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António Pinto und der Wein:

Eine Flasche Wein war nicht griffbereit. Es wäre aber ohnehin schwierig

gewesen, eine zu finden, die den Ansprüchen eines António Pinto

genügt hätte. Denn der Portugiese besitzt in seiner Heimat bei

Amarante in der Nähe von Porto ein Weingut. Nach Saisonschluss im letzten

Jahr - Pinto hatte bei den Weltmeisterschaften in Sevilla über 10.000 m

Platz fünf belegt -, trank der Langstreckenläufer mit dem

ungewöhnlichen Hobby jeden Tag eine Flasche. "Die Folge war, dass ich

Ende Dezember zwölf Kilogramm zugenommen hatte", erzählt

António Pinto. Mit Beginn des Olympiajahres hielt sich der nur 1,66 m

große und in Wettkampfzeiten nicht einmal 60 Kilogramm wiegende Athlet

jedoch zurück. Die Abstinenz hat sich gelohnt. Bei seinem sechsten

London-Marathon erreichte António Pinto zum dritten Mal als Sieger das

Ziel und lief mit 2:06:36 Stunden als erster Europäer unter 2:07 Stunden.

Nie hat sich António Pinto in London schlechter als auf Rang drei

platziert, doch vor einem Jahr machte er einen ärgerlichen Fehler. Er

verpasste den Antritt von Abdelkader El Mouaziz und wusste lange Zeit nicht

einmal, dass der Marokkaner einen enormen Vorsprung vor seiner Gruppe hatte.

Als der Portugiese es schließlich merkte, war es zu spät. Dieses Mal

hat der 34-Jährige besser aufgepasst. Und schließlich war er es, der

außer Sichtweite seiner Verfolger war. "Ich bin froh, dass der

Europarekord in Portugal bleibt und stolz zugleich, dass ich es geschafft habe,

die Bestzeit von Carlos Lopes zu brechen", sagt António Pinto, der

die fünftschnellste Zeit aller Zeiten rannte.

"In diesem Jahr habe ich zwei Prioritäten gesetzt: Erstens den

London-Marathon und zweitens Olympia - es werden meine letzten Spiele

sein", erklärt António Pinto, der auch in Sydney Marathon

laufen wird. "London hat für mich einen hohen Stellenwert, weil der

Lauf so gut besetzt ist, dass er wie eine Vorschau auf Sydney ist." Die

Generalprobe hat er also gewonnen, doch wenn er bei großen

Meisterschaften bisher über die klassische Distanz startete, dann gab es

für den Portugiesen nur Enttäuschungen. 1992 in Barcelona gab er auf,

vier Jahre später wurde er bei Olympia 14. und bei der WM in Athen

erreichte er ebenfalls nicht das Ziel. "Ich bin eben auch nur ein Mensch,

bei einem Marathon geht nicht immer alles wie geplant", erklärt

António Pinto. "Hohe Temperaturen können für mich ein

Problem sein, da fühle ich mich manchmal nicht wohl. Nach den Erfahrungen

in Atlanta und in Athen, wo auch noch die Luftverschmutzung hinzu kam, hatte

ich von vornherein nie einen Marathon-WM-Start in Sevilla in Erwägung

gezogen", sagte Pinto, der bereits im vergangenen Jahr einen Landsmann als

Europarekordler abgelöst hatte. In Stockholm verbesserte er die 15 Jahre

alte 10.000-m-Zeit von Fernando Mamede auf 27:12,47 Minuten, nachdem er 1998

Europameister über diese Distanz geworden war.

Erst im Alter von 20 Jahren hat der frühere Radsportler Pinto mit dem

Lauftraining begonnen. Nachdem er sich zunächst auf die 10.000-m-Strecke

konzentriert hatte und 1988 bei Olympia 13. war, lief er 1991 seinen ersten

Marathon. Inzwischen hält es António Pinto mit seinen sportlichen

Erfolgen ebenso wie mit der Lagerung seiner Weinflaschen: Je länger sie

reifen, desto besser. In den letzten zwei Jahren hat er alle seine alten

Bestzeiten unterboten. 1998 hielt er mit 59:43 Minuten kurzzeitig sogar die

Weltbestzeit im Halbmarathon. Trotzdem denkt er jetzt an das Ende seiner

Karriere. "Ich weiß nicht, wann ich sie beende. Aber ich denke, das

werden meine letzten Olympischen Spiele sein, obwohl Carlos Lopes noch mit 37

Jahren Olympiasieger geworden ist. Aber ich weiß nicht, ob ich bis 2004

noch diesen Leistungsstandard halten kann." Eine Medaille ist das Ziel des

Portugiesen in Australien. "Sydney wird ein ganz anderes Rennen. Da geht

es nicht um die Zeit, sondern um einen Podiumsplatz. es ist wichtig, dass man

das Tempo nicht zu früh erhöht, um auf den letzten zehn Kilometern

noch Kraft zu haben", blickt António Pinto voraus, der genau mit

dieser Taktik auch in London gewann.

Ob er sich vorstellen kann, dass andere Athleten auch regelmäßig

Wein trinken, wurde António Pinto nach seinem Sieg in London gefragt.

"Nun, wenn ich meinen Wein verkaufen würde, dann würden sie ihn

vielleicht auch trinken!"

 

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