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Die Marathon-Läufer-Predigt in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche

 Schon legendär ist jeweils die Predigt des laufenden Pfarrers i.R. Klaus Feierabend innerhalb des Oekumenischen Abendgebets in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche , jeweils am Sonnabend vor dem BERLIN-MARATHON um 20.30 Uhr.

Das Gotteshaus am Breitscheidplatz in Berlin-Charlottenburg - früher kurz hinter dem Zielstrich auf dem Kurfürstendamm - jetzt bei km 33 gelegen, ist seit Jahren immer voll besetzt. Völlig ungewöhnlich für eine Kirche ist es, wenn während der Predigt plötzlich Beifall aufbrandet

Dann hat der Kirchenmann läuferisch-kirchliche Weisheiten der Laufgemeinde präsentiert. Klaus Feierabend lief seinen ersten BERLIN-MARATHON 1980, er gehört mit 21 erfolgreichen Teilnahmen dem BERLIN-MARATHON Jubilee-Club an. Seine ständige Startnummer beim BERLIN-MARATHON ist „210“. Insgesamt absolvierte er bisher 27 Marathonläufe, seine Bestzeit ist 3:11:40. Bei den letzten Läufen konnte er wegen einer Verletzung nicht mehr teilnehmen.

Die Begrüssung der Laufgemeinde wird schon seit Jahrzehnten von Pfarrer Knut Soppa (Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche) vorgenommen, den Segen erteilt Pater Joseph Schulte O.F.M. (Kath. Pfarramt Sankt Ludwig, Berlin-Wilmersdorf).

Musikalisch umrahmt wurde das Oekumenische Abendgebet an der Orgel von Helmut Hoeft.

Die Kollekte war bestimmt für behinderte Kinder in der Fürst-Donnersmarck-Stiftung, die damit Sportgeräte finanzieren:

Postbankkonto Nr. 122 76 – 105 (BLZ 100 100 10)

Stichwort: „Marathon-Gottesdienst“.

Traditionell wird die Läufer-Predigt auch in der Ergebnisliste des real,- BERLIN-MARATHON veröffentlicht.

Guten Abend, meine laufenden Freunde und Ihr, unsere mitfühlende Sympathiefamilie!


TRAUMERINNERUNGEN…, darf ich von denen mal kurz sprechen? Erinnerungsträume eines gealterten Schlappschrittpredigers, der seinen vormaligen Garten Eden nicht vergessen kann. Er vermisst ihn mit geradezu zärtlicher Bewegung. Wo liegt für mich der verlorene Garten Eden? Ich sehe ihn in der gewesenen Aneignung meiner alten Berliner Stadt-Marathonstrecke. Die hatte ich verinnerlicht als eine mir lebenslang zugesagte Versprechung. Ungeachtet einiger kleiner Kursänderungen seit 1981 kannte ich schließlich jeden einzelnen Meter. Das Längenverhältnis einer beliebigen Zwischenstation zum endgültigen Zielpunkt hatte ich perfekt im Gefühl. Im Verlauf von über zwei Jahrzehnten war es möglich geworden, dass ich abschätzen konnte und einzuplanen wusste: „Wo bin ich gerade? Was liegt vor mir? Wie gelingt mir das weitere?“

Meine ersten zehn Marathonjahre mit ihren ebenso herrlichen wie törichten Vornehmungen: „Schneller! Schneller als voriges Jahr!“, sie lagen alsbald hinter mir. Solche Planerfüllungen gelangen ohnehin nur bei den allerersten fünf Versuchen. Irgendwann, ich denke: rechtzeitig kam der Ehrgeiz auf immer neue Bestzeiten ins Hintertreffen. Ich gebe zu, der zwingende Grund dafür lag in der wachsenden Erkenntnis: „Du bist eben nicht gut genug, mein Lieber.“ Wahrscheinlich hätte ich die ständige Jagd nach der persönlichen Bestzeit fortgesetzt, wenn ich nur gekonnt hätte. Aus der Erfahrung meiner Leistungsgrenzen wuchs mir indessen ein anderes Pfund zu. Ich flüchtete mich nicht in die Haltung des Fuchses aus der berühmten Fabel.

