In Kooperation mit RUNNER’S WORLD erscheint hier jeden Monat ein Thema aus dem aktuellen Heft.
Viele lächeln über Menschen, die mit Stöcken gehen, Witze kursieren.
Höchste Zeit, sich mit diesem Phänomen zu beschäftigen
Die Fronten scheinen abgesteckt: Hier die Fraktion der
Sportartikel-Industrie, die in Nordic Walking (NW) einen Mega-Trend
sieht, dazu die Sportgeschäfte, die ihre Lager leer sehen wollen und
froh sind über jeden Trend, sowie alle Anbieter von NW-Kursen im
Verbund mit verschiedenen NW-Verbänden und Instituten, die
NW-Instruktoren ausbilden. Dort die Skeptiker, daneben die Spötter.
Letztere zu finden in den Feuilletons von Tageszeitungen, im SPIEGEL
sowieso, oft genug auch unter Läufern. Was steckt hinter dieser
überschwenglichen Begeisterung, was verbirgt sich hinter der Skepsis
bei diesem Thema?
Ich finde es gut und positiv, wenn sich Menschen in ihrer Freizeit
sportlich betätigen. Vor allem wenn dies wie bei Nordic Walking eine
Klientel betrifft, die bisher gar nicht oder so gut wie nie freiwillig
körperlich aktiv war, vor allem ältere Menschen. Man muss die Zahlen,
die über Nordic Walker kursieren, ja nicht unbedingt glauben,
orientieren sie sich doch vornehmlich an Orderangaben der Industrie.
Doch wer draußen unterwegs ist in den Parks und Wäldern, kann die
Menschen mit ihren Stöcken ja nicht mehr übersehen. Was sie da treiben,
ist in jeder Hinsicht zu begrüßen, meine ich, egal wie es aussehen oder
erscheinen mag.
Der Spiegel fand immer wieder ein Thema
Wer lange genug im Laufschritt unterwegs ist, kann sich noch gut daran
erinnern, wie man als Läufer verspottet, wenn nicht sogar regelrecht
angemacht wurde. »Einszweieinszwei«, »hopphoppschneller« galt als
mildere Form des Spotts, die Steigerung lautete: »Haste nix Besseres zu
tun, geh lieber arbeiten.« Und der SPIEGEL fand immer wieder ein Thema,
um Läufer als nicht ganz ernst zu nehmende Spezies abzutun, Laufen gar
als gefährlich für die Gesundheit darzustellen. Da kommt die
Standard-Bemerkung gegenüber Nordic Walkern »na, Sie ham’ wohl Ihre Ski
vergessen« (haha) geradezu harmlos daher.
Wer sich als Läufer herablassend über Nordic Walker äußert,
hat vermutlich gewisse Probleme mit dem Selbstwertgefühl. Spaziergänger
oder Wanderer bewegen sich ebenfalls, erfreuen sich aber allgemeiner
Akzeptanz.
Andererseits finde ich die künstliche Verkomplizierung von
Nordic Walking einigermaßen lächerlich. Stichwort Technik: Da
verunsichert man sportlich bisher unbedarfte Menschen, sobald sie ihre
Stöcke gekauft haben. Man müsse unbedingt die richtige Technik
erlernen, heißt es, da es sonst nichts bringe oder gar gefährlich
würde. Die Urheber solcher »Kampagnen« sind vor allem NW-Instruktoren
und Buchautoren, die an Unbedarftheit kaum zu überbietenden
Redaktionsschreiber aller Blattsorten sowie elektronische Medien
inklusive.
Bei RUNNER´S WORLD wollen wir Nordic Walking als das sehen,
was es ist: eine einfache Form der Bewegung, die für jeden geeignet
ist, nicht mehr und nicht weniger. Man benötigt dazu weder einen Kurs,
noch ein Buch und schon gar keinen persönlichen Trainer. Was im
eigentlichen Sinne verwundert, ist für mich lediglich, dass niemand
mehr über Walking spricht.
Thomas Steffens, Chefredakteur