Der Doppelsieg der Irina Mikitenko und die eindrucksvolle Wachablösung im
Langstreckenrennen der Männer mit einem überlegenen Sebastian
Hallmann an der Spitze waren die sportlichen Highlights am ersten Tag der
deutschen Crossmeisterschaften auf dem Hartkortberg in Wetter an der Ruhr, die
nun bereits nach 1976 und 1995 innerhalb von 24 Jahren zum dritten Male nahe
Dortmund ausgetragen wurden. Die Heerschau des laufenden Nachwuchses sowie der
Senioren brachten am zweiten Tag nicht nur mit gewissen Einschränkungen
die großen Startfelder, sondern auch zumeist spannenden
Auseinandersetzungen um die Medaillenränge und - hartes Gerangel um die
begehrten Plätze im DLV-Aufgebot für die Cross-Europameisterschaften
am 10. Dezember in Malmö. Die beiden Meisterschaftstage brachten aber auch
so manche Diskussion um die gewiß selektive, aber wenig crosswürdige
und zuschauerfreundliche Strecke und die dringend notwendige Korrekturen am
Modus dieser Meisterschaften, auf die wir an anderer Stelle ausführlich
eingehen werden.
Zur überragenden Athletin der Cross-Titelkämpfe wurde Irina
Mikitenko im Trikot der LG Eintracht Frankfurt. Die 28jährige
Olympiafünfte ließ zunächst auf der 3 800 m langen
Mittelstrecke der auch gewiß Weltklasseansprüche anmeldenden
Luminita Zaituc keine Chance und lief überlegen zur ihrer ersten
Crossmeisterschaft, der sie eine Stunde später noch eine weitere über
der 7 200 m langen Langstrecke folgen ließ. Hier mußte die
Marathonspezialistin und führende Läuferin im Deutschen Cross-Cup
Sonja Oberem die Überlegenheit der gebürtigen Kasachin neidlos
anerkennen. Mit diesem Doppelschlag zog Irina Mikitenko mit der
Darmstädterin Petra Wassiluk gleich, die vor drei Jahren auf der Halbinsel
Usedom überraschend zum Doppelsieg laufen konnte. Dennoch wird Irina
Mikitenko dem Cross in diesem Winter weitgehend fern bleiben, denn sie
möchte nicht zuletzt nach ihren leidvollen Erfahrungen im Finale des
olympischen 5000 m-Wettbewerbs verstärkt der Halle den Vorzug geben, um
ihre Sprintfähigkeit zu verbessern. "Es ist aber nicht
ausgeschlossen, daß Irina im März in einer guten Mannschaft doch
noch bei der Cross-WM in Dublin starten wird" wies Bundestrainerin
Isabelle Baumann jedoch auf eine kleine Hintertür in der Winterplanung
hin.
"Ich hatte Angst vor einer Verletzung" bekannte Irina Mikitenko
nach ihrem Doppelschlag innerhalb von sechzig Minuten, "deswegen wollte
ich zunächst nur die Mittelstrecke laufen". Noch im Ziel des
überlegen geführten Rennens ließ sie es zunächst noch
offen, ob sie überhaupt ein weiteres Mal an den Start gehen solle. Als
Ehemann Alexander mit einem "Versuche es" die Entscheidung
durchsetzte, war damit praktisch schon der Doppelerfolg sicher.
"Eigentlich ging es leichter, als ich gedacht hatte" zeigte sie sich
überrascht nach den beiden intensiven Belastungen auf dem Harkortberg.
"Vor allem hat mich überrascht, daß Luminita keine Anstalten
machte, mit mir mitzugehen" wunderte sie sich über das
zögerliche Auftreten von Luminita Zaituc, die sich erst kurz vor dem
Stadioneingang von der couragierten Melanie Klein-Arndt lösen konnte und
letztlich ungefährdet Zweite wurde - mit 26 Sekunden Rückstand.
Dreißig Sekunden waren es kurze Zeit später im Duell mit Sonja
Oberem. Trotz des Klassenunterschieds befand die Marathonfrau: "Ich denke,
ich habe mich gegen Irina gut gehalten!" Schon früh aus diesem
Zweikampf ausgeschieden war hingegen Michaela Möller, die ziemlich
kraftlos in einem ausgedünnten Frauenfeld zu Bronze marschierte.
Interessant wäre es allenfalls im Kampf um die Plätze hinter Irina
Mikitenko geworden, wenn die starken Juniorinnen Susanne Ritter ("ich
freue mich riesig über den dritten Titel in Folge!") und Sabrina
Mockenhaupt im Frauenfeld gestartet wären. Sie waren es
ausschreibungsgemäß jedoch nicht, aber das ist ein anderes
Thema.
Bei den Männern vollzog sich die bereits vor zwei Wochen beim
Darmstadt-Cross ankündigende Wachablösung: In überragender Form
stürmte Sebastian Hallmann dem erfreulich tatkräftigen wie jungen
Verfolgerfeld auf und davon und ließ Dieter Baumann vergessen, der vor
fünf Jahren an gleicher Stelle eine ähnliche Solovorstellung gegeben
hatte. Vor vorschnellen Erwartungen warnt jedoch der Titelverteidiger Rainer
Wachenbrunner, der als Fünfzehnter (!) dem Umbruch tatenlos zusehen
mußte. "Auf der Langstrecke hat alleine von denen Sebastian Hallmann
Format, wir sind vor fünf Jahren allesamt auf diesem Kurs schneller
gelaufen". Was die Hallmann und Co. in der Tat zu leisten vermögen,
das wird sich bereits am kommenden Wochenende bei der Cross-EM zeigen, wenn
neben Sebastian Hallmann die auf den Plätzen folgenden Michael Wolf,
Oliver Mintzlaff, Carsten Schütz und Martin Beckmann sowie der
überlegene Juniorensieger Mario Kröckert in Malmö gegen die
besten Europäer antreten werden.
Dabei wird in Malmö aber auch der 19jährige Saison-Abräumer
Wolfram Müller sein, jedoch im Juniorenrennen. Der Himmelsstürmer aus
Pirna konnte zwar den starken Auftritt des erfolgreichen Titelverteidigers Jan
Fitschen nicht verhindern, verspricht aber der durchweg älteren
(Männer-)Konkurrenz hierzulande für die Bahnsaison einen heißen
Tanz: "Dafür werde ich auf der Bahn gewinnen!" Daß Wolfram
Müller in Wetter den vermeindlich schwersten Weg, sprich Wettbewerb,
gewählt hatte, das ehrt ihn außerordentlich und stimmt ihn zudem
zufrieden - trotz Rang zwei. "Schließlich hätte ich auch die
Jugend- oder Juniorenklasse laufen können!"
Wilfried Raatz