"Bei einem Vergleich kommen sich immer beide Seite entgegen"
Der Vorsitzende Richter des DSB-Schiedsgerichtes erklärt die Einigung
zwischen dem DLV und Uta Pippig
Der Vergleich, mit dem das Dopingverfahren Uta Pippig vor dem Schiedsgericht
des Deutschen Sportbundes (DSB) am 5. August endete, ließ zunächst
Raum für Spekulationen. Vom Freispruch bis zur Aussage, Uta Pippig habe
auf alles verzichtet, gingen die Meldungen auseinander. "Ein
Vergleich", betonte Eike Ullmann nun, "ist immer etwas, bei dem sich
beide Seiten entgegen kommen." Eike Ullmann, Vorsitzender Richter im VII.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofes in Karlsruhe, hatte den Vorsitz des
dreiköpfigen Richtertrios bei dem Schiedsgerichtsverfahren.
Was dieser Vergleich neben Uta Pippigs Verzicht auf
Schadensersatzforderungen bedeutet, zeigt unter anderem Ullmanns Antwort auf
die Frage, was passieren würde, wenn es, rein hypothetisch, irgendwann
einmal eine zweite positive Dopingprobe bei der Läuferin geben würde,
die normalerweise gemäß den Regeln eine lebenslange Sperre nach sich
ziehen würde? "Dann gilt dies im Rahmen des Deutschen
Leichtathletik-Verbandes als der erste Dopingverstoß von Uta
Pippig", sagte Eike Ullmann. "Ich weiß nicht, wie andere
internationale Verbände das werten, aber für den DLV gilt
das."
In der Aussage, dass es sich um keinen Freispruch handelt, gehen der DLV und
die Pippig-Seite konform. Der Verband teilte außerdem mit, die gegen Uta
Pippig verhängte Dopingsperre sei nicht annulliert worden. Dazu sagte Uta
Pippigs Anwalt Jens-Peter Ketels: "Faktisch gab es die Sperre, aber nicht
rechtlich. Da das Verfahren nicht rechtlich beendet wurde, gibt es keine
rechtskräftige Verurteilung." Diese Aussage bestätigte Eike
Ullmann. Dies sei etwas locker formuliert, aber im Prinzip richtig, meinte der
Richter, der erklärte: "De facto war die Sperre da - aber es bleibt
rechtlich ungeprüft, ob dies berechtigt war oder nicht." Das
gegenseitige Beharren auf den jeweiligen Standpunkten sei laut Ullmann weiter
möglich: "Jeder darf seine Meinung äußern."
Während der DLV nach wie vor zu der im April 2000 abgelaufenen
Dopingsperre steht, sieht sich Uta Pippig als rehabilitiert an. Vor dem
Schiedsgericht konnte sie keinen Freispruch erwirken, der DLV blieb jedoch
ebenfalls erfolglos, weil es keine Verurteilung gab.
"Es gibt in der Tat weder einen Freispruch noch eine Verurteilung. Ich
habe mich mit Juristen unterhalten. Denn es ist für mich ein eigenartiger
Vergleich, der aber offenbar möglich ist. Ohne dass etwas entschieden
wurde und ohne neue Aussagen, kann jede Partei auf ihre Standpunkte pochen -
und Uta Pippig tut dies zu Recht", sagte Helmut Digel gegenüber
Leichtathletik. Der DLV-Präsident kündigte an, den Fall Uta Pippig
mit dem Ergebnis des Vergleiches der IAAF zur Prüfung vorzulegen.
"Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass die IAAF
möglicherweise keinen Handlungsbedarf mehr sieht, da die Sperre ohnehin
bereits abgelaufen war", sagte Helmut Digel.
"Ich fühle mich rehabilitiert"
Interview mit der dreifachen BERLIN-MARATHON-Siegerin Uta Pippig nach dem
Schiedsgerichts-Verfahren vor dem Deutschen Sportbund
Fühlen Sie sich nach der Beilegung des Verfahrens durch das
DSB-Schiedsgericht rehabilitiert?
Uta Pippig: Ich fühle mich rehabilitiert. Für mich ging es nie um
Schadensersatzforderungen, sondern darum, Fehler aufzuzeigen, die in diesem
Fall gemacht wurden. Diese wurden im Laufe des DSB-Schiedsgerichtsverfahrens
aufgezeigt. Und ich denke, das ist gut zu wissen für alle Athleten.
Wichtig war für mich, dass der Streit beseitigt wurde. Ich habe immer
bestritten, dass ich einen Dopingverstoß begangen habe und bestreite das
weiterhin. Eigentlich hätte ich den Fall gerne bis zum letzten Nachweis
meiner Unschuld verfolgt, aber das wäre laut Aussage der Richter im
Schiedsgericht sehr kosten- und zeitaufwendig gewesen. Es soll sich nicht zu
meiner Lebensaufgabe entwickeln, weiter zu prozessieren, denn mein Kopf muss
frei sein von diesen Problemen, um wieder die sportlichen Ziele zu
erreichen.
