Newsarchiv

Newsarchiv

Das schnellste Gewicht

Einige Läufer achten überhaupt nicht auf ihr Gewicht. Sie denken: Ich laufe, also darf ich auch einen Ochsen zum Abendessen verspeisen. Zu schön, um wahr zu sein. Es bleibt dabei: Wer mehr Kalorien zu sich nimmt, als er wegrennt, nimmt auch zu. Grundsätzlich nehmen alle Menschen – statistisch gesehen – in jedem Lebensjahrzehnt 1,7 Kilogramm zu. Auch Läufer. Untersuchungen beweisen, dass auch Laufumfänge von bis zu 60 Kilometer pro Woche nicht unbedingt vor Altersgewicht schützen. Und dieselben Läufer legen – wiederum statistisch gesehen – auch noch zwei Zentimeter an Hüftumfang zu. Auf Wiedersehen, geliebter Waschbrettbauch!

Ich persönlich habe mein Körpergewicht immer sehr genau beobachtet, denn ich wollte wissen, welches mein sportlichstes Gewicht ist. Und vermutlich bin ich nicht der einzige Läufer, den dies interessiert: Wo liegt mein Idealgewicht, um einen 5-Kilometer-, 10-Kilo-meter- oder Marathonlauf schnellstmöglich zu schaffen? Oder macht es mich schneller, wenn ich an (Muskel-)Masse zulege? Auf den Punkt gebracht: Ist leichter gleich schneller? Die Antwort lautet grundsätzlich: ja – aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Gewicht zu verlieren kann einen Zeitgewinn bedeuten, zu viel Gewicht zu verlieren bedeutet allerdings schwächer und langsamer zu werden, nicht stärker und schneller. Ein sehr sensibles Thema, denn unter Sportlern ist ein Phänomen wie die Magersucht, bei der Menschen sich mit-unter gar zu Tode hungern, vier- bis sechsmal stärker verbreitet als in der Gesamtbevölkerung, wo diese Krankheit weniger als ein Prozent der Menschen betrifft.


Weniger Kilos = mehr Sauerstoff

Fakt ist, dass jedes Kilo weniger Gewicht mit 2,5 Sekunden Zeitgewinn pro Kilometer gleichzusetzen ist – was sich bei zunehmender Wettkampfstreckenlänge ganz schön summiert. Vor allem verbessert der Gewichts-verlust die maximale Sauerstoff-aufnahme-fähig-keit (VO2 max), einen der wichtigsten Parameter für die Laufleistung: Je weniger Gewicht Sie mit sich herumtragen, desto mehr Sauerstoff steht Ihrem Organismus mit jedem Atemzug zur Verfügung.

Der US-Wissenschaftler Paul Vanderburgh setzte sich in einer Untersuchung mit genau diesem Thema auseinander – auch aus Eigen-nutz, denn er ist Marathonläufer mit einer Bestzeit von 3:31 Stunden – und 85 Kilo Körpergewicht. Vanderburgh hat -einen Kalku-lator entwickelt, der die Leistungen unterschiedlicher Gewichtsklassen ins Verhältnis setzt. Dabei werden auch Geschlecht und Alter berücksichtigt. Basis der Kalkulation sind ein Lebens-alter von 25 Jahren und ein Gewicht von 55 (Frauen) oder 71 Kilogramm (Männer).

Nach einer Testphase im Rahmen diverser regionaler Laufwettkämpfe und der Veröffentlichung seiner Kalkulationen im „Journal of Exercise Physiology“ gab es ein überwältigendes Feedback. Jetzt kann sich die 25-jährige Tochter, die 60 Kilo wiegt und 10 Kilometer in 45 Minuten läuft, mit ihrem 55-jährigen Vater messen, der 83 Kilo wiegt und 47 Minuten braucht (die Leistung des Vaters ist nach Vanderburghs Kalkulator sehr viel besser). Vanderburgh schränkt allerdings ein: „Der ‚Flyer Handicap Calculator‘ dient nicht dazu, die Siegerlisten neu zu schreiben, sondern soll schwere und ältere Läufer motivieren.“ Ausprobieren kann man das Tool unter www.snipurl.com/agesexweightcalc.


Erfolgreicher als reine Diäten

Im Rahmen seiner Untersuchungen formulierte Vanderburgh noch weitere Thesen, zum Beispiel: Wer tatsächlich abnehmen will, um schneller zu werden, muss Fett abbauen, darf aber nicht Muskelmasse ver-lieren. Gut für Läufer, denn Abnehmprogramme, die auf -einer Kombi wie „mehr Sport treiben und weniger essen“ fußen, sind eindeutig erfolgreicher als reine Fastenkuren.

„Ideal ist ein Programm, das Ausdauersport, Krafttraining und reduzierte Kalorienzufuhr umfasst“, sagt Vanderburgh. Ich selbst habe mich mit dem Krafttraining nie so richtig anfreunden können. Es wird dann wohl doch Zeit, es (wieder) einmal zu versuchen. Aber ich habe in diesem Jahr auch so schon 2,5 Kilo abgespeckt, und zwar allein dadurch, dass ich weniger Nudeln und Reis, dafür mehr Obst und Gemüse esse und Wasser statt Obstsaft trinke. Ich bin weiterhin um einiges schwerer als während meiner Studentenjahre, in denen ich den Boston-Marathon gewann, aber ich habe den Unterschied auf 4 bis 5 Kilo verringert. Das Ergebnis: Mein BMI liegt weiterhin über 18,5, meine Wettkampfresultate werden besser und besser und – das Wichtigste von allem – ich fühle mich wunderbar.

Anzeige

Anzeige