Newsarchiv

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DM 10 000 m in Müchen: Galaauftritte für Baumann und Mockenhaupt

Paul McCartney auf dem Königsplatz, die meisterlichen Bayern-Kicker auf

dem Marienplatz – und Dieter Baumann und die deutsche Langstreckenzunft

neun Monate nach einem begeisternden EM-Festival diesmal im intimen

Dante-Stadion. Da konnte es eigentlich nur einen Verlierer geben, und das war

sicherlich die Leichtathletik. Vierhundert! Getreue verloren sich im

Münchener Nieselregen in einem beschaulichen Stadion, dessen Glanz auch

schon Jahrzehnte zurück liegt. Zudem in unmittelbarer Nachbarschaft zum

weitläufigen Westfriedhof und der Grabsteine produzierenden

Steinmetzzunft. Bizarre Kulisse für ein Schauspiel besonderer Art, denn

sehenden Auges mussten so manche ergraute Trainerkapazität wie auch die

früheren Weltklasseläufer Christoph Herle und Detlef Uhlemann

miterleben, wie schlecht es um die deutsche Langstrecke bestellt ist. Fakt ist:

Wäre Dieter Baumann mit flotter Fahrt nicht noch einmal zurück ins

Wettkampfgeschehen auf das Bahnoval gekehrt und Sabrina Mockenhaupt nicht wie

ein Wirbelwind fünfundzwanzig Mal um die Bahn gefegt, es wäre

Tristesse pur angesagt gewesen. Der Sturm auf die Nachfolge des unweigerlich im

“Herbst seiner Schaffenskraft“ (O-Ton Baumann) stehenden

früheren Olympiasiegers fand ebenso wenig statt wie ein

leistungsmäßiges Aufbegehren bei den Frauen. So bleibt unter dem

Strich die Erkenntnis, dass wir mit Dieter Baumann, der noch mit der 5000

m-Strecke liebäugelnden, in München fehlenden Irina Mikitenko und mit

Abstrichen Sabrina Mockenhaupt nicht einmal mehr eine Handvoll Läufer

internationalen Zuschnitts haben, die sich derzeit noch mit der Bahn

beschäftigen. Nach Lage der Dinge allerdings auch nicht mehr lange, denn

Baumann hat den 10 000 m-Start in Paris nur als eine Zwischenstation für

den spät abends im “Botanikum“ nun auch offiziell im Beisein

von Race-Director Allan Steinfeld verkündeten Start beim berühmten

New York-City-Marathon. Die junge Mockenhaupt sieht bereits jetzt ihre Zukunft

auf der längsten olympischen Distanz wie auch eine inzwischen bereits

31jährige Mikitenko, die sich gedanklich für die Zeit nach Athen 2004

mit einem Wechsel auf die gewinnträchtige Straße beschäftigt.

Sichtlich geknickt Langstrecken-Bundestrainer Wolfgang Heinig nach dem

Debakel von München. “Für die Männer wie auch für die

Frauen lässt sich nur ein Wort finden: Ernüchternd! So ein

Leistungsniveau habe ich wirklich nicht erwartet!“ Doch wo ansetzen, Herr

Bundestrainer? Zumal partielle Lichtblicke wie ein Stefan Koch oder (bis zu

seinem Ausstieg) André Pollmächer in einer Grauzone undiskutabler

Leistungen abtauchen.

Baumann: “Jedes Rennen ist eine Herausforderung!“

Im Februar Niederlage beim Dortmunder Indoor-Meeting gegen Jan Fitschen,

sechs Wochen Laufpause wegen einer Verletzung, lange Radeinheiten im

Schwäbischen Ländle mit jungen Triathlonkollegen, erste

Laufintensitäten im kenianischen Trainingscamp – und nun eine

beeindruckende Rückkehr auf die bislang so erfolgsträchtige

Stadionrunde. “Jedes Rennen ist eine Herausforderung“ nennt Baumann

seine eigene Erwartungshaltung, “es ist doch eine Art Sport geworden,

weil jeder darauf wartet, wann verliert er!“ Mit Leichtigkeit jedoch hat

Dieter Baumann seine Herausforderung bestanden, mit dem Gewinn der 39.

Deutschen Meisterschaft scheint nun alles bereitet für das

“Heimspiel“ Anfang Juli in Ulm, wo er, gerade einmal 15 Kilometer

von seiner Heimat Blaustein entfernt, den 40. Titel seiner glanzvollen Karriere

(“Das wird ein emotionales Rennen“) einfahren möchte.

“Es war ein guter Aufgalopp“ bewertet der Champion seinen Auftritt

im Dante-Stadion, wohl wissend, dass er in dieser Form bei den

Weltmeisterschaften über diese Distanz gegen die Weltelite keine Chance

haben wird. “Ich bin auf einem guten Wege. Wir wollen nicht diskutieren,

ob ich heute auch zehn Sekunden hätte schneller laufen können. Ich

bin mit Selbstbewusstsein ins Rennen gegangen, nach zwei, drei Runden ist es

bei mir auch rund gelaufen und ich habe keine Schmerzen gespürt. Das ist

für mich das Wichtigste!“ Sein Blick ist natürlich auf Paris

gerichtet, wenngleich er sich angesichts einer möglichen 27:30

Minuten-Zeit nur bedingt Hoffnungen auf eine Topplatzierung machen kann.

