Den Frauen blieb im Gegensatz zu den Männern eine Marathon-Hitzeschlacht
erspart. Im ersten Teil des Rennens waren die Temperaturen angenehm,
später wurde es wärmer, aber längst nicht so heißt wie
abends. 24 Grad und eine Luftfeuchtigkeit von 48 Prozent vermekt das
Ergebnisprotokoll. Doch auch hier gilt: In der Sonne wird es am Ende um einiges
wärmer gewesen sein. Die neue Weltmeisterin kommt nicht unerwartet aus
Asien, allerdings nicht aus Japan sondern aus Nord-Korea. Von Song-Ok Jong war
vor dieser WM in den internationalen Statistikbüchern nicht viel zu
finden. Sie ist 25 Jahre alt und war mit einer Bestzeit von 2:29:54 Stunden
gemeldet. In Sevilla siegte sie in der Landesrekordzeit von 2:26:59 Stunden vor
der Japanerin Ari Ichihashi (2:27:02) und der Rumänin Lidia Simon
(2:27:41), die sich in diesem Jahr als Siegerin von Osaka auf 2:23:24 Stunden
verbessert hatte. Hervorragend schnitten die deutschen Läuferinnen ab.
Sonja Oberem (Bayer Leverkusen) belegte einen ausgezeichneten sechsten Rang in
2:28:55 Stunden, Claudia Dreher (SC Riesa) wurde Neunte mit 2:29:22 Stunden.
Beide schafften in Kombination mit einer Platzierung unter den ersten Zehn
sowie einer Zeit unter 2:31:50 Stunden damit bereits die Olympia-Qualifikation
des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV). Auch die anderen beiden deutschen
Läuferinnen erzielten im Rahmen ihrer Möglichkeiten gute
Platzierungen: Manuela Zipse (ABC Ludwigshafen) wurde 22. in 2:37:24, Anke Laws
(USV Cottbus) belegte Platz 24 in 2:38:57. Damit reichte es im
Mannschafts-Weltcup für das DLV-Team zu Platz drei in 7:35:41 Stunden
hinter Japan (7:27:52) und Rumänien (7:34:37).
In einem lange Zeit relativ gleichmäßigen Tempo lief Claudia
Dreher von Beginn an in einer größeren Spitzengruppe mit. "Es
wurde langsam angelaufen, deswegen hatte ich mit dem Tempo kein Problem",
erklärte die 28-Jährige, die im Frühjahr als Siegerin des
Hannover-Marathons in 2:27:55 eine auch international gute Zeit erreichte. Nach
Zwischenzeiten von 17:58 Minuten (5 km) und 35:26 (10 km) bestand die
Führungsgruppe aus 16 Läuferinnen. Darunter waren Manuela Machado
(Portugal), die 1995 Weltmeisterin war und zweimal eine Silbermedaille gewonnen
hatte (1993 und '97), sowie die Olympiasiegerin Fatuma Roba
(Äthiopien) und Kenias neue Marathonhoffnung Esther Wanjiru, die in diesem
Jahr bereits 2:25:40 Stunden gelaufen war. Am Ende dieser Gruppe hielt sich
Claudia Dreher. Rund 60 Meter Rückstand hatte zu diesem Zeitpunkt eine
siebnköpfige zweite Gruppe, in der Sonja Oberem zeitweilig das Tempo
bestimmte.
An der Spitze veränderte sich lange Zeit wenig. 15 Läuferinnen
waren nach 20 km und 1:10:34 Stunden noch zusammen. Die zweite Gruppe hatte zu
diesem Zeitpunkt allerdings einen deutlicheren Rückstand von 47 Sekunden.
Nach 1:14:30 Stunden war die erste Hälfte des Rennens gelaufen. Erst nach
Kilometer 30 (1:46:03) gab es den ersten ernsthaften Vorstoß aus der
inzwischen auf zehn Läufer reduzierten Spitzengruppe. Während Claudia
Dreher kurz zuvor den Kontakt verloren hatte, machte Roba Druck. Lediglich
Simon, Ichihashi und Jong konnten der dreifachen äthiopischen
Boston-Siegerin folgen, die anderen liefen nun einzeln hinterher. Diese
Situation wiederum kam Sonja Oberem weiter hinten entgegen. "Ich hatte
mich anfangs zurückgehalten. Dann habe ich mich sehr gut gefühlt,
trotz der ganzen Schwierigkeiten im Vorfeld. Es kam mir entgegen, dass ich eine
Läuferin nach der anderen überholen konnte. Das ist besser, als wenn
man vorne läuft und sich dauernd umschauen muss", erklärte die
Olympia-Achte Sonja Oberem, die sich noch bis auf Position sechs nach vorne
arbeitet und damit ihr bestes Resultat im fünften großen
Meisterschaftsrennen erreichte.
Ebenso glücklich war aber auch Claudia Dreher, die aufgrund von
Fußproblemen im letzten Teil des Rennens den Kontakt zur Spitze verloren
hatte. "Ich hatte mich nach dem Männerrennen auf das Schlimmste
eingerichtet, aber es war nicht so schlimm wie befürchtet", sagte
Claudia Dreher, die sich möglicherweise einer Operation am Fußballen
unterziehen wird. Auf die Olympia-Qualifikation hatten beide
DLV-Läuferinnen vorher nur vage gehofft.
An der Spitze schien Fatuma Roba, die sich nach Kilometer 35 (2:02:51)
abgesetzt hatte, einem sicheren Sieg entgegen zu laufen. Doch Ichihashi und
Jong liefen gemeinsam noch an Roba heran und vorbei. Am Ende konnte Jong sich
absetzen, während Lidia Simon noch zur Bronzemedaille lief. "Schon
nach zwei Stunden war ich mir sicher, dass ich die Goldmedaille gewinnen
würde", sagte die Siegerin Song-Ok Jong.