Fronarbeit auf breiter Front. Dies galt für die Organisatoren der Deutschen Cross-Meisterschaften in Regensburg mit der Räumung der Schneemassen und der Lenkung der Parcours – und vornehmlich aber für die knapp 800 Läufer. Im Schlammbad des Unigeländes imponierten dabei neben der erstmals als Meisterin ins Ziel einlaufenden Susanne Ritter und dem wieder erstarkten Sebastian Hallmann auch die 21jährige Julia Viellehner als Frauenzweite.
Goldrichtig
Die Interessengemeinschaft German Road Races nutzte das Forum der deutschen Crossmeisterschaften in Regensburg für die Übergabe des GRR-Förderpreises 2005 an Julia Viellehner – und lag damit in ihrer Einschätzung goldrichtig. Die Abiturientin aus dem 5000 Einwohner-Städtchen Winhöring mit den Leistungskursen Mathematik und Biologie war nach einer durch Verletzungen und sportlichen Highlights mit der Cross-WM-Teilnahme und als 10 km-Meisterschaftsdritte in Otterndorf mit einer Steigerung auf 33:48 geprägten Saison 2005 der eigentliche Lichtblick der Cross-Titelkämpfe. „Du musst Mut zum Risiko haben, sonst erreichst Du nichts!“
Aus diesem Vorsatz wurde Gold und Silber. Als beste Juniorin holte sie wie in Bremen 2004 die Goldmedaille, als Frauenzweite zudem Silber nach einem starken Rennen gegen die spätere Siegerin Susanne Ritter und einem eindrucksvollen Vorsprung vor so „gestandenen“ Läuferinnen wie Birte Bultmann und Ulrike Maisch. „Ich wollte so lange wie möglich an Susanne dranbleiben. Dadurch ist es mir auch gelungen, einen ordentlichen Abstand zu Birte und Ulrike herauszulaufen“. Eine einfache Taktik, eine erfolgreiche dazu.
Julia Viellehner: Glücksfall für den Langstreckenlauf
Scheinbar ist Cross das Metier der Julia Viellehner, die mit Vierzehn vor der Wahl stand, entweder im Schwimmen oder im Laufen eine sportliche Laufbahn einzuschlagen. Bei den bayerischen Meisterschaften kam sie über 100 m Brust nicht über Rang 30 hinaus, im Crosslauf hingegen wurde sie Dritte. Damit waren die Würfel gefallen, zum Glücksfall für die Leichtathletik. Denn diesen Schritt musste die Ausdauer verliebte Schülerin bislang keineswegs bereuen. Als Jugendliche stand sie bereits im deutschen Frauenteam bei der Cross-EM in Heringsdorf wie auch einige Monate später als WM-Starterin in St. Etienne-Galmier.
„Mein Ziel sind zunächst einmal die Halbmarathon-Meisterschaften in Herten, dann hat das Abi oberste Priorität“ blickt Julia Viellehner in die nächste Zukunft. Sie stammt aus einer Lauffamilie, mit ihrer Marathon orientierten Mutter macht sie schon so manche „zweite Laufeinheit“, mit Bruder Raphael (übrigens Elfter der A-Jugend) die eine oder andere schnellere Einheit. Abseits der Bahn, denn diese mag sie überhaupt nicht.
Susanne Ritter macht aus Not eine Tugend
Zwangsläufig Crossläuferin ist hingegen Susanne Ritter geworden. Dies hat allerdings einen anderen, durchaus nahe liegenden Grund. Allergiegeplagt läuft sie in den Sommermonaten nur noch als schwache Kopie der Winterform. Längst macht sie aus diesem Umstand eine Tugend – und ist im Cross eine Bank für die Nationalmannschaft, wenn es um die Besetzung bei Europa- oder Weltmeisterschaften geht. Mangels nationaler Konkurrenz und andersartiger Orientierung ist sie nun auch einzige Starterin beim Cross-Weltchampionat in Fukuoka. Die Nominierung hat sie unlängst durch den Sieg beim Eurocross in Diekirch und einem starken 10 km-Lauf im holländischen Schoorl in 32:48 („Das wird mir Selbstvertrauen geben, denn in Fukuoka wird es auch schnell zur Sache gehen“) gerechtfertigt, mit einem überzeugenden Auftritt in Regensburg einen letzten Formtest gelandet.
Und dabei hat Susanne Ritter ihren ersten Einzeltitel der Frauenklasse eingefahren, nachdem es bislang sechsmal nur zu Silber reichte. „Das wurde doch auch einmal Zeit! Übrigens ist dies mein letzter Start als Susanne Ritter“ und schaute bei diesem Satz ihren Freund und Trainer Frank Hahn an, den die 28jährige im April heiraten wird und dann unter neuem Namen dort anknüpfen möchte, wo sie nach dem Regensburger Rennen steht – an der Spitze nämlich.
