Unter der Überschrift „Schlecht trainiert zum Marathon – das tut dem Herzen nicht gut“ verbreiteten unterschiedliche deutsche Tageszeitungen am 13. Dezember 2006 pauschale Aussagen über die gesundheitsschädigende Wirkung des Marathonlaufens. Die Autoren beriefen sich dabei auf eine Studie der amerikanischen Zeitschrift „Circulation“. Die Experten aus dem Medical Team des BERLIN-MARATHON sehen sich veranlasst, die Aussagen der Autoren richtig zu stellen, denn die Originalarbeit in „Circulation“ (Bd.114, S.2325) vom Forscherteam um Malissa Wood von der Harvard Universität kann dieses Fazit keineswegs bestätigen.
Dr. med. Lars Brechtel und Jürgen Lock vom BERLIN-MARATHON sowie PD Dr. med. Adrian Borges, Dr. med. Fabian Knebel und Dr. rer. medic. Sabrina Schroeckh von der Charité Campus Mitte Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Kardiologie und Angiologie kritisieren die unsachgemäße Auseinandersetzung der Redakteure mit der amerikanischen Studie. In der Originalarbeit wird weder behauptet, dass bei den untersuchten Läufern eine klinische Symptomatik hinsichtlich einer Herzschädigung bestand, noch dass mit Marathonlaufen das Krankheitsbild eines pulmonalen Hochdrucks einhergeht, so wie die Autoren fälschlicher Weise behauptet haben. Die biochemischen sowie echokardiographischen Veränderungen sind lediglich im Zeitraum von 20 min nach Zielankunft und nicht in den Folgetagen registriert worden, wobei die Autoren auch einschränken, dass das Ausmaß möglicherweise auch durch längere Laufzeiten, welche naturgegeben auch mit geringen Trainingsumfängen einhergehen, bestimmt sein könnte. Einen kausalen Zusammenhang zwischen (physiologischen) Reaktionen und anamnestischen Daten wie dem Trainingspensum herzustellen, erlaubt aber die durchgeführte statistische Methode der Korrelation nicht. Letzte ermittelt nur einen prädiktiven Wert, d.h. einen Vorhersagewert, ohne dass ein Ursache-Wirkungsprinzip abgeleitet werden kann.
Weiterführende Studie des BERLIN-MARATHON
Der BERLIN-MARATHON und die Charité Mitte, die beim letztjährigen Marathon eine ähnliche, jedoch darüber hinausgehende Studie mit 80 männlichen Marathonläufern im Alter von 50 Jahren und älter durchgeführt haben, weisen eine derartige Pauschalierung bei der Verwertung von wissenschaftlichen Publikationen entschieden zurück. Genaue Kenntnisse der Sportmedizinischen Studienlage würden die getroffenen Behauptungen deutlich relativieren. Ein Troponin-Anstieg ist nicht nur bei einem Herzinfarkt oder Herzmuskelentzündungen zu beobachten, sondern auch beim Marathon-Laufen. Ob dieser Anstieg einen Krankheitswert hat, ist nicht geklärt. Dr. med. Knebel - selbst Marathonläufer und Kardiologe an der Charité - weist darauf hin, dass nunmehr durch die Studie beim BERLIN-MARATHON der Nachweis erfolgen kann, dass es sich dabei um eine passagere Reaktion des Herzmuskels auf die Belastung beim Lauf handelt und nicht – wie beim Infarkt – anhaltende Veränderungen, wie z.B. Narben oder Rhythmusstörungen entstehen.
Studien konnten zeigen, dass bei Leistungssportlern gemessene Troponinwerte nach einigen Tagen nicht mehr erhöht sind. Die Verantwortlichen der Medizinischen Versorgung beim BERLIN-MARATHON Jürgen Lock und Dr. med Lars Brechtel unterstützten derartige Studien, da der Studienansatz geeignet ist, die in Circulation publizierten Ergebnisse auch bei über 50-jährigen Marathonläufern zu prüfen. Somit stellt die Studie weltweit die erste fundierte Untersuchung auch in Bezug auf eine mögliche Altersabhängigkeit dar. Neben den Troponinwerten wurde auch in Berlin eine Beurteilung mit Hilfe der Dopplerechographie durchgeführt.
Gegen die Circulation-Studie kann man, so Dr. med. Knebel einwenden, dass dort Daten aus verschiedenen Jahren zusammengetragen wurden (2 unterschiedliche Laufjahre mit unterschiedlichem Wetter etc.) und keine Nachuntersuchungen durchgeführt wurden. Auch wurde nicht berücksichtigt, welchen Einfluss der Flüssigkeitsverlust hatte. Zudem war die Gruppe der untersuchten Läufer sehr inhomogen (Frauen und Männer im Alter von 21 – 65 Jahren), was die Aussagekraft schmälert. Die beim BERLIN-MARATHON 2006 durchgeführte Studie hat versucht, diese Schwächen der Circulation-Studie zu vermeiden. Die Studienergebnisse werden für Ende des I. Quartals 2007 erwartet.
Für wenig aussagekräftig halten die Experten auch die Überinterpretation, je weniger die Leute trainiert sind (56 Kilometer/Woche in den letzten 4 Monaten) umso ungünstiger waren die „Herzschädigungen“. Die Vorbereitung eines Marathons geht mit einer deutlich längeren Vorbereitungszeit einher. Eine Reduktion auf die letzten 4 Monate ist somit nicht statthaft. Insbesondere bei Vorbereitung des Boston-Marathons sind auch relativ strenge Qualifikationszeiten zu erfüllen, welche sicherlich nicht von „schlecht trainierten“ Läufern erreicht werden können, wie in dem Artikel suggeriert wurde.