Sabrina Mockenhaupt und Michael Wolf gut aufgelegt – Trotz
Handicap zum Sieg: Edith Masai – Ärger um Jungstar: Wolfram
Müller verweigerte auf der Galoppbahn – Finale im Deutschen
Cross-Cup – Jan Förster siegt in Maximalpunktzahl bei der
Jugend
Bestbesetzung bei den Frauen, couragiertes Auftreten einiger der deutschen
Spitzenläufer, mit 999 Teilnehmern Melderekord, bestes Crosswetter –
und trotzdem wollte bei den Verantwortlichen der Veranstaltergemeinschaft bei
der 8. ASICS-Cross-Challenge auf der Neusser Galopprennbahn keine rechte Freude
aufkommen. Jungstar Wolfram Müller war der Stein des Anstoßes. Der
20jährige aus Pirna entschloss sich kurzerhand nach der
Streckenbesichtigung nämlich zum Nichtstart. „Die Strecke würde
mir schon Spaß machen, aber bei dem tief gefrorenen Boden ist mir das
Risiko zu groß. Ich bin gut drauf, habe gute Trainingsergebnisse,
bräuchte also vor niemand Angst haben. Doch vor Beginn der Hallensaison
und des EM-Jahres habe ich keine Lust, eine Verletzung zu riskieren!“
Gesagt, getan – und die Veranstalter schoben Frust. Schließlich
hatten die Challenge-Macher in erster Linie auf das deutsche Multitalent im
Kampf gegen die afrikanische Läufergarde gesetzt. „Ich bin tief
enttäuscht über das Verhalten von Wolfram Müller!“
wetterte Volker Koch, der sportliche Leiter der Cross-Challenge. „Wenn
ich denke, im Cross nicht zurecht zu kommen, dann laufe ich auch keinen. Es ist
kein Stil, sich anzumelden, sich als Zugpferd verkaufen zu lassen und dann
wegen des gefrorenen Bodens, den zuvor schon Hunderte von Schülern
gelaufen waren, den Start abzusagen!“
Zwangsläufig mussten dann vornehmlich die prominenten Läuferinnen
aus Kenia für den Höhepunkt einer klasse Crossveranstaltung setzen,
der nach Einschätzung vieler Experten einer „kleinen DM“
gleichkam. Letztlich Lob und Anerkennung für die ASICS-Cross-Challenge,
die einmal mehr atmosphärischer Finallauf des Deutschen Cross-Cup war. Was
wäre aber der Auftritt der Weltklasseathleten Edith Masai und Leah Malot
gewesen, wenn nicht eine mit unbändigem Kampfgeist bis auf die lange
Zielgeraden unvermindert gegenhaltende Sabrina Mockenhaupt über sich
hinaus gewachsen wäre? „Ich wollte allen in Neuss zeigen, was ich
tatsächlich drauf habe. Denn bei der EM in Thun lief es wirklich nicht gut
bei mir!“ unbekümmert plauderte das nur 1,55 m große
Energiebündel aus dem Siegerland über den Husarenstreich, der
letztlich doch nur zu Rang drei ausreichte. „Ach, es ist schon ein tolles
Gefühl, neben diesen beiden Klasseläuferinnen laufen zu
können!“ Aber nicht nur Sabrina Mockenhaupt wusste im Konzert der
Elite eine starke Rolle zu spielen, sondern auch Marathonfrau Sonja Oberem, die
nach zwischenzeitlich geringem Rückstand in der Schlussrunde sogar wieder
zum Führungstrio aufschließen konnte. Im furiosen Finale zwar mit
Rang vier vorlieb nehmen musste, aber aufgedreht kommentierte: „Ich habe
nicht gedacht, dass ich vier Wochen nach meinem Sieg beim Athen-Marathon meine
Beine so schnell bewegen kann!“
Eine kaum messbare Leistung aber zeigte die letztlich im Spurt gegen ihre in
drei Rennen ungeschlagene Landsfrau Leah Malot erfolgreiche Edith Masai, die
gut und gerne eine (!) Minute nach dem Startschuss erst das Rennen aufgenommen
hatte. „Edith hatte den Schlüssel zum Auto nicht gefunden, wo ihre
Laufutensilien lagen“, gab Managerin Dorothee Paulmann eine überaus
plausible Erklärung. Die Ruhe, die die Cross-WM-Dritte von Ostende
allerdings in den Minuten bis zu ihrem eigenen Start bewahrte, das ist schon
ein Phänomen für sich. Durch das komplette Frauenfeld arbeitete sich
Edith Masai im Sauseschritt letztlich nach vorne und konnte sich in der
Schlussrunde sich sogar mit spielerischer Eleganz für den Schlussspurt
rüsten. „Ich habe gebetet, dass ich die Spitze noch erreichen
würde“ erklärte sie den ungläubig Herumstehenden über
ihre Gefühle nach dem verpassten Start.
