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Äthiopier siegen mit deutscher Entwicklungshilfe

Fünf von sechs möglichen Medaillen gewannen die Läufer Äthiopiens in

den beiden 10.000-m-Finals der Männer und Frauen bei den

Leichtathletik-Weltmeisterschaften von Helsinki. Während Tirunesh

Dibaba und Kenenisa Bekele einmal mehr souverän zu einer Goldmedaille

liefen, blieb den Kenianern lediglich ein Bronzerang von Moses Mosop.

Seit den Weltmeisterschaften 1993 in Stuttgart, als die Ära des damals

20-jährigen Haile Gebrselassie mit seinem 10.000-m-Sieg begann, haben

die Äthiopier lediglich in einem einzigen 10.000-m-Finale der Männer

bei einer WM oder bei Olympischen Spielen nicht gewonnen. Das war 2001

bei der WM, als überraschend der Kenianer Charles Kamathi triumphierte.

Von Gebrselassie zu Bekele

Lange Zeit war es Haile Gebrselassie alleine, der den Kenianern die

Goldmedaillen wegschnappte. Doch im Zuge des Erfolges von Haile

Gebrselassie entwickelte sich inzwischen eine Gruppe von

Weltklasseathleten. Allen voran natürlich Kenenisa Bekele, der seinem

Vorbild Gebrselassie inzwischen beide Weltrekorde über 5.000 und 10.000

m abgenommen hat. Auch die äthiopischen Frauen drängen immer stärker in

die Weltspitze. Allerdings dauerte es etwas länger als bei den Männern,

obwohl Derartu Tulu bereits 1992 in Barcelona Olympiasiegerin über

10.000 m wurde.

Viele äthiopische Champions

An der enormen Entwicklung der äthiopischen Langstreckler hat Haile

Gebrselassie sicherlich einen großen Anteil. Doch er war nicht der

erste erfolgreiche äthiopische Läufer. 1960 und 1964 wurde Abebe Bikila

Marathon-Olympiasieger, vier Jahre später schaffte dies sein Landsmann

Mamo Wolde. Doch große Siege gab es dann lange Zeit nicht – und der

erste, der über die Bahn-Langstrecken triumphierte war Miruts Yifter.

1980 bei den Olympischen Spielen gewann er über 5.000 und 10.000 m. An

ihn knüpfte Haile Gebrselassie Jahre später an.

Deutsches Wissen

In den Jahren vor Miruts Yifter hatten die Äthiopier fleißig

Trainingswissen gesammelt. Und dabei spielten deutsche Läufer und

Trainer eine wichtige Rolle. „Ja, man kann sagen, dass deutsches

Trainingswissen einen Anteil am Erfolg der Äthiopier hat“, bestätigt

Jos Hermens. Der niederländische Manager von Gebrselassie und Bekele

ist seit vielen Jahren eng mit den Äthiopiern verbunden.

Von der DDR nach Äthiopien

Für die Läufer der DDR gab es vor 30 Jahren nicht viele

Möglichkeiten für ein Höhentrainingslager. Äthiopien hatte aufgrund

seiner politischen Ausrichtung und der landschaftlichen Gegebenheiten

Priorität. Kontakte liefen zunächst nur über die DDR-Armee, und so

waren es lange Zeit auch nur die Athleten des Armee-Sport-Klubs

Potsdam, die nach Äthiopien fliegen durften. Mittelstreckenläufer wie

Olaf Beyer und Jürgen Straub oder später der Geher Ronald Weigel und

die Marathonläuferin Uta Pippig reisten vor ihren Saisonhöhepunkten

nach Addis Abeba.

Alles mitgeschrieben

Wenn die deutschen Athleten im Stadion von Addis Abeba trainierten,

standen die äthiopischen Trainer mit Stoppuhren an der Seite und

notierten jede Trainingseinheit. Später entwickelte sich ein Austausch.

Äthiopische Trainer und Athleten reisten nach Potsdam ins

Trainingslager und starteten bei Wettkämpfen in der DDR. Hinzu kam,

dass viele afrikanische Trainer an der Deutschen Hochschule für

Körperkultur (DHfK) in Leipzig studierten. „Darunter war auch einer der

heutigen äthiopischen Cheftrainer im Laufbereich, Dr. Woldemeskel

Kostre“, erklärt Jos Hermens.

Noch heute arbeiten die Äthiopier mit einem zentralistischen System,

wie es ähnlich auch in der DDR war. Die Athleten werden vor den

Saison-Höhepunkten in der Regel in Addis Abeba zusammengezogen. Starts

bei den lukrativen Meetings in Europa werden eingeschränkt. Und wer

sich nicht an diese Regeln hält, wird nicht nominiert für

Weltmeisterschaften oder Olympische Spiele.

"Noch mehr potenzial bei den Äthiopiern"

In den letzten Jahren sind es auch internationale Manager wie Jos

Hermens, von denen die Äthiopier profitieren. „Ich habe die Äthiopier

dahingehend unterstützt, dass sie ihre Athleten konzentriert

vorbereiten – denn ich möchte, dass sie Erfolg haben. Eine

Zentralisierung hilft, aber sicherlich ginge es auch mit einer

individuellen Vorbereitung“, sagt Jos Hermens, der glaubt, dass die

Äthiopier noch wesentlich mehr Potenzial haben. Es gibt kein

Sichtungssystem wie im DDR-Sport, aber Wettkämpfe an Schulen haben in

den letzten Jahren mehr und mehr zugenommen. So werden Talente im

Landesinneren entdeckt und dann auch gefördert. „Man muss auch sehen,

dass sich das Land stärker öffnet. Es gibt mehr Elektrizität und damit

auch mehr Kommunikation. Dadurch entwickelt sich vieles, auch im

Sport“, sagt Jos Hermens. „Es müssten eigentlich noch viel mehr

Äthiopier erfolgreich sein, denn Kenia hat 30 Millionen Einwohner

gegenüber 70 Millionen Äthiopiern.“

 

In Helsinki ist die Medaillenjagd der Äthiopier noch nicht beendet.

Zumindest in den beiden 5.000-m-Läufen sind die ostafrikanischen Läufer

favorisiert.

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