Die Entdeckung der Hallensaison im Olympiajahr heißt Juri Borsakowski.
Wer den 18-jährigen russischen 800-m-Läufer beispielsweise in
Dortmund oder bei den Hallen-Europameisterschaften in Gent gesehen hat, der
weiß, dass es im Sommer ein hochinteressantes Duell geben wird:
Weltrekordler Wilson Kipketer (Dänemark) muss sich etwas einfallen lassen,
um in Sydney gegen den Youngster zu seinem ersten Olympiasieg zu laufen. In
sensationeller Manier rannte Borsakowski beim Meeting in Dortmund zum
Junioren-Weltrekord in 1:44,35 Minuten, einen Monat später ließ er
bei der EM wiederum Nils Schumann (Großengottern) keine Chance. In beiden
Rennen rollte der Russe jeweils das Feld von hinten auf. Und sein Spitzname
sagt eigentlich schon alles: "Juri der Kenianer".
In einer sehr kurz gehaltenen Hallensaison hat auch der kenianische
Däne Wilson Kipketer überzeugt. In Stuttgart verbesserte er den
1000-m-Hallenweltrekord auf 2:15,25 Minuten, in Birmingham steigerte er diese
Marke zwei Wochen später sogar auf 2:14,96.
Noch ein zweiter Läufer verdiente sich beim Meeting in Mittelengland
die Weltrekordprämie von 50.000 Dollar. Nachdem Haile Gebrselassie
(Äthiopien) auf einen Start über die Zwei-Meilen-Distanz
verletzungsbedingt verzichten musste, sprang ein Landsmann in die Bresche:
Statt Haile lief Hailu Weltrekord. Hailu Mekonnen rannte 8:09,66 Minuten und
hatte damit eine Uralt-Bestzeit unterboten. 1973 war der Belgier Emiel
Puttemans in Berlin 8:13,2 gelaufen.
Dass mit ihr im Sommer stärker zu rechnen ist als zuletzt deutete
Stephanie Graf an. Die Österreicherin lief in der Halle nicht nur die
schnellste 800-m-Zeit des Jahres (1:57,80), sie gewann bei der EM in Gent zudem
den Titel nach einem eindrucksvollen Alleingang (1:59,70). In einem sehr guten
3000-m-Finale untermauterte Gabriela Szbao (Rumänin) einmal mehr ihre
Ausnahmestellung. Bei ihrem Sieg zeigte sich allerdings die Konkurrenz
stärker als zuletzt. So liefen Lidia Chojecka (Polen/8:42,42), Marta
Dominguez (Spanien/8:44,08) und Jelena Prokoptschuka (Lettland/8:44,66) jeweils
Landesrekorde. Wie bei den Männern, verzichtete allerdings das Gros der
Weltklasseläufer auf eine Hallensaison im Olympiajahr. So startete
beispielsweise die Doppeleuropameisterin von Budapest 1998, Sonia
O'Sullivan (Irland), nach ihrer Babypause bereits wieder in Australien.
Über 10.000 m lief sie dabei schon beachtliche 31:43,07 Minuten.
Krankheitsbedingt hatte kurzfristig auch der 3000-m-Hindernis-Europameister
Damian Kallabis (SCC Berlin) auf Hallenstarts verzichtet. Zu neuen großen
Hoffnungen in Richtung Sydney hat die Hallensaison bei den deutschen
Läufern keinen Anlass gegeben, obwohl beim Meeting in Erfurt die beiden
Wattenscheider Jan Fitschen (7:53,85) und Carsten Schütz (7:55,95)
über 3000 m überrascht hatten. Doch Schumann und Kallabis werden bei
Olympia die Hoffnungsträger sein. Bei den Frauen sieht es besser aus. Und
hier gab es sogar in der Halle Anzeichen, die hoffen lassen - selbst wenn
Sydney vielleicht noch ein wenig zu früh kommen wird.
Einen Durchbruch schaffte 800-m-Läuferin Ivonne Teichmann, die
inzwischen bei Thomas Springstein trainiert und für den SC Magdeburg
startet. Mit 2:01,14 Minuten setzte sie sich an die Spitze der deutschen
Bestenliste und erreichte bei der EM immerhin das Finale, in dem sie als
Fünfte dann aber nichts ausrichten konnte.
Einen Sprung machte auf der 1500-m-Strecke auch Kathleen Friedrich (LAC
Chemnitz). Sie verbesserte sich auf 4:08,99 Minuten, hatte dann aber Pech, dass
sie im EM-Finale nach einer Rangelei stürzte. Dass in Gent keine deutsche
3000-m-Läuferin am Start war, lag daran, dass Irina Mikitenko (Eintracht
Frankfurt) auf Starts in der Halle komplett verzichtete und stattdessen Cross
lief. Einen Cross-Start zum späteren Zeitpunkt plante Kristina da
Fonseca-Wollheim (SV Halle).