So sehr sich auch ein glänzend aufgelegter Michael Wolf bemühte,
das Husarenstück der Sabrina Mockenhaupt konnte er nicht wiederholen. Dazu
„spielten“ die Afrikaner zu sehr mit der Konkurrenz im
anspruchsvollen Galopprennbahn-Gelände, der Leverkusener landete aber
gleichfalls auf Rang drei hinter dem erstmals im Cross gestarteten
Überraschungssieger Sileshi Sihen aus Äthiopien und dem Kenianer
Hosea Kipurgat Kogo. „Heute ging es noch einen Schlag besser als in der
Vorwoche in Thun. Aber leider ist nun für mich als Marathonläufer die
Cross-Saison schon wieder vorbei, denn mein Augenmerk gilt alleine der
Vorbereitung auf den Hamburg-Marathon!“ Michael Wolf legte vom Start weg
ein hohes Tempo vor, dem alleine afrikanische Läufer folgen konnten.
„Es ist erschreckend, dass ich mit drei Wochen crossähnlichem
Training schon die Nummer eins bei uns bin. Das zeigt leider unser derzeitiges
Langstreckenniveau“, urteilte gewohnt kritisch Michael Wolf.
Keine Überraschungen gab es im Finallauf des Deutschen Cross-Cup, da
die hierzulande die Laufszene dominierenden Läuferinnen wie Irina
Mikitenko und Luminita Zaituc wegen anderweitiger Planung bzw. Verletzung nicht
oder kaum in Erscheinung traten, sodass in verstärktem Maße die
„zweite Reihe“ in der Gesamtwertung zum Zuge kam. In Abwesenheit
der stärksten deutschen Langstrecklerinnen holte sich die 20jährige
Tina Tremmel aus Eckmannshausen den Deutschen Cross-Cup bei Frauen, zudem auch
in der Klasse der Juniorinnen. Bei den Männern blieb der in Neuss nur auf
Rang zwölf einlaufende Oliver Mintzlaff in der Punktewertung vor dem in
Köln und Darmstadt siegreichen Mario Kröckert vorne, der wegen
Erkrankung in Neuss fehlte. Einen nachhaltigen Eindruck hinterließ Jan
Förster bei der männlichen A-Jugend, der nach dem deutschen
Crosstitel im Frühjahr in Regensburg die im Herbst ausgetragenen
Wettbewerbe in Köln, Darmstadt und nun auch in Neuss mit zum Teil
erheblichen Vorsprung gewann und somit die Maximalpunktzahl erreichte. In
Abwesenheit der U 20-EM-Dritten Antje Hoffmann (Halle) gewann Michaela Schedler
die A-Jugendklasse, während die in Neuss als schnellste Jugendliche
auftrumpfende 17jährige Claudia Kahl (Rostock) B-Jugend-Gewinnerin
wurde.
Wilfried Raatz