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Bilanz der Leichtathletik-WM: Kenianer waren die Lauf-Sieger

Anstelle von Weltrekorden gab es Überraschungssieger. Die achten  

Leichtathletik-Weltmeisterschaften von Edmonton sind die ersten, die ohne neue

Weltbestmarken zu Ende gehen. Dafür allerdings hießen zum Beispiel

die Sieger über 100 und 10.000 m Shanna Pintusewitsch-Block (Ukraine) und

Charles Kamathi (Kenia). Marion Jones, die trotzdem mit zwei Siegen und einer

Silbermedaille die erfolgreichste Athletin war, und Haile Gebrselassie sind die

prominentesten Verlierer, zu denen sich um ein Haar auch noch

100-m-Weltrekordler Maurice Greene (USA) gesellt hätte. Die Kenianer waren

die Sieger bei den Läufen in Edmonton. Sie gewannen dreimal Gold - neben

den 10.000 m auch über 5000 m und über ihre Spezialstrecke, die 3000

m Hindernis. Damit waren sie erfolgreicher als die Äthiopier, die zweimal

gewannen (Marathon der Männer und 10.000 m der Frauen).

Aber auch zwei deutsche Athleten sorgten für dicke Überraschungen:

Ingo Schultz, der neue Vizeweltmeister über 400 m, war international ein

Nobody, als er nach Edmonton kam. Das galt für Martin Buß zwar

nicht, doch dass der Berliner im Hochsprung Gold gewinnen könnte, hatte

sicher niemand erwartet. Andererseits gab es auch Enttäuschungen im

deutschen Lager: Grit Breuer blieb über 400 m ohne Medaille, Heike

Drechsler verletzte sich bei der Weitsprung-Qualifikation. Das Malheur der

Heike Drechsler passierte am Sonntag, als Deutschland noch ohne Medaille

dastand. "Es wird hier auch noch positive Überraschungen deutscher

Athleten geben", kündigte Heike Drechsler an. Sie sollte recht

behalten. Und noch etwas sagte die Olympiasiegerin: "Mir ist für die

Zukunft nicht bange um die deutsche Leichtathletik. Wir haben gute

Athleten." Ähnlich äußerte sich auch Frank Hensel, der

Generalsekretär des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV):

"Jahrelang wurde spekuliert, dass die Lücke nicht zu schließen

sein wird, wenn die erfolgeichen alten Athleten einmal abtreten. Doch wir haben

gesehen, dass wir inzwischen auch junge, erfolgreiche  Athleten

haben."

Sieben Medaillen haben die DLV-Athleten in Edmonton gewonnen, darunter zwei

goldene. Damit liegen sie im Medaillenspiegel auf dem fünften Rang hinter

den USA, Russland, Kenia und Kuba. Aussagekräftiger für die

Beurteilung der Leistungsfähigkeit ist jedoch jene Tabelle, in der die

Platzierungen von Rang eins bis acht mit entsprechenden Punkten bewertet

werden. Hier waren die Deutschen in Sevilla noch Zweiter, jetzt sind sie hinter

den USA und den wieder erstarkten Russen, Dritter. Mit etwas mehr Glück

wären für die DLV-Athleten auch gute zehn Medaillen möglich

gewesen. "Aber eine WM, bei der es wirklich optimal läuft, die wird

es wohl nie geben", sagte DLV-Leistungssportwart Rüdiger Nickel, der

ebenso wie Frank Hensel  zufrieden sein durfte mit den Resultaten und von

einem "Wechselbad der Gefühle" während der zehn Tage von

Edmonton sprach. "Wenn es hier bei der WM richtig gut läuft, haben

wir über zehn Medaillen. Und dann wird  man natürlich auch im

nächsten Jahr daran gemessen - damit müssen die Leichtathleten

leben", sagte Helmut Digel, der neue Vizepräsident des Welt-Verbandes

IAAF.

Großes und verdientes Lob gab es von der IAAF für die kanadischen

Organisatoren. "Das Organisationskomitee hat wirklich hervorragende

Bedingungen geschaffen. Die WM war extrem gut organisiert", sagte

IAAF-Präsident Lamine Diack. Und während Generalsekretär Istvan

Gyulai meinte, dies  "war die bisher am besten organisierte WM",

sagte Helmut Digel: "TV-Service, Helfer, Transportsystem, Versorgung und

Werbung waren fantastisch. Nur der Zeitplan wurde kritisiert." Das Stadion

ohne Dach barg sicher ein Risiko, doch es regnete nicht. So blieb als negativer

Höhepunkt, dass im Anti-Doping-Kampf ein dicker Fisch durch das Netz ging.

Die russische 5000-m-Weltmeisterin Olga Jegorowa konnte nach einer positiven

Probe nicht gesperrt werden, weil das Pariser Dopinglabor einen schwerwiegenden

Fehler gemacht hatte. Auch die Zuschauerresonanz ließ zu wünschen

übrig, doch sie war auch in Sevilla und Athen zuletzt nicht besser.

Weil Kanada kein Leichtathletikland ist, übte der neue

DLV-Präsident Clemens Prokop gegenüber dpa starke Kritik an der IAAF:

"Diese WM hätte nie nach Edmonton vergeben werden dürfen. Die

Idee der IAAF, mit der WM Nordamerika als Leichtathletik-Entwicklungsland zu

fördern, halte ich für Unsinn." Man muss aber annehmen, dass

Clemens Prokop die für eine Leichtathletik-WM sehr vielversprechenden

Fernsehquoten aus den USA noch nicht kennt. Sechs Millionen US-Amerikaner

hatten zum Beispiel die Wettbewerbe am ersten Sonntag mit dem 100-m-Finale von

Marion Jones gesehen. Helmut Digel sprach in einem Interview von einer

"Wiedergeburt der Leichtathletik im US-Fernsehen". Damit hätte

die IAAF in Edmonton in der Tat ein ganz wichtiges Ziel erreicht.

 

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