Beim ISTAF im Berliner Olympiastadion sorgte Hicham El Guerrouj mit seinem
2000-m-Weltrekord von 4:44,79 Minuten für den Höhepunkt des
Golden-League-Finales. Dafür erhielt er eine Prämie von 50.000
Dollar. Anstatt 100.000 Dollar zu verdienen, hatte Hicham El Guerrouj noch bei
den Weltmeisterschaften in Sevilla lieber ein paar Kusshändchen ins
Publikum geworfen. Auf den letzten Metern eines großen 1500-m-Finales,
als feststand, dass der Marokkaner seinen Titel verteidigen würde, wurde
der 24-Jährige langsamer und freute sich, anstatt mit vollem Tempo
durchzuziehen. So tickten die Sekunden am Weltrekord von 3:26,00 Minuten
vorbei, und Hicham El Guerrouj lief mit 3:27,65 lediglich die
fünftschnellste Zeit aller Zeiten. Dass er dadurch die
100.000-Dollar-Weltrekordprämie verschlenderte, ärgerte den
Marokkaner jedoch nicht im Geringsten. "Ich wollte den Augenblick
genießen und lieber meiner Familie, meinen Freunden und den Menschen in
Marokko zuwinken. Es ging mir nicht um den Weltrekord - den habe ich ja
schon", sagte Hicham El Guerrouj, der für seinen Sieg aber noch
60.000 Dollar erhielt.
"Geld spielt für ihn keine Rolle", erklärte sein Manager
Aziz Daouda. "Seine Einkünfte werden direkt auf die Bank
überwiesen und landen auf einem Konto, das verschlossen ist." Der
schnellste 1500-m-Läufer der Welt besitzt demzufolge ein Sperrkonto, das
erst zum Karriereende geöffnet werden soll. "Nein, wir gucken nicht
nach und kennen keinen Kontostand", erklärt der Manager für den
nicht Englisch sprechenden Hicham El Guerouj. "Umso größer wird
am Ende die Überraschung sein." Bevor der marokkanische Nachfolger
Said Aouitas abtritt, dürfte aber noch die eine oder andere Million Dollar
verbucht werden. Denn ein Karriereende ist für den 24-Jährigen noch
längst kein Thema. Hicham El Guerrouj hat noch große Pläne. Und
Aziz Daouda traut seinem Athleten noch einiges zu: "Ich habe schon 1979
gesagt, dass über 1500 m eine Zeit unter 3:30 Minuten möglich ist und
es über 5000 m Ergebnisse unter 13 Minuten geben wird. Damals wurde ich
für verrückt erklärt. Doch Said Aouita lief dann als Erster
diese Zeiten, und heute erreichen das viele. Heute sage ich, Hicham kann 3:24
und 12:10 Minuten laufen."
Dass der Mittelstreckenläufer auch mit längeren Distanzen kein
Problem hat, das hatte Marokkos Nachfolger von Said Aouita erst vier Tage vor
dem ISTAF bewiesen. Beim Golden-League-Meeting in Brüssel lief er das
erste 3000-m-Rennen seines Lebens und hatte einen sensationellen Einstieg in
die Langstrecke. Mit 7:23,09 Minuten verfehlte er den Weltrekord von Daniel
Komen (Kenia) lediglich um zweieinhalb Sekunden. Es war auf Anhieb die
zweitschnellste Zeit aller Zeiten. Selbst der Serien-Weltrekordler Haile
Gebrselassie (Äthiopien) hat in verschiedenen Versuchen nie ein solches
Ergebnis erreicht. "Es gab keine Enttäuschung, den Rekord verpasst zu
haben, denn es war, verglichen zu anderen Athleten, ein großer Einstieg
über 3000 Meter", sagte der Manager des Läufers, Aziz Daouda.
Selbst im Training hatte Hicham El Guerrouj nach Auskunft seines Managers zuvor
keinen Test über eine längere Distanz gestartet.
In Berlin brach er den letzten Weltrekord von Noureddine Morceli (Algerien).
Morceli war übrigens der Ausgangspunkt für die schwärzeste
Stunde in der Karriere des Hicham El Guerrouj. Ausgerechnet im olympischen
1500-m-Finale stolperte der Marokkaner 1996 in Atlanta unglücklich
über das Bein des Algeriers, der schließlich gewann. Hicham El
Guerrouj war am Boden - doch nur kurze Zeit. Ein Anruf des damaligen
marokkanischen Königs Hassan II richtete den Läufer wieder auf.
"Er erklärte ihm, er sei noch jung, und dies sei nicht der
Weltuntergang. Alle Marokkaner würden ihn als Sieger ansehen",
erzählte Aziz Daouda, und Hicham El Guerrouj sagte später: "Nach
diesem Anruf des Königs war es, als wenn ein neuer El Guerrouj geboren
worden ist." Und auch die Anerkennung auch des neuen Königs Mohammed
VI ist Hicham El Guerrouj gewiss. Aziz Daouda sagt: "Wir haben in Marokko
keine Sponsoren für die Leichtathletik, aber dafür haben wir den
König."