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Grete Waitz - ein Laufidol verändert eine Stadt

Grete Waitz macht Oslo jedes Jahr - zumindest für einen Tag - zur Stadt

der Frauen:

Zwischen 30 000 und 40 0000 Frauen machen in jedem Frühjahr die Stadt

unsicher.

Seit 1984 findet in Oslo der Grete-Waitz-Lauf statt, der Frauenlauf, der

weltweit

die meisten Teilnehmerinnen aufweisen kann. Ins Leben gerufen hat ihn die

norwegische

Lauflegende Grete Waitz, die neun Mal den New York Marathon gewonnen hat, und

die sich

bis heute für Frauen im Freizeit- und Breitensport einsetzt. Der Lauf geht

über 5 km

und er führt vom Frogner-Skulpturen-Park im Herzen Oslos in das

berühmte Bislett

Stadium (vor dem ihr eigenes Denkmal steht).

Am ersten Lauf 1984 nahmen 3300 Frauen teil, bis Mitte der 90er Jahre war

die Zahl

der Läuferinnen auf ca. 50 000 angewachsen, und das, obwohl Oslo nur 500

000 und

ganz Norwegen nur 4,4 Millionen Einwohner/innen hat. Ein relativ geringer

Prozentsatz der Teilnehmerinnen läuft in der "Eliteklasse" oder

der "Wettkampf-

klasse" um Meter und Sekunden. Der überwiegenden Mehrheit reicht es,

am Ziel

anzukommen und eine Teilnehmerinnenmedaille zu erhalten. Die meisten

joggen

langsam, viele walken, manche haben einen Kinderwagen dabei, andere singen

oder

führen zwischendurch eine kleine Tanzeinlage vor. An diesem Tag steht

jedenfalls

Oslo ganz im Zeichen der Frauen und des Frauenlaufs.

Ziel ist es nach Grete Waitz, Frauen jeden Alters zu motivieren, Laufen

als

freudvollen Sport zu erleben.

Eine Befragung von Läuferinnen, die meine Kollegin Kari Fasting von der

Norwe-

gischen Sportuniversität, durchgeführt hat, ergab, daß die

überwiegende Mehrzahl

der Teilnehmerinnen vom Lauf begeistert war, und das trotz mancher

Organisations-

probleme, mit denen die Läuferinnen wegen der riesigen

Teilnehmerinnenzahlen beim

Start und beim Ziel zu kämpfen hatten. Auch die Laufstrecke von 5 km wurde

von

fast allen für richtig gehalten. Die Fragen nach Alter, Beruf,

Familienstand

zeigten, daß die Läuferinnen im großen und ganzen ein Abbild

der weiblichen

Bevölkerung Norwegens sind - mit einer Ausnahme, Frauen mit höherer

Bildung waren

etwas überrepräsentiert. 1999 war die älteste Läuferin

übrigens 100 Jahre alt,

das Durchschnittsalter Betrug 41, 5 Jahre. Und es sind jedes Jahr viele

"Einsteigerinnen" dabei, von denen aber fast alle überzeugt

waren, daß sie im

nächsten Jahr wieder teilnehmen wollten Es ist nicht verwunderlich,

daß die

befragten Läuferinnen in ihrer Freizeit sportlich aktiv sind. Etwa die

Hälfte

von ihnen gab an, regelmäßig ein oder zweimal wöchentlich

intensiv Sport zu

treiben, allerdings hielten sich die meisten nicht mit Laufen, sondern

mit

Wandern fit. 22 % der befragten Teilnehmerinnen trainierten extra für den

Grete-

Waitz-Lauf, für diese Gruppe war der Lauf Anlaß und Anreiz zu

sportlicher

Betätigung. Nur 45 % der Läuferinnen waren in einem Sportverein

aktiv.,

65 % gehörten keinem Sportverein an. Diese Befragungsergebnisse machen

deutlich,

daß der Grete-Waitz-Lauf gerade auch Frauen anspricht, die nicht ohnehin

zur

"Laufszene" gehören und die nicht organisiert Sport treiben.

Typisch für den Frauenlauf in Oslo ist, daß Frauen in Gruppen

laufen. Nur 5 %

der von meiner Kollegin befragten Teilnehmerinnen liefen alleine, die

anderen

mit Freundinnen, Kolleginnen oder Familienmitgliedern, oft Mütter mit

ihren

Töchtern. Typisch ist auch, daß der Lauf Partyatmosphäre hat.

