Der London-Marathon am kommenden Sonntag wird einmal mehr der bestbesetzte Lauf
über die klassischen 42,195 km des Jahres sein. In London gibt es das
Marathon-Debüt schlechthin: Dort läuft Äthiopiens Superstar
Haile Gebrselassie zum ersten Mal die klassische Distanz. Es ist die letzte
Distanz die dem 28-Jährigen noch fehlt, der aber natürlich schon
jetzt zu den größten Langstreckenläufern der
Leichtathletik-Geschichte zählt. Noch ein anderes hochinteressantes
Debüt findet in London statt: Die Engländerin Paula Radcliffe, ebenso
wie Haile Gebrselassie Halbmarathon-Weltmeisterin, wird ebenfalls zum ersten
Mal einen Marathon rennen. Vor heimischem Publikum zählt sie ebenso wie
Haile Gebrselassie zu den großen Favoriten.
Und auch der dritte große Marathon-Debütant in diesem
Frühjahr dürfte ähnliche gute Chancen wie Gebrselassie und
Radcliffe auf einen Sieg haben, auch wenn er davon wohl eher nichts wissen
will: Dieter Baumann startet in Hamburg am 21. April bei seinem ersten
Marathon.
Dass der erste Marathon durchaus ein voller Erfolg auf Anhieb werden kann,
beweisen einige prominente Beispiele. Da ist eine Tegla Loroupe, die 1994 ihr
Debüt auf der anspruchsvollen New Yorker Strecke gewann. Zwei Jahre
später siegte beispielsweise Abel Antón beim BERLIN-MARATHON. Der
Spanier wurde danach zweimal in Folge Marathon-Weltmeister. 1997, ebenfalls
beim BERLIN-MARATHON, gewann die Irin Catherina McKiernan und lief dabei mit
2:23:44 Stunden das bis dahin schnellste Marathon-Debüt. Die
Weltklasseläuferin steigerte sich später noch auf 2:22:23 Stunden,
hatte aber in den letzten Jahren Verletzungspech. Und noch ein gutes Beispiel
für ein erfolgreiches Debüt sei genannt: Yoko Shibui verbesserte vor
einem Jahr als Siegerin in Osaka den „Debüt-Weltrekord“ von
Catherina McKiernan auf 2:23:11. Später wurde die 23-jährige
Japanerin, die in ihrer Heimat als große neue Marathon-Hoffnung gilt,
Vierte bei der WM. Kein Grund also für Gebrselassie, Radcliffe und Baumann
tief zu stapeln. Die drei haben eine vielversprechende Grundlage und
dürften sicherlich entsprechend umfangreich und zielgerichtet für ihr
Debüt trainiert haben.
Doch der Marathon-Monat April steht natürlich auch im Zeichen der
breitensportlichen Läufer. Zu keiner anderen Jahreszeit laufen derartig
viele Menschen die 42,195 km. Auch hier führt der London-Marathon die
Liste an. Nur in der britischen Metropole erreichten im vergangenen Jahr wie
schon im Jahr 2000 über 30.000 Läufer das Ziel. Beim zurzeit
größten Marathonrennen der Welt haben sich dieses Mal 70.000
Athleten um eine Startnummer beworben. Die begehrten Nummern werden bereits
rund ein halbes Jahr vor dem Rennen verlost - allerdings gilt dies nur für
dieses Mal 45.000 Nummern. Der Rest geht leer aus und kann es in diesem Herbst
für 2003 erneut versuchen. Dass von den 45.000 verlosten Nummern letztlich
nur etwa 32.000 im Ziel erwartet werden, hängt damit zusammen, dass im
Laufe der Monate etliche der Läufer aus verschiedenen Gründen
(Verletzungen, schlechtes Training etc.) wieder ausfallen.
Knapp 30.000 Meldungen verzeichnete der zweitgrößte
Frühjahrs-Marathon in Paris. Dort gab es am vergangenen Sonntag
Jahresweltbestzeiten durch den Franzosen Benoit Zwierzchlewski in 2:08:18
Stunden sowie Marleen Renders. Die Belgierin meldete sich mit hervorragenden
2:23:05 Stunden, einem belgischen Rekord, in der Weltspitze zurück.
Die Veranstalter des Boston-Marathons, die traditionell wieder die beiden
Vorjahressieger Bong-Ju Lee (Korea) und Catherine Ndereba (Kenia), die in
Chicago zuletzt die Weltbestzeit auf 2:18:47 steigerte, eingeladen haben, sehen
ihr Rennen eher als leistungssportlichere Veranstaltung. Aufgrund sehr
anspruchsvoller Qualifikationszeiten in allen Altersklassen hält sich die
Starterzahl dadurch automatisch in Grenzen, zudem gab es zuletzt bei 15.000
Startern ein Limit. Nur einmal gab es in Boston ein Ausnahme: Beim 100.
Boston-Marathon 1996 gab es keine Limits und einen Rekord, der heute noch
steht. Damals starteten 38.706 Läufer, von denen 35.868 das Ziel
erreichten.
