Drei Namen bestimmen die Disziplin Irina Mikitenko, Luminita
Zaituc, Sabrina Mockenhaupt – drei Läuferinnen stehen für die
Mehr-Runden-Distanzen 5000 m und 10 000 m. „Im Prinzip reduziert sich die
Bilanz auf diese drei Namen. Leider sind keine weiteren Läuferinnen
aufgerückt, von denen es eigentlich zu erwarten war!“
Nüchterner Rückblick der Ex-Bundestrainerin Isabelle Baumann, die
inzwischen ihre hauptamtliche Verantwortung für den männlichen und
weiblichen Laufbereich im DLV mit der Rolle als Referendarin im Schuldienst
eingetauscht hat. Und fürderhin wieder als Stützpunkttrainerin im
Württembergischen an der Basis arbeitet. „Hier sieht man alles aus
einer anderen Perspektive, über die man sich viele Jahre keine Gedanken
gemacht!“ Vielleicht ist aber gerade diese Basisarbeit eine unbedingte
Notwendigkeit, um das offensichtliche Dilemma auf den längeren
(Bahn-)Laufdistanzen besser in den Griff zu bekommen.
Irina Mikitenko: Mit Schmerzen durch die Saison Und dieses
wird zunehmend dann deutlich, wenn die Haupt-Leistungsträgerin und
(einzige) Vorzeigeläuferin Irina Mikitenko wegen einer schwer wiegenden
Verletzung weite Phasen der Saison ausfällt. Hallen-Doppeltitel in
Dortmund über 1500 m und 3000 m, Klassevorstellungen bei der European 10
000 m-Challenge in Barakaldo unweit Bilbao als Zweite hinter Paula Radcliffe
mit 31:29,55 und im 5000 m-Rennen von Hengelo gegen die Afrikanerinnen Gete
Wami, Ayalech Worku und Berhane Adere in 14:53,00 nährten die Hoffnung auf
einen großes WM-Auftritt für die Frankfurterin. „Im Prinzip
haben die Schmerzen im Knie schon früh im Jahr angefangen. Die Ursache
liegt in den nach außen führenden Ausweichbewegungen im
Unterschenkel“, erläutert Isabelle Baumann. „Das Problem war
natürlich, dass Irina aus nahe liegenden Gründen nur sehr kurze
Auszeiten genommen hatte!“ Die Folge waren die Absagen für den
Europacup in Bremen und die DM in Stuttgart, um letztlich die WM-Teilnahme
nicht zu gefährden. „Im Höhentrainingslager in St. Moritz hat
Irina gut trainiert, sonst wäre es bei der WM nicht so gut
gegangen!“ Auch wenn unter dem Strich„nur“ Rang fünf
steht, angesichts der Ausfallzeiten im Training und der Verunsicherung ob der
fehlenden Wettkämpfe ein fürwahr anständiges Resultat. Vor allem
deshalb, weil es ein in erster Linie nach allen taktischen Regeln
geführtes 5000 m-Finale war.
Titelsammlerin Luminita Zaituc Nutznießerin der
verletzungsbedingten Abstinenz von Irina Mikitenko war eindeutig Luminita
Zaituc, die mit fünf Einzeltiteln im Cross (Mittel- und Langstrecke), 10
000 m, 10 km und zudem im Marathonlauf ‚“ihr eindeutig
erfolgreichstes Jahr“, wie es Betreuer Hans-Günter Stieglitz
formulierte. Jedoch zugleich mit dem erforderlichen Aber: „Wäre da
nicht die verletzungsbedingte WM-Absage gekommen!“ Allerdings steht
für Stieglitz am Ende der erfolgreichen Saison die Kardinalfrage:
„Was ist letztlich mehr wert, ein, sagen wir einmal, achter Platz in
Edmonton oder ein Sieg beim Frankfurt-Marathon in 2:26:02 Stunden?“
Womit man zwangsläufig beim Hauptproblem der 10 000 m-Disziplin sind,
die mehr und mehr zum gelegentlichen Tummelplatz für die
Marathonläuferinnen wird. In Kandel jedenfalls mischten Petra Wassiluk und
Melanie Kraus nach ihrem vollzogenen Wechsel zur langen Straßendistanz
derart munter mit, dass sogar noch mit Silber und Bronze zwei Medaillen
heraussprangen. „Die Fakten sind nicht gerade berauschend!“ bringt
es der künftig auch für die lange Bahndistanz verantwortliche
Marathon-Bundestrainer Wolfgang Heinig auf den Punkt. „Kurzfristig
können wir hier nur auf gestandene Langstrecklerinnen zurückgreifen,
solange die Marathon-EM-Teilnahme nicht gesichert ist!“
Mit Raketenstart wird eine 20jährige zur Hoffnungsträgerin
auf der Frauen-Langstrecke: Sabrina Mockenhaupt Langfristig ruhen
gewiss die Hoffnungen des Verbandes auf der erst 20jährigen Sabrina
Mockenhaupt, die nach Einschätzung der Experten wie Isabelle Baumann und
Wolfgang Heinig „ein großes Potenzial hat!“ Unter der
behutsamen Führung von Heimtrainer Heinz Weber ist die Siegerländerin
schon als Juniorin zu einer festen Größe in der Langstreckenszene
geworden. „Für Sabrina war es aber eine schwierige Saison“,
urteilt Isabelle Baumann, „die ins Kippen gekommen ist, weil
unplanmäßig der Europacup noch vor der DM und der U 23-EM dazwischen
gekommen ist!“ Es spricht aber für die ausgesprochene
Willensstärke wie auch für die stabile Substanz der nur 1,55 m
großen Sabrina Mockenhaupt, dass sie gerade mit dem Rücken zur Wand
ihre bislang größten Erfolge einfahren konnte. In Stuttgart
kämpfte sie in einem atemberaubenden Finale Luminita Zaituc mit einem
Minimalvorsprung von sieben Hundertstelsekunden nieder, in Amsterdam stand sie
auf dem Bronzeplatz hinter Olga Romanowa und Sonja Stolic.
„Insgesamt musste ich meine Erwartungshaltung für die Saison 2000
doch stark einschränken“, analysiert Isabelle Baumann im
Rückblick, „schließlich ist die Stagnation offenkundig!“
Melanie Schulz hat mit der Hindernisstrecke „ihre“ Distanz
offensichtlich gefunden, auch wenn sie als Nebenprodukte an der 16:00- wie auch
33:00-Minutenschwelle steht. Susanne Ritter hat nach einer starken Vorstellung
im Cross ebenso wenig Fortschritte auf der Bahn vorzuweisen wie auch Sylvia
Nußbeck. „Dennoch bin ich für die Zukunft optimistisch“,
gesteht nun Bundestrainer Heinig, „dass wir gerade über die
großen Laufgruppen in Leverkusen, Wattenscheid, Großengottern,
Halle und Chemnitz zu einer langfristigen Entwicklung dieser Strecken kommen
können. Aber nur dann, wenn unsere Talente nicht zu früh das Handtuch
werfen. Wir müssen für die Zeit nach 2004 planen, schließlich
können wir für die 10 000 m-Strecke auf Irina Mikitenko und auch auf
Sabrina Mockenhaupt setzen, die das Potenzial hat, die entstandene Lücke
zu schließen!“
Wilfried Raatz (aus LA48/01)