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Das Umdenken hat begonnen - Sportmedizin und die Risikofaktoren

Von Dr. Willi Heepe und Jürgen Lock (SMS Berlin)

Der Beitrag "Das Umdenken hat begonnen" ist dem LAUFHEFT 2005

von SCC-RUNNING (Seiten 14 - 15) entnommen.

Dr. Willi Heepe (Medical Director) und Jürgen Lock sind Mitglieder des

Medical Team vom real,- BERLIN-MARATHON und SCC-RUNNING.

Das LAUFHEFT 2005 wird an alle Stammteilnehmer jährlich verschickt

und kann aber auch unter: info@berlin-marathon.com bestellt werden.

Regelmäßige sportliche Aktivität fördert die

Gesunderhaltung.

Aber auch Sportler können trotz systematischem Training an angeborenen

oder erworbenen Störungen des Herz-Kreislauf-Systems leiden. Bei Menschen,

die regelmäßig Sport treiben, sind viele Risikofaktoren wie

Bewegungsmangel, Übergewicht oder falsche Ernährung meist von

vornherein ausgeschaltet.

Doch die nicht beeinflussbaren Risikofaktoren, etwa die familiäre

Disposition, spielen eine wichtige Rolle. Sport kann, besonders bei

Leistungssportlern, im Falle einer Herzkreislauf-Erkrankung sehr problematisch

werden.

Fatales Motto: Was nicht wehtut, muss auch nicht untersucht

werden

Die orthopädische Versorgung der Sportler ist gegenwärtig effizienter

als die kardiologische, da meist ein spürbares Problem vorliegt. Das oft

fatale Motto: Was nicht wehtut, muss auch nicht untersucht werden. Doch gerade

die Vorbeugung, das Herz-Kreislauf- System betreffend, ist enorm wichtig.

In Deutschland erliegen jedes Jahr rund 900 Sportler dem so genannten

plötzlichen Herztod als Folge von

Herzrhythmusstörungen.

In der Regel lag dann eine Herzerkrankung vor. Dazu gehören

Durchblutungsstörungen und der Herzinfarkt, der erhöhte Blutdruck und

die Herzmuskelentzündung. Letztere tritt oftmals durch das Fortführen

des Sports trotz eines Infektes auf.

Sportrisiko

Das Sportrisiko wird in zweierlei Hinsicht falsch eingeschätzt. Auf der

einen Seite glauben viele Sportler, dass sie durch das sportliche Tun absolut

gesund bleiben und keiner ärztlichen Betreuung bedürfen. Auf der

anderen Seite sind Laien, die Todesfälle im Sport sehen, immer wieder

geneigt zu sagen seht ihr, dass habt ihr vom Sport, da ist wieder einer tot

umgefallen.

Virusinfekte können Herzmuskel involvieren

Die Risiken sind in einem bestimmten Umfang altersabhängig. Das

heißt, zunehmende Durchblutungsstörungen des Herzens sind eher eine

Domäne der älteren Sportler, während Infekte mit ihren

Folgeschäden eher eine Domäne der jüngeren Sportler sind.

Virusinfekte können Herzmuskel involvieren.

Wichtig ist folgendes zu wissen:

Jeder Virusinfekt kann aus den Schleimhäuten in den Körper

übertreten, er kann beinahe jedes Gewebe befallen, auch den Herzmuskel.

Für den Sportler ist es selbst nicht erkennbar, wie weit ein Virusinfekt

in den Körper eindringt. Lediglich eine Beteiligung des peripheren

Muskelsystems geht immer mit Muskelschmerzen einher, wird wahrgenommen und

führt häufig zu einer Sportpause.

Eine Beteiligung des Herzmuskels an Virusinfekten ist

außerordentlich schwierig zu diagnostizieren.

Stressechokardiografie

Der Arzt kann diese Virusinfekte am Herzen weder mit einem Ruhe- noch mit einem

Belastungs- EKG erfassen. Auch die normale Echokardiografie gibt auf eine

solche Virusinfektion keine Antwort. Die Laboruntersuchungen versagen zum

großen Teil ebenfalls, so dass letztlich die Diagnostik auf tönernen

Füßen steht und oft nicht konsequent erfolgt.