Eine enorme Entwicklung hat der Hamburg-Marathon in den letzten Jahren
gemacht. Es ist erst vier Jahre her, da zählte der zweitgrößte
deutsche Marathon rund 10.000 Meldungen, seit dem vergangenen Jahr sind es mit
gut 18.000 Läufern und über 2000 Inline-Skatern rund doppelt so
viele. Ohne Teilnehmerlimit wären die Meldezahlen sogar noch deutlich
höher gewesen. „Das Limit von 18.000 Läufern war bereits Ende
Januar erreicht, wir hätten aber auch 24- bis 25.000 Teilnehmer haben
können. Inzwischen mussten wir einige tausend Läufer auf das
nächste Jahr vertrösten“, erzählt der Hamburg-Marathonchef
Wolfram Götz.
Im nächsten Jahr wird es allerdings voraussichtlich noch schwerer, in
Hamburg eine Startnummer zu ergattern, denn Wolfram Götz kündigt
Veränderungen an: „Wir werden ein neues Auswahlverfahren
einführen und tendieren dazu, das Limit in Richtung 15.000 Läufer
nach unten zu schrauben.“ Genaueres ist aber noch nicht entschieden.
Offenbar sind die Hamburger jetzt an ihrem absoluten Limit und fürchten
möglicherweise bei zu großen Feldern um die Qualität der
Veranstaltung.
„Ich habe keine Erklärung dafür“, antwortet Wolfram
Götz auf die Frage nach den Gründen des Lauf-Booms. „Vielleicht
liegt es daran, dass das Laufen ein einfach zu betreibender Sport ist –
man kann es zu jeder Zeit überall machen.“ Dass die mit dem
Rekordetat von 1,8 Millionen Euro ausgestattete Veranstaltung wieder nicht live
im Fernsehen sondern nur eine Stunde nachmittags ab 15 Uhr im NDR gezeigt wird,
ist für Wolfram Götz nicht unbedingt ein Nachteil. „Die
Nachmittagssendung hat zuletzt sehr gute Quoten gehabt. Und ich fürchte,
dass uns die Zuschauer bei einer Live-Übertragung an der Strecke
fehlen.“ Und mit Dieter Baumann gibt es ja in diesem Jahr einen
außergewöhnlichen Höhepunkt zu sehen. Der 5000-m-Olympiasieger
von 1992 könnte lachender Dritter sein, während es zwischen den
Kenianern Joseph Ngolepus und William Cheruiyot um eine kleine Revanche geht:
Im vergangenen September gewann Ngolepus nämlich vor Cheruiyot den real,-
BERLIN-MARATHON. Völlig außer Reichweite sollten diese beiden
für Dieter Baumann eigentlich nicht sein.
Bei den Frauen darf man dagegen schon fast von einem deutschen Sieg
ausgehen, was in Hamburg eine gewisse Tradition hat. Dabei gibt es ein
interessantes Duell, denn Vorjahressiegerin Sonja Oberem trifft auf die
Frankfurt-Marathon-Siegerin Luminita Zaituc. Und im Rennen ist auch die real,-
BERLIN-MARATHON-Dritte Kathrin Weßel vom SCC Berlin. „Ich
hätte auch gerne starke deutsche Läufer im Bereich von 2:10
Stunden“, sagt Wolfram Götz und fügt hinzu: „Aber es gibt
ja keinen.“ Doch vielleicht ändert sich das ja bald.
Der Lauf, der den vermeintlich übermächtigen Konkurrenten aus
London und Boston in den letzten Jahren häufiger die Show gestohlen hat,
ist der Rotterdam-Marathon. Auf den ersten Blick sieht die Starterliste des
Laufes am 21. April nicht nach einem großen Knaller aus. Doch die
schnelle Strecke und eine perfekte Koordination der Tempomacher haben auch im
vergangenen Jahr die Jahresweltbestzeit durch Josephat Kiprono (Kenia/2:06:50)
produziert. „Die erste Hälfte wird etwa in 63:30 Minuten gelaufen.
Da sich die zweite Hälfte von der Strecke her etwas einfacher läuft,
hoffen wir auf eine Zeit im Bereich zwischen 2:06:30 und 2:07:00“, sagt
Edgar de Veer, der in Rotterdam für die Topathleten zuständig
ist.
Während der Jahresweltbeste von 2001, Josephat Kiprono, am 14. April
beim Jeong-Ju-Marathon in Südkorea ebenso an den Start geht wie
Vorjahressieger Samson Kandie (Kenia), muss die Olympiasiegerin passen. Naoko
Takahashi (Japan), die in Berlin als erste unter 2:20 gelaufen war, laboriert
noch an einer Knöchelverletzung.
