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Deutsche Marathon-Bilanz Männer

"Über Vergangenes zu sprechen, dazu bin ich nicht berechtigt. Aber

eines ist für mich klar: Ich fange bei Null an!" Für Wolfgang

Heinig, eigentlich ein alter Hase im Marathongeschäft, mit zahlreichen

Erfolgen vornehmlich im Frauenbereich, wird die Disziplinübernahme

Marathon Männer zu einer echten Herausforderung: Zwei Deutsche zwar bei

Olympia, aber enttäuschende Resultate für Carsten Eich und Michael

Fietz, der Jahresbeste Fietz ist zudem mit 2:11:28 Stunden nicht unter den Top

100 weltweit, Spitze wie Breite im olympischen Jahr mangelhaft entwickelt,

hoffnungsvoller Nachwuchs nur ansatzweise erkennbar. "Wir haben in den

letzten zehn Jahren kontinuierlich an Boden verloren", anaysiert Heinig

die Disziplin bei der Übergabe und blickt etwas wehmütig auf Olympia

1992, als ein Stephan Freigang hinter Young-Cho Hwang und Koichi Morishita

über die Marathondistanz Bronze gewann.

Das war einmal. Derzeit sind die Deutschen um Längen von der

internationalen Güteklasse entfernt. Dem mitfavorisierten Carsten Eich

lief im Frühjahr entlang Hamburgs Außenalster das Spitzenfeld mit

einer Schlagzahl in Richtung 2:11 davon, während zur gleichen Stunde

Michael Fietz hinter einem Pulk afrikanischer und auch europäischer Cracks

in 2:11:28 immerhin noch schnell genug lief, um sich für Sydney zu

qualifizieren. Im Bereich unter 2:15 blieb alleine noch Uli Steidl. Der

eigentliche Bergläufer wusste sich neben seiner Dozententätigkeit auf

amerikanischen Straßen die nötige Wettkampfhärte für

zumindest 2:13:56 zu holen, was hier zu Lande schon zum dritten Ranglistenplatz

ausreicht. Wo andernorts im Herbst zum Sturm auf die Bestmarken geblasen wurde,

da übten sich die deutschen Marathonläufer in Bescheidenheit. Dirk

Schinkoreit lief als Sechster in Köln mit indiskutablen 2:18:46 noch die

schnellste Endzeit aller deutschen Läufer, einschließlich der

Olympiastarter!

"Michael braucht eine Strecke, auf der er ins Rollen kommt",

blickt Fietz-Trainer Tono Kirschbaum auf die Saison zurück. "Als ich

das Streckenprofil in Sydney gesehen hatte, wusste ich eigentlich schon, dass

es im Normalfall nichts werden würde. In Rotterdam hingegen hat einfach

alles gestimmt, auch wenn das Anfangstempo mit Kurs unter 2:10 auch keinesfalls

ideal war!" Michael Fietz war auf dem schnellen Rotterdamer Kurs

allerdings auch nicht aus dem kontinuierlichen Training heraus gelaufen,

sondern immer wieder mit dem Handikap verletzungsbedingter

Rückschläge. "Sein Problem sind die hohen Trainingsumfänge

über mehrere Wochen hinweg".

Diese kann Carsten Eich ohne weiteres. Und dennoch war im Olympischen Jahr

der Wurm drin, trotz eines ermutigenden Auftritts bei den

Halbmarathonmeisterschaften in Freiburg. "Wir haben methodisch keine

Fehler gemacht", wehrte Trainer Axel Krippschock entschieden ab. "Es

ist auch müßig, in den Details nach Fehlern zu suchen. Fakt ist,

dass Carsten sich in Südafrika einen Virus eingefangen hat, der heute noch

die Regenerationsfähigkeit einschränkt".

Wie es um die zweite Reihe bestellt ist, das wurde den Verantwortlichen bei

den Titelkämpfen in Duisburg vor Augen geführt, als der Titel an

Matthias Körner in 2:20:05 ging. Oder bei den auch international im Kurs

stehenden Stadtmarathonläufen in Hamburg, Köln oder Frankfurt. Andere

wie Sebastian Bürklein, der im Jahr zuvor als Fünfter in Frankfurt

ein vielbeachtetes Marathon-Debüt gegeben hatte, sind nahezu komplett

ausgefallen. Ein Muskelanriss hatte bei den 10 000 m-Meisterschaften in

Troisdorf ein schnelles Ende beschert. "Wir haben das komplett auskuriert,

alles andere wären Halbheiten gewesen", so Trainer Tono Kirschbaum.

