Es war ein überaus erfreulicher Nachmittag, auch wenn die
äußeren Bedingungen mit einsetzendem Nieselregen nicht durchweg
freundlich waren. Die in vielfältiger Weise in die Schusslinie geratenen
Bundestrainer des Deutschen Leichtathletik-Verbandes ob des derzeit gebotenen
Leistungsniveaus der deutschen Laufszene konnten dieses Mal eine überaus
positive Bilanz nach den Erfolgen der Hallmann, Mockenhaupt und Co. auf dem
idealen Crossparcours auf der Lichtwiese in Darmstadt ziehen. Aber auch der ASC
Darmstadt, der sich als ein innovativer, attraktiver Organisator von seiner
starken Seite präsentierte und mit der neunzehnten Auflage des
Darmstadt-Cross nicht nur eine Spitzenveranstaltung auf die Beine zu stellen
wusste, sondern der bei der diesjährigen Darmstadt- Cross-Auflage und in
Zukunft mit Nachdruck gewillt ist, der mehr und mehr absterbenden
Crosslaufszene neues Leben einzuhauchen.
Nach der Absage der Veranstaltungen in Neuss, Köln und dem Rückzug
der Walldorfer aus dem Deutschen Cross-Cup ist der Darmstadt-Cross unbestritten
die Nummer eins der Querfeldein-Laufszene und möchte sich nicht zuletzt
ermutigt von kompetenter Verbandsseite um die Austragung der Deutschen
Cross-Meisterschaften bewerben. “Wir stellen uns 2005 oder 2006
vor“, umreißt Organisator Wilfried Raatz, zugleich
Cross-Beauftragter des DLV, die weiteren Pläne der Darmstädter.
“Für die Jubiläumsausgabe 2004 haben wir uns um die deutschen
Hochschul-Meisterschaften beworben. Die veränderte Strecke ist
zuschauerfreundlich und selektiv, dass wir uns durchaus auch die Ausrichtung
der “Deutschen“ vorstellen können. Nur muss der DLV von dem
bislang praktizierten Rotationsprinzip unter den Landesverbänden bei der
Vergabe von Meisterschaften abkommen. Warum sollten nicht drei, vier
Crossveranstalter als ständige Ausrichter, ähnlich wie man dies wohl
auch auf der Bahn vorhat, fungieren können. Es würde in hohem
Maße zur Belebung des deutschen Mittel- und Langstreckenlaufes beitragen.
Warum müssen immer neue, zumeist auf diesem Metier unerfahrene
Veranstalter für diese Meisterschaften gefunden werden!“
Die 1300 m-Runde mit vielen Kehren und Richtungswechsel und einem
Sandhügel als attraktives Element stimmte sowohl die Läufer als auch
die Fachleute sehr zufrieden. “So stelle ich mir eine
zuschauerfreundliche Strecke vor“, lobte der seit wenigen Wochen im
DLV-Trainerstab für Crosslauf verantwortliche frühere
Cross-Weltmeisterschaftsdritte Detlef Uhlemann. Ähnlich wie bei namhaften
Golfturnieren zogen die zahlreichen Zuschauer nicht von “Loch zu
Loch“, sondern von einer Streckenschleife zur nächsten, immer auf
der Höhe des Geschehens. Als ein weiteres belebendes Element zeigte sich
auch die Premiere des Cross-Sprints über 600m. Die
“Beschäftigungs-Therapie“ der Langsprinter und zur 800 m
Strecke tendierenden Mittelstreckler kam übrigens prächtig an und
hatte mit Mark Rapp und Claudia Schultz zwei prominente Sieger. Die Zuschauer
jedenfalls waren bestens unterhalten bei dieser Art, Cross zu
präsentieren.