In den letzten Jahren hat sich die Stressechokardiografie in eine führende

Position vorgearbeitet. Mit diesem Verfahren sind alle Veränderungen des

Pumpverhaltens sehr gut erkennbar. Sie lassen jedoch eine Differenzierung

zwischen entzündlicher Schädigung und Durchblutungsschädigung

nicht immer zu. Laboruntersuchungen können im Standardbereich keine

Aussage bringen, können aber eine Spezifizierung erreichen und deutliche

Hinweise auf eine Infektschädigung geben.

Strukturveränderungen des Herzmuskels entzündlicher Natur

oder auch durchblutungsgestörter Natur können erkannt

werden

Unter den neueren diagnostischen Verfahren rückt die

Magnetresonanztomografie (MRT) in den Vordergrund. Damit können

Strukturveränderungen des Herzmuskels entzündlicher Natur oder auch

durchblutungsgestörter Natur erkannt werden. Dieses Verfahren ist sehr

jung, nur wenige Zentren verfügen über diese Technologie. Die

Erfahrungen dieser Zentren gilt es zu nutzen.

Regelmäßige Check-up- Untersuchungen

nötig

Was wir fordern, sind regelmäßige Check-up-Untersuchungen für

den Breitensport und ganz besonders für den Spitzensport. Spätestens

ab dem 35. Lebensjahr sollten kardiologische Untersuchungen neben den

orthopädischen erfolgen. Diese sollten folgenden Standard beinhalten:

körperliche Untersuchung, Ruhe- und Belastungs- EKG sowie

Echokardiografie. Eine Standard-Laboruntersuchung ist sinnvoll, wobei früh

über Entzündungsmediatoren genetische Strukturen erkannt und Risiken

deutlich minimiert werden können. Insbesondere werden Krankheiten, wie

angeborene oder erworbene Herzfehler, aufgedeckt,

Ein Umdenken ist angesagt

Blutdruckregulationsstörungen und Stoffwechselstörungen werden

erkannt, die nicht immer durch den Sport behandelt werden können. Die

Betroffenen können einer sportgerechten, dauerhaften Therapie

zugeführt werden. In diesem Segment ist ein Umdenken angesagt. Es kann

nicht sein, dass bei einem Marathon bis zu 40 % der Teilnehmer nie in ihrem

Leben sportmedizinisch untersucht wurden. Es muss zum eigenverantwortlichen

Selbstverständnis des Sportlers gehören, sich in eine vertrauensvoll

arbeitende sportmedizinische Kontrolle einzuordnen.

Mit zunehmendem Alter jährliche Untersuchungen

Sinnvoll wären anfängliche Intervalle im Abstand von zwei bis drei

Jahren. Mit zunehmendem Alter sind jährliche Untersuchungen sinnvoll.

Ergeben sich Verdachtsmomente für eine relevante Erkrankung, dann sollte

der behandelnde Sportmediziner das Potential besitzen, entsprechende

Fachzentren anzusteuern. Diese Strategien bedeuten sozialpolitisch gesehen

minimale Kostenfaktoren, die letztlich viel Leid und viele Folgeschäden

verhindern können. Dieses volkswirtschaftlich zu rechnen, macht wenig

Sinn. Dieses ethisch zu berücksichtigen, macht sehr viel Sinn.

Vorbildfunktion

Wir appellieren an alle Sporttreibenden eine Vorbildfunktion in einer sich

wandelnden medizinischen Welt einzunehmen und sich regelmäßigen

Kontrolluntersuchungen zu unterziehen. Wie ein Auto ohne Inspektion Letztlich

hat jeder mit seinem Auto gelernt, Kontrollintervalle wahrzunehmen.

Lediglich mit dem geschenkten Gut ,Gesundheit wird noch so verfahren als

würde man ein Auto 100.000 Kilometer fahren ohne den Ölstab zu

ziehen, ohne Luftdruck zu kontrollieren und ohne eine Inspektion

vorzunehmen.

Das Umdenken hat begonnen.

Es im breiteren Umfang in die Bevölkerung zu bringen, muss letztlich

Aufgabe derer sein, die glauben durch den Sport eine gesündere Lebensweise

für sich zu erreichen und damit auch eine Verantwortung für den

Sport, für den Zuschauer, für sich und für die Familie zu

markieren.

 

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