Nach Zahnoperation hat Sebastian Hallmann neuen Biss
Hier sind es die Pollen, dort möglicherweise ein Zahn, der leistungsmindernd wirkt(e). Ein glänzend aufgelegter Sebastian Hallmann zeigte jedenfalls nach erfolgter Zahnbehandlung wieder Biss. Das sollte die Konkurrenz vom Start weg verspüren. „Mich hat es eigentlich überrascht, dass keiner außer Arne mitgehen wollte“, gestand der Freisinger später im Ziel. So gab es nach flottem Start mit den beiden Tübingern Sebastian Hallmann und Arne Gabius ein überaus einseitiges Rennen an der Spitze, zumal sich ein Raphael Schäfer in der zweiten Streckenhälfte vergeblich um Kontakt bemühte. „Ich wollte nicht zocken, nur das Tempo einigermaßen hoch halten. Ich hätte immer wieder nachlegen können. Aber das war heute nicht nötig!“
So triumphierte ein Läufer, den viele bereits nach wenig überzeugenden Leistungen in den zurückliegenden Jahren längst abgeschrieben haben. „Ich will nach Göteborg!“ setzt Sebastian Hallmann sogleich die Meßlatte hoch. Dazu geht es bereits am Montag mit dem Schweizer Christian Belz ins US-Höhencamp nach Boulder. Bei einem 5000 m-Auftritt in Mt. Sac („ohne Druck, aber schon in Richtung 13:35“) soll dort schon einmal eine erste Marke gesetzt werden.
Den Lauf der Männer über 3,5 km gewann der Berliner Johannes Stifel vor Schlangen (beide LG Nord Berlin).
Erfreulicher Nachwuchs
Erfreuliche Ansätze zeigte der Nachwuchs. Begonnen bei der Frauensechsten Ingalena Heuck, die als letztjährige Jugendmeisterin und Sechzehnte bei den Cross-Europameisterschaften von Null auf Einhundert durchgestartet war und nun bereits nahtlos Anschluss bei den Aktiven gefunden hat, über Johannes Raabe und Florian Orth bis hin zu Judith Hiller, Susi Lutz, Maren Kock und Daniela Oemus, sie alle zeigten im Regensburger Schlamm die kämpferischen Elemente, die letztlich zum Erfolg führten. Dies gilt vornehmlich auch für Johannes Raabe, der sich nach einem furiosen Antritt Marke „Volle Kanne“ am Ziel aller Wünsche sieht, nachdem er in Darmstadt noch als Dritter unter seinen eigenen Erwartungen blieb.
Da ist eine junge Maren Kock, die nach ihrem Überraschungscoup als 1500 m-Siegerin bei den deutschen Jugend-Hallenmeisterschaften auch den Crosstitel ihrer angestammten Altersklasse (B-Jugend) holte. Der Schützling von Trainer Arno Kosmida schlug dabei keine geringere als Daniela Oemus, die letztjährige Meisterin im Cross und auf der Straße.
Während sich die besten Juniorinnen im Vergleich mit den Frauen erfolgreich messen konnten, gehört dies für die männlichen Kollegen nach dem überaus lobenswerten Ansatz im vergangenen Herbst in Darmstadt nun in der bayerischen Laufhochburg schon wieder der Vergangenheit an. Mit Steffen Uliczka („Nur fliegen ist schöner“) und Zelalem Martel sind zwei Junioren auf dem Sprung in die Spitzenklasse, die deutlich vor dem Feld ihre Runden drehen mussten und nicht so recht wussten, wie ihre Leistung einzuschätzen sei.
Kaum Interesse für die Cross-Titelkämpf
Zuschauer Mangelware hieß es bei der Neuauflage der Cross-Titelkämpfe auf dem Unigelände. „Es fehlen die Kracher“ formulierte es Organisator Kurt Ring und dachte mit Sehnsucht an die Auftritte der Baumann, Schumann, Zaituc und Mockenhaupt. Das mag sicherlich stimmen, aber auch das Tauwetter bzw. die angekündigten neuen Schneefälle haben sicherlich den einen oder anderen Crossfan abgehalten. Obgleich das Wetter vor Ort für ein Cross-Spektakel hätte kaum „besser“ sein können.
Rückschritt - Aus für den Talente-Cross
Mit 747 Finishern war in Regensburg allerdings ein klarer Rückschritt nach dem guten Zuspruch Ende November des vergangenen Jahres in Darmstadt (857 Finisher) spürbar. Und eine weitere Parallele zu Darmstadt drängt sich auf: Der dort so hoffnungsvoll gestartete „Deutsche Cross-Tag“ mit der Einbindung des DLV-Talente-Cross in die Deutschen Crossmeisterschaften sollte (zunächst) wohl eine Eintagsfliege bleiben.
Schon in Regensburg kam das schnelle Aus für die Chance des DLV, bei einer Veranstaltung die komplette Bandbreite der Laufszene von den talentierten Schülern über die jugendlichen Hoffnungsträger und den aktuellen Größen bis hin zu den leistungsstarken Mastersläufern zu präsentieren.
Wilfried Raatz