In Kooperation mit RUNNER’S WORLD erscheint hier jeden Monat ein Thema aus dem aktuellen Heft
Ebenso wie das Halbmarathontraining ein Mix aus 10-km- und Marathon-Vorbereitung darstellt, ist dies auch die Renntaktik bzw. Renneinteilung. Wie beim Marathon muss man auf den ersten Kilometern vorsichtig starten und sich zurückhalten. Denn auch beim Halbmarathon geht es um die richtige Einteilung der verschiedenen Energien.
Auf der einen Seite das schnell verwertbare Glykogen (Kohlenhydrate), welches aber nur begrenzt vorhanden ist, auf der anderen Seite das ausreichend eingelagerte Fett, welches aber nur bei langsamem Tempo verstoffwechselt werden kann. Anders als beim Marathon gilt: Wer seine Glykogen-Reserven durch ein der Leistungsfähigkeit angemessenes Anfangstempo richtig einteilt, kommt nie in ein Energieloch (beim Marathon die bekannte „Mauer“). Und natürlich gilt auch: Wenn Sie beim Halbmarathon am Anfang nun doch überziehen, ist die schwere Phase ohne ausreichende Glykogen-Versorgung sehr viel kürzer als beim Marathon. Der Schlüssel zum Halbmarathon-Erfolg ist es, das Tempo zu treffen, was exakt an der schon erwähnten aerob-anaeroben Schwelle liegt. Eines ist gewiss: Es liegt im Grenzbereich zwischen 85 und 90 Prozent der maximalen Herzfrequenz, also sollten die ersten Kilometer keinesfalls über den 85 Prozent der HFmax liegen.
Kilometer für Kilometer
1. km
Ordnen Sie sich in einem Startbereich ein, der Ihrem Zeitziel (bzw. Ihrer Leistungsfähigkeit) entspricht. Nutzen Sie den ersten Laufkilometer nur zum „einrollen“, also starten Sie mit dem Startschuss nicht durch, sondern lassen Sie es bewusst ruhig angehen.
2.-3. km
Nehmen Sie mit dem zweiten Kilometer das angestrebte Lauftempo auf, kontrollieren Sie an der zweiten Kilometermarkierung Ihre Zwischenzeit. Versuchen Sie eine Gruppe von Läufern zu finden, die Ihr Tempo läuft. In der Gruppe zu laufen, spart Energie, gerade bei Wind.
3.-5. km
Fühlen Sie sich zwischen Kilometer drei und fünf vom angestrebten Tempo unterfordert, halten Sie es dennoch. Es ist noch zu früh zu forcieren. Fühlen Sie sich vom angestrebten Tempo schon überfordert, werden Sie nicht schleichend langsamer, sondern verlangsamen Sie das Tempo bewusst und plötzlich um etwa zehn bis 15 Sekunden pro Kilometer und warten Sie ab, ob es Ihnen dabei besser geht.
5.-10./12. km
Versuchen Sie bis zur Streckenhälfte bewusst sehr entspannt zu bleiben. „Drücken“ Sie nicht auf Passagen, die z. B. leicht bergauf gehen oder gegen den Wind. Zwischen Kilometer fünf und zehn (bis zwölf) ist die Zeit, die Gedanken schweifen zu lassen. Top-Athleten „lösen“ sich in dieser Rennphase von ihrem Körper. Besser gesagt: Sie haben ihr Tempo gefunden und es zu halten bedarf (noch) keiner Anstrengung, respektive „Aufmerksamkeit“.
12.-15. km
Auch bei einer realistischen Zielsetzung bedarf es auf der zweiten Streckenhälfte des Halbmarathons eines Körpereinsatzes. Das heißt, ab Kilometer zwölf bis 15 fällt es Ihnen zunehmend schwerer das Tempo zu halten. Jetzt müssen Sie sich wieder ganz auf Ihren Körper konzentrieren und die Einhaltung der Zwischenzeiten kontrollieren. Eventuell heißt das, Sie müssen Druck machen. Das Tempo fällt einfach nicht mehr leicht.
15.-19. km
Die ersten fünf Kilometer sind Spiel, die Kilometer fünf bis 15 Ernst und nach Kilometer 15 beginnt der (Wett)Kampf. Auf dem letzten Streckenviertel dürfen Sie jegliche Contenance fahren lassen. Jetzt müssen Sie sich gegen die Müdigkeit auflehnen und es fällt zunehmend schwerer, die Zwischenzeiten einzuhalten. Doch Sie schaffen es, wenn Sie die Zähne zusammenbeißen. Aber Achtung: Die große Herausforderung ist es, noch nicht alles zu geben. Klar, jetzt kommen Sie auch außer Atem, aber nicht in Atemnot. Eine gleichmäßige Atmung ist weiterhin möglich und Ihre Laufschritte bzw. -bewegungen sind weiterhin koordiniert.
19.-20. km
Auf den vorletzten Kilometern dürfen Sie schließlich nahezu alles geben. Manch einer wird überrascht sein, was mit dem Ziel vor Augen noch möglich ist. Andere werden es nur noch austrudeln lassen. Oberste Maxime ist: Nur soviel geben, wie ein runder (!) Schritt zulässt. Beginnen Sie zu wackeln, wanken, rudern, dann müssen Sie das Tempo reduzieren.
21. km
Die letzten 400 Meter eines Halbmarathons kann man auch bei kompletter Sauerstoffschuld sprinten... aber rausholen können Sie auf diesen letzten Metern nur ein paar Sekunden. Wir empfehlen, das Tempo eher wieder etwas zu reduzieren, um den Zieleinlauf zu genießen und lächelnd, nicht hechelnd zu finishen… außer Sie kämpfen um eine der legendären Barrieren: 1:30:00 Stunden, 2:00:00 Stunden. Da weiß schließlich später keiner mehr, wie Sie diese unterboten, sondern nur, dass Sie dies taten. Viel Erfolg!
Martin Grüning
Ein realistisches Zeitziel errechnen
So errechnen Sie Ihr realistisches Zeitziel für die Halbmarathon-Distanz: Nehmen wir an, Sie haben in der Vorbereitung an einem 10-Kilometer-Wettkampf teilgenommen und wollen aufgrund dieses Ergebnisses Ihre Halbmarathon-Zielzeit errechnen. Der Multiplikationsfaktor für den Halbmarathon, ausgehend von der 10-km-Strecke, ist 2,223. Damit multiplizieren Sie Ihre 10-km-Bestzeit. Heraus kommt Ihre realistische Halbmarathon-Endzeit.
5 km | 10 km Halbmarathon | ||
5 km | 1,000 | 2,099 | 4,667 |
10 km | 0,476 | 1,000 | 2,223 |
Beispiel:
Sie haben eine 10-km-Bestzeit von 40 Minuten und wollen daraus die Halbmarathon-Zielzeit errechnen. Sie multiplizieren also Ihre 10-km-Zeit mit dem Faktor 2,223 und erhalten eine realistische Endzeit von etwa 1:29 Stunden. Ein anderes Beispiel: Sie haben eine Marathon-Bestzeit von 4:00 Stunden. Multiplizieren Sie nun diese Zeit mit dem Halbmarathon-Faktor von 0,476, dann erhalten Sie als realistische Halbmarathonzeit 1:54 Stunden.
Diese Tabelle gibt einen Überblick:
aktuelle |
realistische |
30:00 min |
66 min |
Trainingpläne für verschiedene Halbmarathon-Zielzeiten finden Sie in der RUNNER’S WORLD-März-Ausgabe 2007 und unter: www.runnersworld.de/home