Er bezeichnete die zu hoch hängenden Trauben als sauer und wandte sich ab, sozusagen unbesiegt. Mir blieb solch Selbstbetrug erspart. Stattdessen fiel mir das Gnadenlos des glücklichen „Hinterläufers“ zu. Unabhängig von allen Leistungszielen war nämlich lange schon ein anderer Wunsch im Werden: Stets von neuem und bei jedem Lauf – der Trainingslauf sei ausdrücklich einbezogen – dem Großen Geheimnis näher zu kommen.

War dieser Wunsch nicht schon Anfang an spürbar gewesen? Damals, als man bereits nach einigen hundert Laufmetern massive Bedenken zu überwinden hatte: „Was tue ich mir hier eigentlich an? Ich laufe keine weiteren fünfzig Schritte mehr!“ Und man lief weiter, indem man die Bedenken überwand. Man überwand sie, indem man einfach weiterlief. Und siehe da: es ging immer besser, Kilometer für Kilometer: geschenkte Zeit!

Indisponiert beginnen und glücklich beenden, ein ganz neues Lebensgefühl. Und dazwischen die Ewigkeit einer halben Stunde, später einer ganzen Stunde! „Mein Gott, kann der Mensch das schaffen?!“ Er kann. Hast du das jemals vergessen? Nein, das bleibt als Urerinnerung. Und du spürst es wieder: Schon diesem Anfang lag aller Zauber inne. Alles weitere – und das war nicht wenig in den Jahren – alles, alles schüttete sich aus jenem Füllhorn der ersten Lauflust.

Es bleibt ein Geheimnis. Dies jedoch ist nicht unauffindbar und nicht unaussprechbar. Es lässt sich vielfach entdecken und benennen, dieses Geheimnis. Ihr alle, die ihr auf Marathonkurs seid, wisst etwas davon, mag es auch nur eine Ahnung sein.

Letztens traf ich auf eine besondere Fundstelle. Das war, als ich die „Fußnoten“ der Bibel untersuchte. Normalerweise sind Fußnoten so etwas wie Nebenbemerkungen. Es kommt aber vor, dass sie besondere Schätze enthalten. In meinem Fall könnt ihr den Begriff von der „Fußnote“ wörtlich nehmen. Ich untersuchte nämlich die Stellen, an denen von Füßen die Rede ist.

Kein Kunststück des Schriftgelehrten, das könnte auch jeder Mitmensch, mit Hilfe der so genannten Wort-Konkordanz, in der man alles findet, zum Stichwort. Über Füße lässt sich gut reden. Ihr Läuferinnen mit euren hübschen Füßchen solltet sie hoch achten, desgleichen alle Schweißfußindianer, höher achten, als wir es tatsächlich tun. Vor Jahren – ich habe nachgeschaut, es war 1998 – sang ich mein Läuferlied hier in der BLAUEN KIRCHE ausschließlich zum Lob unserer Füße. Nicht zufällig hieße es doch, so sagte ich: „HERR, DEIN WORT IST MEINES FUSSES LEUCHTE…!“

Der Kopf sei allenfalls eine Birne und diente meist nur den Irrtümern. Erleuchtung käme allein über unsere Füße. Wir stutzen und fühlen uns zunächst kaum erhellt. So was soll in der Bibel stehen? Das ist ja, als würden wir in der berühmten Weihnachtsgeschichte plötzlich lesen: „Maria aber sagte: ‚Josef, knips schnell das Licht an, ich glaube, wir haben ein Kind gekriegt!’“ Damit war nicht zu rechnen gewesen, jedenfalls für Josef kam es unerwartet. Das Kind sorgte später für noch größeres Aufsehen, als es daran erinnerte, dass wir alle „Kinder sind unseres Vaters im Himmel!“.