Das Schiedsgericht konnte aufgrund der vorliegenden Akten keine
Entscheidung fällen - heißt das also, dass Sie nicht mehr als
verurteilt gelten im Dopingverfahren?
Uta Pippig: Das wichtige für mich war, dass es nach dem Verfahren vor
dem Schiedsgericht keine Verurteilung mehr wegen Dopings gibt.
Haben Sie mit diesem überraschenden und schnellen Ausgang des
Schiedsgerichts-Verfahrens gerechnet?
Uta Pippig: Ich habe entweder mit einem Freispruch oder mit einer Ablehnung
meines Antrages gerechnet, aber die jetzige Lösung kam für mich
überraschend. Mit einer schnellen Beilegung hatte ich nicht gerechnet. Im
Falle einer Ablehung hatte ich mich vorbereitet auf ein weiteres Verfahren vor
einem internationalen Sportgericht. Ein weiteres wissenschaftliches Gutachten
wurde erstellt. Dabei ging es insbesondere um die Ergebnisse der
Isotopenmethode, auf Grund derer mich der DLV-Rechtsausschuss verurteilt hatte.
Die Ergebnisse dieses neuen Gutachtens sprechen für mich. Vor einem
internationalen Sportgericht hätten mir diese Wissenschaftler auch als
Zeugen zur Verfügung gestanden. Aber mit der jetzigen Lösung bin ich
zufrieden - die Hauptsache ist, dass der Streit beigelegt ist.
Dennoch war dies sicherlich eine teure Angelegenheit für
Sie.
Uta Pippig: Sicherlich, ich habe in den letzten zwei Jahren für mein
Verfahren eine sechsstellige Summe ausgegeben. Und ich hatte natürlich in
dieser Zeit so gut wie keine Einnahmen, so dass dies für mich auch
finanziell eine schweirige Situation war.
Wie wird das Verhältnis mit dem DLV in Zukunft sein?
Uta Pippig: Ich kann mit diesem Ergebnis sehr gut leben - ich glaube, das
gilt auch für den DLV. Wenn ich Herrn Digel treffe, werden wir normal und
freundlich miteinander umgehen. Am liebsten wäre mir, wenn die
öffentlichen Diskussionen schnell beendet werden. Das hin- und herschieben
von einzelnen Aspekten hilft niemandem und ändert nichts mehr an der
Sache.
Dennoch werden Sie nicht mehr für den DLV starten?
Uta Pippig: Das ist richtig. Ich hatte mich im Oktober 1999 beim DLV
abgemeldet und starte künftig bei internationalen Meisterschaften für
die USA. Daran wird sich nichts ändern. Das heißt aber nicht, dass
ich nicht mehr in Deutschland starten werde.
Unmittelbar nach Ihrer Rückkehr von dem Schiedsgerichtsverfahren aus
Frankfurt sind Sie ja gleich bei der City-Nacht über 10 km an den Start
gegangen.
Uta Pippig: Noch in Frankfurt habe ich mir gedacht, ich verlege mein
Training auf den Kurfürstendamm, um diese tolle Stimmung mitzuerleben -
und ich wurde nicht enttäuscht. Ich bin mit meinen Laufsachen in die
U-Bahn gestiegen, zum Start gefahren und habe mich unter die Läufer
gemischt. Es war ein tolles Erlebnis, ich kam mir vor, als wenn ich beim
BERLIN-MARATHON ins Ziel laufe. Ich bin einfach mitgejoggt und habe mich sehr
gefreut, dass mich viele Leute angefeuert haben.
Das Ende Ihres Doping-Verfahrens war am Abend allerdings noch nicht
öffentlich ...
Uta Pippig: Ja, das stimmt, nur sehr wenige wußten zu diesem Zeitpunkt
davon. Die Entscheidung war noch nicht öffentlich, aber trotzdem empfand
ich die Stimmung als phantastisch mir gegenüber - das ist doch cool,
oder?
Aber es war sicherlich nicht alles cool für Sie in den letzten zwei
Jahren, oder?
Uta Pippig: Nein, das war es wirklich nicht. Mich hat die Vorverurteilung
emotional sehr stark belastet, weil ich weiß, dass ich keine Dopingmittel
genommen habe. Aber ich weiß auch, dass jeder Mensch im Leben einmal
schwierige Zeiten durchstehen muss und deswegen gibt es für mich nur eine
Alternative - den Blick nach vorne.
Was sind Ihre nächsten Ziele, wann werden Sie wieder bei einem
Marathon starten?
Uta Pippig: Ich trainiere in Boulder und werde dann zunächst bei
kürzeren Straßenläufen an den Start gehen. Wann ich wieder
einen Marathon laufen werden, ist noch nicht entschieden.