“Es wird ein schnelles Rennen geben und ich werde bereit sein für

ein schnelles Rennen!“ Aber alleine die Anwesenheit des NYCM-Chefs Allan

Steinfeld verrät Baumanns Hauptorientierung: Über den New

York-Marathon möchte er sich dem “Arbeitstitel Athen 2004“

nähern, wie er unumwunden zugibt. “Ich möchte meine

Begeisterung beim Laufen aufrecht erhalten, um vielleicht Athen zu

erreichen!“ Baumanns Schlusspunkt einer wahrhaft eindrucksvollen

Karriere.

Zurück zum 10 000 m-Rennen im Dante-Stadion. Nach 4000 m hatte Dieter

Baumann mit Mario Kröckert seinen einzigen Wegbegleiter verloren, der nach

dem starken Auftritt in Koblenz in der Vorwoche diesmal merklich gehemmt

wirkte. “Da ist vieles zusammen gekommen“, bekannte der

Bayer-Läufer nach seinem vorzeitigen Ende nach 7000 m merklich geknickt.

“Ich habe neue Einlagen getragen, die mehr und mehr zu einem

Taubheitsgefühl im Vorderfuß geführt haben. Nach 5000 m habe

ich eine Blase am Ballen gespürt....“. Der plötzlich auf Rang

zwei laufende Junior André Pollmächer ging ohne sichtbaren Grund

aus dem Rennen, so dass Jens Borrmann Vizemeisterschaft mit einem

Ein-Minuten-Rückstand (!) noch zur Vizemeisterschaft in einem

Meisterschaftsrennen, in dem gerade einmal sechs Läufer ins Ziel kamen.

Bei den separat gestarteten Junioren kam der nach längerer

Verletzungspause wieder genesene Terefe Desaleng ungefährdet zum Titel in

29:37,78 Minuten, beklagte aber die Entscheidung, ein separates Rennen für

Junioren anzusetzen. “Ich wäre gerne mit den Männern gelaufen,

das wäre längst nicht so langweilig geworden...“. Hinter

André Sommer freute sich 10 km-Jugendmeister Stefan Koch über

starke 30:32,82 Minuten, auch wenn er damit die U 20-EM-Norm um zwei Sekunden

verpasst hatte.

“Mocki“ fordert Startplatz in Paris

“Nach den DLV-Richtlinien habe ich mich heute für die

Weltmeisterschaften qualifiziert“, stellte Sabrina Mockenhaupt umringt

von Journalisten mit sichtlicher Genugtuung fest. “Aber alleine gegen den

Wind ist das schon schwer!“ Wenige Minuten zuvor hatte die quirlige

Siegerländerin auf ihrem 25-Runden-Trip alle Konkurrentinnen

einschließlich der Titelverteidigerin Melanie Schulz überrundet und

mit 32:11,95 Minuten ein Vorzeigeresultat abgeliefert, das unter der

“B-Norm“ von 32:17,00 liegt. “Irina Mikitenko ist zwar mit

31:37,15 in diesem Jahr schon schneller gelaufen, hätte aber nach den

Nominierungskriterien in München antreten müssen. Das hat man mir

beim DLV so gesagt!“ Das könnte freilich allerdings zum Problem

werden, denn wenn der DLV über diese Strecke mehr als eine Athletin

schicken möchte, dann müssen beide die “A-Norm“ von

31:45,00 erfüllen. “Wenn man heute im Alleingang nur drei Sekunden

über Bestzeit läuft, kann man schon zufrieden sein“,

bilanzierte Sabrina Mockenhaupt. “Die A-Norm von 31:45 ist auch machbar,

dafür brauche ich aber anständige Konkurrenz. Das wäre

natürlich auch schon die Olympianorm....“ Und zur Taktik? Da

ließ sich “Mocki“ auf nichts ein und stiefelte vom Start weg

an die Spitze. “Ich wollte zunächst einmal schauen, was Melanie

Schulz macht. Ich dachte schon, sie sei stärker!“ Doch schon nach

fünf Runden war die Titelverteidigerin aus Erfurt in Rückstand

geraten, fiel immer weiter zurück und musste sich nach 8000 m sogar

überrunden lassen und lag letztlich eineinhalb Minuten zurück.

“Für die Psyche ist dies natürlich nicht gut, zumal ich

weiß, dass ich in Kenia trainingsmäßig eigentlich nicht

überzogen habe“, sucht die eigentliche Hindernis-Spezialistin

Erklärungen für die deprimierenden Ergebnissen von Koblenz und nun

auch München. “Ich habe heute gepumpt wie ein Maikäfer, das ist

doch nicht normal!“ Hinter Sylvia Renz und Stephanie Maier holte sich

Michaela Schedler nach dem Crosstitel auch den über 10 000 m und durfte

sich zudem noch über 34:44,88 freuen.

Nach achtmal Silber und dreimal Bronze gab es erstmals Gold für

Christina Mohr von der Gerolsteiner LGV im integrierten 5000 m-Rennen der

weiblichen Jugend. Schon nach 2000 m setzte sich der Schützling von Heinz

Reiferscheid aus einer zunächst kompakten Spitze ab und lief sein Rennen

souverän in 17:06,67 durch. Die anfangs aufreizend locker mithaltende

erithräische Asylbewerberin und frühere Cross-WM-Starterin Simret

Asmeron-Zere brach mehr und mehr ein und wurde nur Vierte.

Wilfried Raatz

 

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