Artikel des Running News Network - runnn.com
Keine Wolke am strahlend blauen Oktoberhimmel am Olympiastadion und viele freudige Finisher-Gesichter beim 21. München-Marathon mit den Teilnehmern der Deutschen Marathonmeisterschaften unter den rund 10.000 Startern. Nach einigen regnerischen Tagen stellte sich pünktlich zum Marathon-Wochenende einmal mehr das Wunsch-Wetter für Veranstalter Gernot Weigl ein. Selbst DLV-Präsident Clemens Prokop freute sich über den weißblauen Himmel im sonnenüberfluteten Olympiastadion, konnte aber nicht verhehlen, dass aber auch einige Sorgenfalten bei den Verantwortlichen des Verbandes und des DLV-Partners Nike bestehen.
„Die Deutschen Meisterschaften müssen einerseits ein Familienfest für die deutsche Leichtathletik, andererseits aber auch ein Ereignis für die Elite sein.“ Das sollte keineswegs die Leistungen der souverän zu Meisterehren gekommenen Matthias Körner und Carmen Siewert schmälern, vielmehr das Verhalten der parallel an diesem Wochenende in Köln oder mit einer anderen Planung agierenden Spitzenläufer streifen. Ohne die Spitze sind die Deutschen Meisterschaften eher ein Festival für die zweite und dritte Reihe, keineswegs ein Stell-dich-ein der besten Deutschen. Der DLV-Präsident kann sich dabei schon 2007, wenn die Marathon-Titelkämpfe erneut in München ausgetragen werden, nicht nur Geldprämien vorstellen, die von DLV-Partnern aufgebracht werden, sondern auch ein „Erstzugriffsrecht“ bei der Nominierung zu internationalen Meisterschaften für die jeweiligen Deutschen Meister.
Es bleibt zu hoffen, dass nicht zu viel Wasser die Isar hinunter fließt, bevor man von Verbandsseite aus veränderte Bedingungen schafft. Schließlich steht der Deutsche Leichtathletik-Verband nicht nur mit seiner Ausrichtung für den Leistungssport als auch in seiner Verantwortung für die vielen Freizeit- und Breitensportler in der Pflicht, sondern auch seinem Generalausrüster Nike gegenüber. In München jedenfalls waren angesichts der komplett abwesenden Spitze keine herausragenden Leistungen zu erwarten. Matthias Körner zeigte sich angesichts seines zweiten Titelgewinns zwar „erfreut, aber auch zugleich überrascht“ angesichts seines Alleinganges ab Kilometer 25. „Ich wäre gerne etwas schneller gelaufen, schließlich steht meine Bestzeit seit 1993 bereits!“ Aus einer zunächst fünfköpfigen Gruppe mit Dirk Schwarzbach, Jens Köstle, Jürgen Austin-Kerl und Martin Prophet marschierte nach der Halbdistanz letztlich alleine Matthias Körner an der Spitze. Der 37-jährige Chemiker, der inzwischen im bayerischen Pensberg einem 40-Stunden-Job nachgeht und Marathon nur noch ambitioniert nach Feierabend betreibt, durfte sich letztlich über einen komfortablen Drei-Minuten-Vorsprung und seiner zweiten Meisterschaft nach Duisburg im Jahr 2000 freuen. „Eigentlich wollte ich nur für die Mannschaft laufen, aber als es im Training immer besser lief, dann wollte ich schon einmal sehen, was am Ende in der Einzelwertung herauskommt!“ Der Leipziger Trainer Thomas Prochnow durfte sich gleich zweimal über einen Hattrick freuen: Matthias Körner holte nach Stephan Freigang und Dirk Nürnberg den dritten Einzeltitel in Folge, das Team des SC DHfK Leipzig ebenso sicher den dritten Mannschaftserfolg.
Angesichts der desolaten Gesamtsituation im deutschen Männer-Marathon ist es keineswegs erstaunlich, dass der Deutsche Meister Körner mit 2:21:55 sogar auf Rang drei der aktuellen Rangliste vorrückt. Die Vizemeisterschaft holte sich Philipp Büttner aus dem hessischen Friedberg mit bereits 2:25:13 Stunden vor dem als Favoriten gehandelten Dirk Schwarzbach aus Kirchdorf bei Hannover. Büttner ist nunmehr der sechstbeste Marathonläufer in Deutschland (!).