Und sie erlebten Cross vom Feinsten. Spannende Positionskämpfe und
mitreißende Sprints bis hinein in den Zieleinlauf bestimmten in nahezu
allen Wettbewerben den Takt. Mit einer Ausnahme – und dies lag alleine an
der läuferischen Klasse von Sabrina Mockenhaupt, die nach dem Dämpfer
der Weltmeisterschaften in Paris längst wieder Lust zum Angriff auf die
europäische Spitze bekommen hat. “Das war heute schon ein gelungener
Einstieg. Doch überbewerten darf man diesen Erfolg natürlich nicht,
abgerechnet wird erst in Edinburgh!“ Die Siegerländerin, die mit 22
Jahren bereits auf nationaler Ebene heuer die Titel über 5000 m und 10 000
m als auch im Crosslauf gewinnen konnte, marschierte eindrucksvoll an der
Spitze des gutklassigen Frauenfeldes über 5 500 m voran und setzte ein
erstes Gütezeichen in der frühen Cross-Saison. Wie bei den
Cross-Titelkämpfen in Bad Dürrheim kam Susanne Ritter auf Rang zwei
– und sorgte somit für einen überraschenden deutschen
Doppelsieg. Denn die mitfavorisierte Kenianerin Lillian Chelimo hatte im
Renngetümmel einen Spikeschuh verloren und lief als Dritte gewiss etwas
unter Wert ins Ziel ein. Überraschend stark präsentierte sich die
eigentliche 800 m- und 1500 m-Spezialistin Juliane Becker auf Rang vier noch
vor den crosserfahrenen Michaela Schedler, Birte Bultmann und war damit in
bester Gesellschaft ihrer Disziplinkolleginnen Kerstin Werner und Kathleen
Friedrich, die nicht vor der “Überdistanz“ von mehr als
fünf Kilometern zurückschreckten und eine ordentliche Ausdauer und
Tempohärte bewiesen.
Auch beim Männerrennen spielten die kenianischen Läufer
überraschend keine Rolle, sondern eine sechsköpfige deutsche
Läufergruppe hatte sich mit kampfstarkem Einsatz schon früh an der
Spitze abgesetzt. Nach ständigem Führungswechsel zog in der Endphase
Sebastian Hallmann den Spurt an und setzte sich gegen den amtierenden
Crossmeister André Green, Oliver Mintzlaff, Oliver Dietz und den
Cross-Mittelstreckenmeister Damian Kallabis durch. “Das ist ein Neuanfang
nach zwei doch eher bescheidenen Jahren“ freute sich der für den LAC
Quelle Fürth/ München startende 26jährige Hallmann, der im DLV
durchaus als ein Mann mit Perspektiven gilt.
Mit Hindernismeister Christian Knoblich, dem Juniorensieger Jan Krauspe und
Lars Haferkamp platzierten sich weitere deutsche Läufer unter den
“top ten“, Beleg für die gute Ausgangsbasis zu Beginn des
Wintertrainings. Wie stark die deutschen Läufer, Abteilung männlich
und weiblich, international sind, dass wird das zweite Selektionsrennen in zwei
Wochen im holländischen Tillburg zeigen. “Wir wollen mit zwei
kompletten Teams nach Edinburgh fliegen“, gibt Uhlemann die
Marschrichtung vor – und dort mit einstelligen Mannschaftsplätzen
einen Neuanfang machen.
Beeindruckend beim Darmstadt-Cross auch die breite Spitze beim Nachwuchs.
Eine Spitzenbesetzung, die allenfalls bei deutschen Meisterschaften zustande
kommt, unterstreicht den Leistungswillen unseres Nachwuchses. “Daraus
müsste man schon etwas machen können“, zeigte sich auch
DLV-Nachwuchstrainer Henning von Papen beeindruckt, “allerdings haben wir
dies in der Vergangenheit auch schon öfters gesagt!“ Mit Ricardo
Giehl setzte sich nach spannendem Rennverlauf der deutsche Crossmeister durch,
knapp gefolgt vom erst 17jährigen Zelalem Martel. Hinter Norbert Löwa
und Steffen Uliczka folgte auf Rang fünf übrigens schon mit Johannes
Raabe der zweite B-Jugendliche im kompakten Spitzenfeld, das im Sekundentakt
finishte.
Nicht minder spannend entwickelte sich das Rennen der weiblichen Jugend, bei
dem mit Verena Dreier die Clubkollegin von Sabrina Mockenhaupt
überraschend den besten Spurt gegen Antje Möldner gewinnen konnte.
Mit den international erfahrenen Saskia Janssen und Regina Schnurrenberger
sollte auch hier eine schlagkräftige Mannschaft für Edinburgh
möglich sein.
Riesenfelder bestimmten die Nachwuchsrennen der Schüler, die fast die
Hälfte der Rekordbeteiligung beim Darmstadt-Cross ausmachten. Durchaus ein
Beleg, dass die olympische Kernsportart Leichtathletik auch in Deutschland noch
eine Zukunft hat. Talente jedenfalls sind vorhanden, nur müssen diese mit
Geschick und Können durch die Jugendklassen geführt werden, eine
Herkulesaufgabe, die gewiss nur gemeinsam mit dem Deutschen
Leichtathletik-Verband, den Vereinen und den Schulen vor Ort im Verbund mit
engagierten Übungsleitern zu lösen sein dürfte.
Wilfried Raatz
Ergebnisse unter www.asc-darmstadt.de