An Klasse nicht zu überbieten ist der London-Marathon. Nie zuvor gab es
bei einem City-Marathon bei den Männern ein derartiges Starterfeld. Der
Start des Olympiasiegers Gezahegne Abera (Äthiopien) ist zwar aufgrund
eines Verletzungsproblems eher unwahrscheinlich. Doch im Rennen sind Khalid
Khannouchi (USA), der die Weltbestzeit von 2:05:42 Stunden hält, der
Vorjahressieger Abdelkader El Mouaziz (Marokko), der Streckenrekordhalter
António Pinto (Portugal/2:06:36) und natürlich der Debütant
Haile Gebrselassie. Und in einem Rennen mit dem äthiopischen
10.000-m-Olympiasieger darf natürlich auch Paul Tergat (Kenia) nicht
fehlen, der vor einem Jahr in London bei seinem Debüt als Zweiter 2:08:15
Stunden gelaufen war. Auch das Frauenrennen ist erstklassig besetzt mit der
Vorjahressiegerin und 10.000-m-Olympiasiegerin Derartu Tulu (Äthiopien)
sowie den beiden Kenianerinnen Joyce Chepchumba (London-Siegerin 1997 und
’99) und Susan Chepkemei (Rotterdam-Siegerin 2001). Dazu kommt dann die
große britische Hoffnung, Paula Radcliffe. Besser geht es nicht,
möchte man meinen.
HIER LAUFEN DIE STARS:
London-Marathon (14. April)
Vorauss. Starterzahl: 33.000
Siegprämie: 55.000 Dollar
Weltrekordprämie: 180.000 Dollar
Streckenrekordler: António Pinto (Portugal/2:06:33/2000), Ingrid
Kristiansen (Norwegen/2:21:06/1985)
Favoriten: Abdelkhader El Mouaziz (Marokko/2:07:11), Paul Tergat
(Kenia/2:08:15), Khalid Khannouchi (USA/2:05:42), António Pinto
(Portugal/2:06:36), Tesfaye Jifar (Äthiopien/2:06:49), Tesfaye Tola
(Äthiopien/2:06:57), Japhet Kosgei (Kenia/2:07:09), Stefano Baldini
(Italien/2:07:57), Philip Tarus (Kenia/2:08:30), Tsuyoshi Ogata
(Japan/2:10:06), Gezahegne Abera (Äthiopien/2:07:54/Start fraglich),
William Kiplagat (Kenia/2:06:50), Haile Gebrselassie
(Äthiopien/Debüt).
Favoritinnen: Derartu Tulu (Äthiopien/2:26:09), Joyce Chepchumba
(Kenia/2:23:22), Susan Chepkemei (Kenia/2:25:12), Malgorzata Sobanska
(Polen/2:26:08), Reiko Tosa (Japan/2:24:36), Swetlana Zakharowa
(Russland/2:24:04), Ludmila Petrowa (Russland/2:25:45), Shitaye Gemechi
(Äthiopien/2:28:40), Paula Radcliffe
(Großbritannien/Debüt).
Boston-Marathon (15. April)
Vorauss. Starterzahl: 14.000
Siegprämie: 80.000 Dollar
Weltrekordprämie: 50.000 Dollar
Streckenrekordler: Cosmas N’Deti (Kenia/2:07:15/1994), Uta Pippig
(Deutschland/2:21:45/1994)
Favoriten: Bong-Ju Lee (Korea/2:07:20), Silvio Guerra (ECU), Joshua Chelanga
(Kenia).
Favoritinnen: Catherine Ndereba (Kenia/2:18:47), Margaret Okayo
(Kenia/2:24:21), Esther Wanjiru (Kenia/2:23:31).
Rotterdam-Marathon (21. April)
Vorauss. Starterzahl: 10.000
Siegprämie: abhängig von Siegzeit
Weltrekordprämie: 250.000 Euro
Streckenrekordler: Belayneh Dinsamo (Äthiopien/2:06:50/1988) und Josephat
Kiprono (Kenia/2:06:50/2001), Tegla Loroupe (Kenia/2:20:47/1998)
Favoriten: Kenneth Cheruiyot (Kenia/2:07:18), Simon Biwott (Kenia/2:07:41),
Elijah Lagat (Kenia/2:07:41), Sammy Korir (Kenia/2:08:02), José
García (Spanien/2:08:40).
Favoritinnen: Takami Ominami (Japan/2:26:04), Junko Akari (Japan/2:28:49),
Simona Staicu (Ungarn).
Hamburg-Marathon (21. April)
Vorauss. Starterzahl: 17.000
Siegprämie: 15.000 Euro
Weltrekordprämie: ----
Streckenrekordler: Julio Rey (Spanien/2:07:46/2001), Katrin Dörre-Heinig
(Deutschland/2:24:35)
Favoriten: Joseph Ngolepus (Kenia/2:08:47), William Cheruiyot (Kenia/2:08:48),
Henry Cherono (Kenia/2:10:37), Dieter Baumann (Deutschland/Debüt)
Favoritinnen: Sonja Oberem (Deutschland/2:26:13), Luminita Zaituc
(Deutschland/2:26:01), Kathrin Weßel (Deutschland/2:28:27)