Die Bemühungen des ausgeschiedenen Bundestrainers Winfried Aufenanger, mit

der Förderung des Marathon-Nachwuchses zeigten bislang wenig Erfolge. Der

Berlin-Marathon unterstützte Trainingsmaßnahmen junger Läufer

in der Vorbereitung auf den unbestritten attraktivsten deutschen Marathon, von

denen der 23jährige Nick Erhardt mit 2:22:34 dann noch der schnellste war.

Auch wenn im Jahr 2000 das Ergebnis keinesfalls zufriedenstellend war, es

bleibt zu hoffen, dass engagierte Organisatoren wie es Horst Milde in Berlin

nun einmal ist, ihre Veranstaltungskasse offen lassen, um dem Nachwuchs mit der

entsprechenden Vorbereitung bei großen Stadtmarathonläufen ein Forum

zur Entwicklung zu bieten.

Wie geht es aber weiter mit unseren aktuellen Leistungsträgern?

"Carsten hat ein Potenzial für den Deutschen Rekord" richtet

Axel Krippschock den Blick nach vorne und weist den Weg: "Wir werden

altbewährtes wieder einbringen. Für Carsten heißt dies, er wird

wie ein 10 000 m-Läufer trainieren und damit ein gutes Marathontraining

absolvieren!" Auch Tono Kirschbaum geht mit Michael Fietz den Weg

über die Unterdistanzen - zu einem Herbstmarathon. Das passt in das

Konzept von Bundestrainer Heinig, der mit einem "perspektivischem

Training" die Europameisterschaften in München als ersten

Höhepunkt seines Wirkens sieht und dabei fest auf Eich, Fietz und -

möglicherweise auf Jirka Arndt bauen wird, der die Marathondisziplin

mittelfristig ins Visier genommen hat. Einen Neueinstieg nach mehreren

schwachen Auftritten plant zumindest Stephan Freigang (wiederum mit Heimtrainer

Heinig) im runderneuerten Leipzig-Marathon Ende April.

Werner Grommisch, der seit Jahren mit dem straßenlaufenden Nachwuchs

befasst ist, sieht das bislang praktizierte Konzept mit der Hinführung

junger Läufer zur Straße allerdings nicht als gänzlich

gescheitert an, auch wenn einige hierfür Verantwortliche in der

Zwischenzeit ausgeschieden sind. "Natürlich ist es nicht so gelaufen,

wie wir es uns erhofft haben. Für uns wird künftig erschwerend

hinzukommen, dass für die U 23-Athleten attraktive Schwerpunkte wie der

Straßenlauf-Länderkampf künftig wegfallen. Es stellt sich

deshalb für uns natürlich die Frage: Wie können wir diese Leute

dennoch auch künftig gut betreuen!"

Wo sind sie, die Athleten mit Perspektiven? Maximilian Bahn, Martin

Beckmann, Volker Fritzsch, Alexander Lubina, das sind zumindest vier junge

Läufer, denen Grommisch eine positive Entwicklung bescheinigt. "Da

ist Potenzial vorhanden. Allerdings geht es nicht so schnell voran, wie wir es

gerne hätten!" Während beispielsweise ein Bahn unter der

Betreuung von Heimtrainer Thomas Eickmann eher umfangsorientiert ist, wird ein

Beckmann dies nach bisheriger Entwicklung auf den Unterdistanzen nun mit einer

größeren Kilometerleistung nachholen wollen. Dagegen ist der 10 000

m-Juniorenmeister Lubina vorerst aus diesem Kreis ausgeschieden, er wird sich

zunächst weiter den kürzeren Distanzen zuwenden. Für die

Straßen-Orientierung kommt erschwerend hinzu, dass es den so genannten

Straßenkader künftig nicht mehr geben wird. "Dieser Schwerpunkt

geht natürlich verloren!" bedauert Grommisch, der in der Assistenz

mit Lutz Zauber unter der Federführung von Henning von Papen den

Langstreckenbereich männlich und weiblich bearbeiten wird. "Für

den Straßenlauf wird dies ganz schwer werden!" Das glaubt auch

Winfried Aufenanger, der nach zwanzig Jahren Tätigkeit als

Disziplintrainer ausscheidet: "Der Druck wird größer werden.

Neue Strukturen sollen schließlich auch neue Erfolge bringen!"

Positiv an der neuen Struktur ist freilich eines: Die bislang hier und

aufgetretene Konkurrenz unter den Disziplinen dürfte wegfallen. Es

lässt sich an einem Strang ziehen. Aber - Grommisch macht sich nichts vor,

derzeit sind die Aussichten auf eine Belebung der nationalen Spitze schwer:

"Die Langstrecke ist eine Arbeitsdisziplin. Wir haben kein

überfliegendes Talent. Nur mit viel Fleiß und Einsatz kann auch ein

kleiner internationaler Einstieg gefunden werden!"

Wilfried Raatz

 

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