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Ein Helfer beim Berlin-Marathon

Florian Bechtel war

dieses Jahr Helfer im Ziel des 28. real,- BERLIN-MARATHON und verfasste einen

Bericht über die Ereignisse aus Sicht eines Helfers.

Die Erkenntnis, daß man als Helfer noch viel früher als die

Läufer aufstehen muß kam mir erst als der Wecker klingelte. Oh-shit,

mitten in der Nacht. Nun gut, ich schleppe mich komatös ins Bad und nach

dem Schreck (huch wer steht denn da im Spiegel) und dem Kaffee bin ich schon

beinahe zurechnungs fähig.

Da dies mein erster Einsatz als Helfer ist, finde ich mich ratlos an der

angegebenen Stelle ein und frage nach meinem Ansprechpartner. Siehe da: man

erwartet mich, jemand bringt mich zum Team-leiter und ich bekomme eine kleine

Einweisung. Hier sehe ich dann auch die Anderen Helfer meiner Station zum

ersten mal.

Unser Auftrag:Im Zielbereich die Folien an die ankommenden Läuferinnen

und Läufer verteilen. Schon bald gibt es viel zu schleppen, die Folien

wiegen in den Stapeln doch mehr, als ich gedacht hätte. Das schöne am

freiwillig Helfen ist aber, daß man sich die Arbeit mit den Kollegen

gerne teilt.

Im wirklichen Leben kämpft jeder um seinen Kompetenzbereich und macht

am liebsten alles selber, bis zum umfallen, aus Angst um den Arbeitsplatz und

aus Kariere-denken. Hier nicht: jeder nimmt soviel wie er meint tragen zu

können und gut. Wir sind gut gelaunt und haben viele fleißige

Hände, die die Arbeit schnell erledigen.

Danach ist ein Moment Ruhe, bis die ersten Marathoni eintreffen. Zeit sich

gegenseitig kennen zu lernen und ein bißchen "wir" Gefühl

zu entwickeln. Schön. Ich fühle mich gut.

Die Spitze hat ihre eigenen Helfer, Profiteams, die weit über die

Niederungen von gewöhnlichen Plastikfolien erhaben sind.

Die Runner mit Zeiten zwischen 2:30 und 3:00 sind noch wenige, teilweise

schlecht gelaunt und mit der eigenen Leistung nicht zufrieden. Vielen von ihnen

sehen aus wie Europäer, die versuchen Indische Asketen darzustellen. Hohle

Wangen, ausgemergelte Körper, eiserner Blick (und ich habe mich heute

morgen beim Blick in den Spiegel erschreckt!)

Richtig anstrengend wird die Arbeit, als das Hauptfeld der Leute eintrifft

(03:30 bis Ende). Aber nicht nur anstrengend: auch überwältigend.

Rein optisch sehe ich nur noch Menschen, zehntausende von Menschen, die um mich

herum laufen. Durch das ständige Entgegenkommen bis auf kurze Distanz

verliert man leicht die Orientierung. Nicht nur optisch/physikalisch sondern

auch emotional.

In unserer doch eher Gefühlsarmen (coolen!) Welt, war ich nicht auf

eine solche Dosis Gefühl vorbereitet. Menschen die für eine Sekunde

auftauchen, mir weinend um den Hals fallen vor Glück und Erschöpfung

und dann mit Folie verschwinden. Tausende. Ich versuche, so wie meine

Team-kollegen, jedem ein gutes Wort oder Glückwunsch zu geben. Denn als

Läufer kenne ich die Gefühlswelt der Teilnehmer genau und weiß

wie gut dieser Wilkommensgruß tut.

Ab 04:30 kommt noch eine andere Komponente hinzu: die Läuferinnen und

Läufer kommen in immer schlechterer Verfassung ins Ziel. Einige setzten

sich, kaum das sie eine Folie haben, an den Straßenrand und bleiben

sitzen. Ich versuche trotz des immer noch großen Andrangs, ein Auge auf

die zu halten, die zu lange nur da hocken, da die Sanitäter jetzt alle

Hände voll zu tun haben. Meistens reicht es, die Leute anzusprechen und

gegebenenfalls zur Getränke-ausgabe zu bringen. In anderen Fällen

helfe ich beim Schuhe-aufmachen oder frage einfach nach dem Namen und ob dies

der erste Marathon war. Zweimal rufe ich einen der Sanitäter zu Hilfe und

wir schleppen das glückliche Häufchen Elend ins Sani-Zelt.

Erstaunlicher Weise habe ich keine Frau gesehen, die vor Schwäche

umgefallen wäre. Schon interessant.

Sehr negativ sind mir einige Leute aufgefallen, die gleich ganze Pakete von

Folien geklaut haben. Sowas von Rücksichtslos! Die kamen von den Umkleiden

her, gingen einfach von hinten an die Tisch und klauten wie die Raben.

Hätte ich nicht so viel Arbeit und soviele Zeugen gehabt, hätte ich

Watschen verteilt. Leider konnte ich nicht immer rechtzeitig eingreifen.Durch

dieses diebische Pack waren leider für die allerletzten Läufer nicht

genug Folien übrig. Das war schon traurig.

Als Fazit kann ich sagen: ein ganz besonderes Erlebnis. Jede Läuferin

und jeder Läufer sollte einmal als Helfer arbeiten, um sich selber mit

anderen Augen zu sehen. Insgesamt waren beim diesjährigen Berlin-Marathon

gut 6000 freiwillige ehrenamtliche Helfer im Einsatz. Ohne diesen Einsatz

wäre weder dieser Lauf noch sonst ein Marathon möglich. Ohne die

Helfer wäre Marathon nie so weit gekommen. Erst heute kann ich diese

Leistung wirklich einschätzen.

Danke für die Erfahrung.

 

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