Noch am Vortag hatte sich die Greifswalderin Carmen Siewert bei einer Sightseeingtour auf der Aussichtsplattform des Olympiaturmes „so sehr gewünscht, als Siegerin ins Olympiastadion einlaufen zu können“, wie sie bei der Presse-Konferenz zugab. Am Sonntagmittag sollte dies Wirklichkeit werden, denn die noch vor vier Wochen im DLV-Aufgebot bei den Berglauf-Weltmeisterschaften stehende Carmen Siewert lief als strahlende Siegerin unter dem Jubel vieler Zuschauer ins Olympiastadion ein. „Es ist unglaublich“, gestand die 34-jährige Vermessungs-Angestellte. „Noch im Winter musste ich wegen einer Verletzung pausieren und bin erst seit April wieder im Lauftraining!“ Selbstkritisch gestand sie allerdings ein, dass sie mit 1:20:55 Stunden bis zur Streckenhälfte „zu euphorisch“ angelaufen sei. Der „Hammer“ erwischte sie letztlich im Englischen Garten, so dass die zweite Hälfte über fünf Minuten langsamer wurde. Auch wenn der zunächst Drei-Minuten-Vorsprung auf letztlich siebzig Sekunden geschrumpft war, am souveränen Sieg der Vorjahreszweiten änderte dies nichts mehr. Mit 2:47:22 Stunden rangiert die Greifswalderin aktuell auf Rang neun der deutschen Bestenliste.
Auch für die Nächstplatzierten wurde München zum bisherigen Höhepunkt ihrer Läuferlaufbahn: Andrea Stengel holte sich mit praktisch zwei gleich starken Hälfen die Silbermedaille vor Anke Holljesiefken mit Endzeiten knapp unter der 2:50-Marke. Jubel einmal mehr im Regensburger Läuferlager der LG Domspitzmilch: Zum siebenten Mal innerhalb von zehn Jahren holten die Schützlinge von Kurt Ring den Mannschaftssieg nach Regensburg.
Während die Marathonläufer bei den Deutschen Meisterschaften die 42,195 km praktisch um die „Ehre“ absolvierten, starteten fünf Minuten nach dem Meisterschaftsstart im Feld der „Volksläufer“ beim München-Marathon mit der Südtirolerin Edith Niederfrininger und der Darmstädterin Nicole Leder zwei Triathletinnen um den für den „München Hero“ ausgelobten 10.000 Euro-Preis. Die Anforderung hieß dabei, Triathlon und Marathon unter der 5:00-Stunden-Marke zu absolvieren. In einem eher taktischen Rennen hatte am Ende die Südtirolerin, die im Sommer den München-Triathlon in 2:07:36 Stunden mit zehn Sekunden Vorsprung vor Nicole Leder gewonnen hatte, die Nase in 2:48:08 Stunden vor Nicole Leder in 2:50:02 vorne. Für die ASC-Läuferin blieb nur der Trost einer persönlichen Bestzeit im reinen Marathonrennen – bei den Deutschen Meisterschaften wäre sie übrigens Sechste geworden, hätte sie im Feld der Meisterschaftsläufer am Start gestanden.
Bei den zugleich integrierten Masters-Meisterschaften ragen einige Leistungen besonders heraus. So überquerte der M 40-Sieger Guido Hermes bereits als Elfter in 2:30:51, der M 45-Sieger Jürgen Theofel als Sechzehnter des Gesamteinlaufes in 2:32:29 die Ziellinie. Weibliches Gegenstück ist die W 45-Siegerin Ulrike Hoeltz als Vierzehnte in 2:56:39.
Aber nicht nur der DLV kündigte ein Umdenken bei den Deutschen Marathon-Meisterschaften im Rahmen des 22. München-Marathons 2007 an, sondern auch Marathonchef Gernot Weigl: „Eigentlich war es ein guter Marathontag für München. Doch wir werden uns auf den nunmehr 10.400 Startern einschließlich der 1800 Läufer bei den erstmals angebotenen 10 km nicht ausruhen, sondern für 2007 die Strecke verändern. Wir werden im Uhrzeigersinn die Strecke laufen und dabei den Englischen Garten komplett aussparen. Das hat vor allem den Vorteil, dass wir gerade den zur Mittagszeit in der Innenstadt verweilenden Touristen eine zusätzliche Attraktion bieten können, was sicherlich zu einem stärkeren Stimmungshoch führen dürfte.“