Manche Gruppen

treffen sich schon vorher, um gemeinsam im Park zu picknicken und zu

feiern,

und daß hinterher ein großes Fest steigt, ist klar.

Und es ist üblich, sich zu verkleiden, Dabei wenden die Frauen viel

Phantasie

auf: So tragen Betriebskolleginnen oft ihre Berufskleidung: Dann laufen

da

Krankenschwestern, Kellnerinnen, Soldatinnen oder Polizistinnen, manche

verkleiden sich auch als Hexen oder Clowns.

Was motiviert so viele Frauen, an diesem Lauf teilzunehmen?

In der erwähnten Befragung meinten fast alle: Es macht Spaß -

oder die

Atmosphäre ist toll, oder es ist wie eine große Party. Bei weiteren

Nachfragen,

was es denn sei, was so viel Spaß mache - kamen Antworten wie: Es ist

die

Gemeinschaft, die Gruppe, und die gemeinsame Aufgabe: "Wir treffen uns

schon

Wochen vorher, wir laufen zusammen und wir denken uns Kostüme aus und

fertigen

sie an", meinte eine der Läuferinnen. Eine andere betonte: "Das

ist doch eine

tolle Show, da sieht man was Frauen alles auf die Beine stellen

können." Und

eine 85jährige die mit ihren beiden 74 und 68jährigen Freundinnen

unterwegs war,

meinte: "Ich finde das toll, daß jede der anderen hilft - jede ist

Siegerin,

es gibt gar keine Verlierer ... und man kann teilnehmen, auch wenn man

nicht

gut in Form ist."

Auf die abschließende Frage, warum so viele Frauen am Osloer

Frauenlauf teilnehmen,

nannten die Frauen fünf Gründe: Alle können mitlaufen; man

fühlt sich gut

aufgehoben in der Gemeinschaft, die Atmosphäre ist locker, es macht

einfach Spaß

und es machen nur Frauen mit. Meine norwegische Kollegin, für die der

Grete-

Waitz-Lauf einer der wichtigsten Termine in ihrem Terminkalender ist,

meinte,

als ich sie bat, mir ihren Eindruck vom Grete-Waitz-Lauf zu schildern:

"Der

Frauenlauf in Oslo ist alles zugleich, Sportereignis, Spektakel,

Karneval,

Frauentreffen ... kurz ein riesiges Happening. Die Frauen haben ihren

Spaß,

während des Laufes und danach, wenn sie - oft mit ihren Familien - ihren

Erfolg

feiern, und Erfolg heißt hier: angekommen zu sein."

Manche Männer sehen das allerdings anders. In einer Zuschrift an die

norwegische

Zeitschrift "Verdens Gang" empörte sich ein Leser: "Der

Grete-Waitz-Lauf sei

für Frauen aus ländlichen Gebieten doch nur ein Anlaß, von

ihren Männern

wegzukommen, sich zu besaufen und die Osloer Busfahrer anzumachen." Wer

wissen

will, ob dies stimmt, der sollte im nächsten Mai nach Oslo fahren und es

nachprüfen.

Prof. Dr. Dr. Gertrud Pfister (FU Berlin)

PS: In Skandinavien haben die Frauen mit Sicherheit eine andere Einstellung

zum

Laufen und zum Sport. Aufgrund ihrer Erziehung, der sportlichen Einstellung

von

Kindesbeinen an, ihrer Emanzipation, der stärkeren Einbindung zur Natur

lassen

Frauenläufe aus den Nähten platzen. Der "Tjemilen" in

Stockholm hat über 30.000

Teilnehmerinnen. Über ganz Schweden verteilt existiert eine

Frauenlaufserie, die

über 10.000 Frauen in den jeweils mittelgroßen Städten an den

Start bringt. Auch

in Helsinki findet ein Frauenlauf mit annähernd 30.000 Teilnehmerinnen

statt und

ist ein weiteres Musterbeispiel für die Attraktivität des

Frauensports.

Was hindert eigentlich die deutschen Frauen sich ebenso dem Laufsport zu

verschreiben?

SCC Running

 

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