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„Das Olympiastadion hält jeder Konkurrenz stand“

Helmut Digel (58) ist als Vizepräsident des Internationalen

Leichtathletik-Verbandes (IAAF) unter anderem zuständig für

Marketing. Digel war acht Jahre lang Präsident des Deutschen

Leichtathletik-Verbandes (DLV) und ist Vizepräsident des Nationalen

Olympischen Komitees (NOK). Am 14. April entscheidet das Council der IAAF

über den Austragungsort der Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2005.

Was sagen Sie als Stuttgarter zur Entscheidung des DLV, sich nicht mit

Stuttgart oder München für die WM zu bewerben?

Helmut Digel: Ich hätte mich auch über Stuttgart gefreut, aber der

DLV hat eine gute und eine politisch verantwortungsvolle Entscheidung

getroffen. Man muss ja auch berücksichtigen, dass sich die Bundesregierung

mit Bundeskanzler Schröder und Innenminister Schily für den Erhalt

der Leichtathletikbahn im Berliner Olympiastadion eingesetzt hat. Der Bund

beteiligt sich an den Umbaukosten, und deswegen musste gegenüber der

Politik auch die Frage beantwortet werden, was denn in diesem Stadion

überhaupt stattfinden soll.

Welcher Punkt ist aus Sicht der IAAF bei der Auswahl der Stadt besonders

interessant?

Helmut Digel: Für uns ist eine entscheidende Frage, an welchem Ort wir

die Leichtathletik erfolgreich präsentieren können. Wo wird das

Stadion ausverkauft sein, wo entsteht eine begeisternde Atmosphäre, und wo

können wir die besten TV-Einschaltquoten erreichen? Da hat Berlin noch

einige Herausforderungen zu bestehen, denn es ist schwierig, in einer Weltstadt

ein Stadion zu füllen. In den letzten Jahren ist das bei den

Weltmeisterschaften leider nicht gelungen, wenn die Arenen mehr als 60.000

Zuschauer fassten. So gesehen waren die Titelkämpfe 1993 in Stuttgart und

1995 in Göteborg die erfolgreichsten.

Die IAAF hat die Bewerbungen aller sechs Städte – neben Berlin

noch Rom, Budapest, Brüssel, Moskau und Helsinki – erhalten. Wie

wird jetzt weiter vorgegangen bis zur Abstimmung am 14. April?

Helmut Digel: Wir sind in der glücklichen Situation, auswählen zu

können. Denn alle Städte haben interessante und gute Bewerbungen

vorgelegt. Wir haben jetzt eine Kommission gebildet, die ab Mitte März vor

Ort die Bedingungen überprüfen wird. Wichtig ist zum Beispiel, die

Garantien der Städte zu überprüfen und festzustellen, wie sicher

die Haushalte sind. Eine andere Frage ist, wie die Promotion-Strategie und der

Etat dafür aussehen. Denn ohne eine gute Promotion wird man keine gute WM

veranstalten können.

Lamine Diack, der Präsident der IAAF, hat einmal in einem Interview

erklärt, er sehe keine Probleme für Berlin bezüglich einer WM.

Damals war allerdings noch das Jahr 2009 im Gespräch.

Helmut Digel: Also derartige Aussagen würde ich jetzt nicht auf die

Goldwaage legen ...

Können Sie als deutscher IAAF-Vizepräsident die Berliner

Bewerbung unterstützen?

Helmut Digel: Wir haben extra darauf geachtet, dass kein Mitglied der

Bewertungskommission aus einem Bewerberland kommt. Am Ende werden fachliche

Kriterien entscheiden, die IAAF wird in die Stadt gehen, in der wir die besten

Möglichkeiten sehen. In meiner Rolle als Vizepräsident muss ich mich

neutral verhalten. Sicher werde ich Ratschläge geben, wenn ich gefragt

werden – das gilt aber auch für Helsinki oder Rom.

Helsinki und Rom sind Städte, die schon jeweils einmal eine WM

veranstaltet haben. Es heißt, die IAAF möchte nicht ein zweites Mal

in eine solche Stadt gehen.

Helmut Digel: Das stimmt so nicht. Es gibt Argumente für beide

Möglichkeiten. Man könnte sagen, man will nicht noch einmal in die

gleiche Stadt, andererseits könnte man auch sagen, wir wissen, was uns in

dieser Stadt erwartet. Die IAAF wird sicher nie sagen, wir kommen nie wieder

zurück. Im Gegenteil, denn sonst würde manche Leichtathletikanlage

aus den Stadien verschwinden.

Welche Punkte sprechen für Berlin?

Helmut Digel: Für Berlin wird auf jeden Fall das Stadion sprechen, das

eines der modernsten der Welt werden wird. Dieses Stadion hält jeder

Konkurrenz stand, das kann zurzeit keine andere Bewerberstadt bieten. Das

Stadion ist ein sehr starkes Argument für Berlin. Berlin bietet auch ein

sehr professionelles Organisations-Komitee, aber das haben andere Städte

auch.

Hat Berlin als Metropole im wiedervereinigten Deutschland

Vorteile?

Helmut Digel: Das glaube ich nicht. Die Mitglieder des IAAF-Councils

entscheiden in geheimer Wahl am 14. April. Und für jemanden aus Brasilien

oder Indien ist Moskau genauso eine europäische Metropole wie Berlin. Eher

mitentscheidend ist sicherlich, wie lebendig die Leichtathletik in dem Land der

Bewerberstadt ist. Nationale Stars ermöglichen, dass sich die Zuschauer

mit der Veranstaltung identifizieren, das ist für uns sehr wichtig.

Wie entscheidend kann die Präsentation der einzelnen Städte am

14. April in Nairobi sein?

Helmut Digel: Jede Stadt hat insgesamt etwa eine dreiviertel Stunde

dafür Zeit. Da kann man einiges machen. Es gibt in allen

Bewerberländern ein hohes politisches Interesse, diese WM auszurichten.

Deswegen wird die Präsentation in Nairobi sicherlich hochkarätig

besetzt sein, angefangen bei Ministerpräsidenten und bis zu Sportstars.

Hochrangige Vertreter der Bundesregierung und Athleten wie Heike Drechsler und

Lars Riedel, der ja schon fünfmal Weltmeister war, könnten der

Berliner Präsentation sicherlich helfen.

 

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