Die Kenianer sind die Favoriten bei der 36. Auflage des Berliner Halbmarathon am Sonntag, doch zumindest ein deutscher Athlet kann beim größten und hochklassigsten nationalen Rennen über die 21,0975-km-Distanz eine so gute Rolle spielen wie seit langem nicht mehr. Der neue Schwung im deutschen Langstreckenbereich soll sich auch am Sonntag zeigen. Während der ehemalige Halbmarathon-Weltmeister Wilson Kiprop als Favorit an den Start geht, könnte Deutschlands Marathon-Star Arne Gabius weit vorne mitlaufen. Es ist bereits 17 Jahre her, dass sich ein deutscher Athlet im Männerrennen unter den Top Ten platzieren konnte. Das zumindest sollte am Sonntag wieder der Fall sein, doch für Arne Gabius ist eventuell sogar ein Platz auf dem Podest möglich. Genau 32.753 Läufer aus 103 Nationen haben sich für den Berliner Halbmarathon angemeldet, die Wetterprognosen sind sehr gut.
Wilson Kiprop, der 2010 den WM-Titel im Halbmarathon gewann und zwei Jahre später als Zweiter in Berlin mit 59:15 Minuten seine Bestzeit aufstellte, will sich nach einer Verletzungspause zurückmelden. „Ich möchte am Sonntag wieder unter einer Stunde laufen", sagte der 28-jährige Kenianer, dessen größter Konkurrent am Sonntag ein Landsmann sein dürfte: Richard Mengich stellte im vergangenen Jahr als Vierter beim Berliner Halbmarathon seine Bestzeit von 59:59 Minuten auf.
Ein Tempo im Bereich von rund 60 Minuten hat Race-Direktor Mark Milde für Sonntag geplant. Das will auch Arne Gabius (LT Haspa Marathon Hamburg) so lange es geht mitlaufen. „Ich will gar nicht auf die Uhr schauen sondern einfach nur mitlaufen“, sagte der 35-Jährige, der im Marathon im vergangenen Oktober in Frankfurt mit einem deutschen Rekord von 2:08:33 Stunden für Furore sorgte. Erstmals seit über 20 Jahren gibt es mit Arne Gabius wieder einen deutschen Marathonläufer, der international eine Rolle spielen kann und zur europäischen Spitze gehört.
Über die „halbe Distanz“ hat Arne Gabius noch Nachholbedarf - und ganz besonders in Berlin. In New York lief er vor zwei Jahren sein Debüt über die Halbmarathonstrecke und erreichte auf Anhieb gute 62:09 Minuten. Vor einem Jahr wollte er diese Zeit auf der schnellen Berliner Strecke deutlich unterbieten und versuchen, den deutschen Rekord zu brechen. Diesen hatte Carsten Eich bei seinem Sieg in Berlin 1993 mit 60:34 Minuten aufgestellt. Doch Magenprobleme stoppten Arne Gabius während des Rennens - nach einem Blackout joggte er auf Platz 301 rund 20 Minuten später als geplant ins Ziel. Jetzt nimmt Arne Gabius einen zweiten Anlauf in Berlin. „Eine Zeit unter 61 Minuten ist mein Ziel.“ Es ist nicht ausgeschlossen, dass er in den Bereich des deutschen Rekordes kommen kann.
Neben Arne Gabius haben auch Philipp Pflieger (LG Telis Finanz Regensburg) und Julian Flügel (Asics Team Memmert) die zwischenzeitlich vom Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) auf 2:14:00 Stunden angepasste Marathon-Olympianorm erfüllt. Pflieger steigerte sich in Berlin im September auf 2:12:50 Stunden, Flügel lief im gleichen Rennen 2:13:57. Erfüllt das deutsche Trio am Sonntag den vom DLV geforderten Leistungsnachweis über die Halbmarathondistanz, der inzwischen auf sehr moderate 66:30 Minuten festgelegt wurde, haben Gabius und Pflieger das Olympia-Ticket nach Rio praktisch gebucht. Flügel muss noch abwarten, denn vor allen André Pollmächer (Rhein Marathon Düsseldorf), der am Sonntag ebenfalls beim Berliner Halbmarathon startet, wird Ende des Monats in Düsseldorf noch einen Qualifikationsversuch starten. Er muss dann schneller laufen als Flügel, der seinerseits in zwei Wochen beim Hamburg-Marathon startet.
Philipp Pfliegers Halbmarathon-Bestzeit steht bei 63:51 Minuten. Mit einer Steigerung rechnet er am Sonntag nicht, da der 29-Jährige nach dem Berlin-Marathon längere Zeit mit aufgrund einer Verletzung am Sprunggelenk nicht trainieren konnte. „Seit knapp acht Wochen kann ich wieder richtig laufen. Das ist nicht viel Vorbereitungszeit, aber ich bin ganz zufrieden“, sagte Pflieger. Der Leistungsnachweis für Olympia sollte kein Problem sein, aber mit einer Bestzeit und einer möglichen Halbmarathon-Norm für die EM in Amsterdam (63:45 Minuten) ist eher nicht zu rechnen. „Aber ich freue mich auf Berlin“, sagte Philipp Pflieger.
Julian Flügel hatte vor kurzem Pech, weil er sich eine Muskelverletzung zuzog. Zuvor hatte er sich beim Barcelona-Halbmarathon im Februar auf 64:17 Minuten verbessert. Das Rennen zählt jedoch nicht als Rio-Leistungsnachweis, da es terminlich zu früh war. „Ich glaube nicht, dass ich am Sonntag diese Bestzeit unterbieten kann. Aber der Leistungsnachweis für Olympia sollte möglich sein. Ich werde etwas vorsichtiger angehen", sagte Julian Flügel.
Während Steffen Uliczka (SG TSV Kronshagen/Kieler TB) aufgrund eines Ermüdungsbruches in der Beckenschaufel verletzt ausfällt und damit auch seine Hoffnungen auf einen Marathon-Olympiastart begraben muss, will sich André Pollmächer am Sonntag in Berlin zurückmelden. Hier lief er vor zwei Jahren mit 62:47 Minuten auch seine Bestzeit.
Bei den Frauen ist die aus Kenia stammende und seit kurzem für die Niederlande startberechtigte Elizeba Cherono die Favoritin. Sie war vor einem Jahr in Berlin Zweite mit 70:56 Minuten. In der Zwischenzeit verbesserte sie sich auf 70:10 und peilt am Sonntag eine Zeit unter 70 Minuten an. Mit Mona Stockhecke (LT Haspa Marathon Hamburg/74:57), Melina Tränkle (LG Karlsruhe/73:45) und Annett Horna (LC Rehlingen/1:15:47) sind drei deutsche Läuferinnen aus der erweiterten nationalen Spitze am Start.
Jörg Wenig
Newsarchiv
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Arne Gabius peilt beim Berliner Halbmarathon Bestzeit an und will vorne mitlaufen
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