Heute aber kommen wir noch ein Stück weiter. Hört einmal: „UNTER SEINEN FÜSSEN WAR ES WIE EIN SCHÖNER SAPHIR UND WIE DER HIMMEL, WENN ES KLAR IST.“ Von GOTTES Füßen ist die Rede. Und vom Moment einer überraschenden und freudenreichen Gottesschau. Es kam ihnen vor, als sähen sie Gott selber, während ihres gleichermaßen visionären wie auch anstrengenden Laufes zu den Höhen des Heiligen Berges. Von Mose und den 70 Auserwählten ist die Rede. Wir, meine Freunde, wir dürfen gewiss sein, dass WIR mitgemeint sind. Vielen von euch geht es so wie mir. Wir sind keine Lustläufer in dem Sinn, dass wir Allotria treiben könnten auf der Marathonstrecke. Manche können das. Ich muss darauf verzichten und mich ganz introvertiert konzentrieren auf jeden Kilometer. Andererseits, neben die Anstrengungen und auch Quälerei gehörte von Anfang an die Vision. Die lief immer mit. Es handelte sich zwar jedes Mal um ganz prosaische und exakt vermessene 42,195 km, genau das.

Aber gleichermaßen galt: „als wennste schwebst“, wie der Berliner sagt. Als wennste schwebst. Die Strecke bestand eben nicht nur aus Teilen der Bezirke Charlottenburg, Stadtmitte, Kreuzberg, Neukölln, Schöneberg, Steglitz, Zehlendorf, Wilmersdorf. Sie war zugleich etwas anderes geworden: God’s Own Countryroad! Es war nicht grauer Asphalt mehr, sondern: „Unter seinen Füßen war es wie ein schöner Saphir und wie der Himmel, wenn klar, ist gut laufen.“ Wir dürfen uns wiederum erinnern lassen an die Rede Jesu auf dem Berg, als er über Gott und die Erde sagte: „Sie ist der Schemel seiner Füße.“ Ein saphirgeschmückter Schemel. Wer bei dem Bild von Gottes Fußschemel als unsere Läuferstraße nur an ‚Puschen’ denkt, an überirdisch riesige Pantoffeln, der findet die Anspielung auf einen klaren Himmel nicht überflüssig.

Wir wollen aber die Bildersprache nicht überstrapazieren, sie soll nicht Purzelbäume schlagen. Klar ist doch: Du darfst dich als Läufer auf behüteter Strecke fühlen. Die Erde ist Gottes Schemel oder auch sein Wohnzimmer. Die Marathonstrecke sei für dich ein heilsamer Weg und niemals dein Feind, auch wenn du morgen nicht ans Ziel kommen solltest. Es ist möglich, dass der Kopf zum Knie sagt: „Mach keinen Quatsch eyh, du schlappst ja fast auf dem Asphalt. Was ist los?“ Und das Knie antwortet: „Ich hänge durch.“ Oder die Füße murmeln: „Wir können vor Schmerzen nicht mal mehr einschlafen.“ Worauf der Kopf das letzte Wort hat: „Macht, was ihr wollt, ich will auch nicht mehr.“

Es bleibt dabei, spätestens beim nächsten mal wirst du dich wieder auf die Spurensuche nach dem Geheimnis begeben, nach dem göttlichen Zusammenspiel von Leib und Seele, wenn Füße, Knie und Kopf übereinstimmen mit dem Atem und dem gesamten Nervensystem. Solch Zusammenspiel ist nicht garantiert. Aber selbst im Misserfolg bleibt die Hoffnung als Mutter der Gedanken. Du wirst sogar nachträglich die schmerzhaft verschattet gewesenen Streckenteile als geheime Schatzinseln erkennen.

Die Bibelgeschichte von Mose und den 70 Auserwählten (morgen sind es über 40.000) endet mit den Worten: „Und als sie Gott geschaut hatten, aßen und tranken sie.“ Das heißt: Sie wurden SANS SOUCI = sorgenfrei und ohne Ängste. Das habe ich auch schon erlebt, mit Gottes Hilfe und unter Assistenz meiner lieben Frau F., die einen steten Kontakt hält zum Vorzimmer des Allerhöchsten, mir zugute.

IHM und ihr sei Dank. Und EUCH!

Amen.

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