzwischen 42 Jahren längst nicht mehr so ambitioniert als sie in den neunziger Jahren gleich zweimal die Halbmarathondistanz an der Pader gewinnen konnte, sondern schlichtweg einfach froh, dass es schmerzfrei zu einer einwandfreien 35:35 Minuten-Zeit gereicht hat.
Den vierten kenianischen Erfolg des Nachmittags sicherte sich letztlich Carolyn Kiptoo in 1:10:53 und einem Zwei-Minuten-Vorsprung vor ihren Landsfrauen, der Vorjahresersten Beatrice Omwanza und Susan Kurui. Der dreifachen Halbmarathon-Siegerin Petra Kaminkova reichte es nach durchgängiger Alleinfahrt nur zu Rang vier.
Horst Milde: „Ernüchterndes Leistungsniveau!“
Horst Milde, Senior-Race-Direktor des real,- BERLIN-MARATHON und Sprecher der German Road Races (GRR), erblasste schier beim Anblick der Ergebnisliste, insbesondere der über die Halbmarathondistanz.
So sehr ihn der große Andrang und die gute Stimmung beeindruckten, so sehr verwunderte ihn die geringe Leistungsdichte im Vorderfeld: „Ich war vor wenigen Wochen in Kyoto, da liefen 122 Japaner unter der 1:10-Stunden-Marke. Beim gerade in Deutschland doch mit einem beträchtlichen Stellenwert ausgestatteten Paderborner Osterlauf sind es gerade einmal vierzehn , darunter nur drei Deutsche! Irgendwas läuft in unserem Spitzenbereich auf falschen Bahnen. Das ist schon ernüchternd!“
Verkanntes Lauftalent Rolf Aldag?
Sie standen im Rampenlicht, die Rop, Kigen, Kiptoo und Arusei. Den Deutschen um Irina Mikitenko, Luminita Zaituc oder Stefan Koch wurde nicht minder viel Aufmerksamkeit geschenkt. Sabrina Mockenhaupt wäre gerne als Promi ebenso auf der schnellen Asphaltpiste vorgestellt worden, doch die kleine Siegerländerin musste es mit einem Auftritt im VIP-Bereich beschränken. „Ich kann wieder ordentlich trainieren. Derzeit tun mir alle Muskeln weh, aber das ist ein gutes Gefühl“, so eine gewohnt mitteilsame Sabrina Mockenhaupt, die nach einer grandios beendeten Saison 2005 als Cross-EM-Zweite und Siegerin beim Trierer Silvesterlauf bereits Mitte Januar mit der Diagnose Ermüdungsbruch jäh auf den Boden der Tatsachen zurückgekehrt war.
Neue Ziele
Ein anderer hätte zweifellos in einem anderen Metier ebenso im Rampenlicht gestanden, doch die Radkarriere des Rolf Aldag ist mit einem Sechstagerennen in Berlin Anfang des Jahres 2006 sanft ausgeklungen. Doch Aldag wäre nicht Aldag, gäbe es da nicht neue Ziele. Beim Hamburg-Marathon steht er auf der Startliste mit einer 2:45-Marschroute im Gepäck. Im Vorfeld wollte der einstige T-Mobile-Profi schon einmal testen, wie das neue Metier sich anfühlen würde.
34:01
In Bonn machte Rolf Aldag noch den Anfangsfehler und stellte sich einfach „hinten an“, so dass „nur“ eine 1:14er Zeit heraus sprang. In Paderborn langte das frühere Rad-Ass dagegen kräftig zu, dass selbst sein Pacemaker Matthias Rotzoll nur noch Bauklötze staunte. Denn aus den anvisierten 37:00 Minuten waren flugs 34:01 Minuten und Rang 47 (!) geworden. „Da müssen wir vielleicht für Hamburg noch einmal umdenken“, gestand Betreuer Wolfgang Berrens im Ziel bass erstaunt.
Der Conergy Hamburg-Marathon wird allerdings für Rolf Aldag nur Zwischenstation sein, denn schon vier Wochen später steht die nächste Herausforderung an, beim Lanzerote Ironman steht zumindest neben dem erneuten Marathon und der überaus vertrauten Radeinheit ein neues Abenteuer an, das vertrackte Schwimmen nämlich ...
Wilfried Raatz
www.paderborner-osterlauf.de
Aus Anlaß des Jubiläums des Paderborner Osterlaufes erschien eine 192-seitige Broschüre "SECHZIG JAHRE PADERBORNER OSTERLAUF" -Chronik und Geschichten- von Lothar von dem Bottlenberg. Eine Schatzkiste zum Stöbern für Freunde des Laufsports.
Viele Zahlen, Daten und Namen und historische Fotos sind tief aus der "Kiste" gegraben und zusammengetragen worden . 1947 fing es an mit 124 Läuferinnen und Läufern an - 2006 ist man bei 7.694 Teilnehmern angelangt.
Insgesamt beteiligten sich an 60 Veranstaltungen des Paderborner Osterlaufes 112.082 Läufer und Läuferinnen.