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Läufer-Geschichten (1): Mein Papa ist der Beste

Ich heiße Karl Gustav Mahlknecht und komme aus dem schönen Südtirol

- genauer aus St. Ulrich in Gröden. In diesem Jahr gehe ich zum siebten

Mal in Berlin an den Start und mein erklärtes Ziel ist die Aufnahme in

den Jubilee-Club. Zurzeit ist, meines Wissens nach, noch kein aus

Italien kommender Läufer oder Läuferin Mitglied in diesem Club. Zwar

fehlen mir ja noch einige Zielankünfte und es ist dadurch vermessen,

der Erste sein zu wollen, jedoch möchte ich auf jeden Fall zu den

Ersten dazugehören. So gehöre ich auch zu den Ersten aus unserem Dorf,

ja aus unserem Tal (mit insgesamt ca. 8.800.- sesshaften Personen), die

überhaupt einen Marathon gelaufen sind.

Der erste Marathon

Es war das Jahr 1992 und ich war gerade 21 Jahre jung. Mit einem

Freund, der leider schon verstorben ist, fuhren wir damals mit dem Auto

nach Berlin. Großes Vorbild für mich war - außer Gelindo Bordin - mein

um 11 Jahre älterer Bruder, der bereits im Jahre 1982 am

BERLIN-MARATHON teilgenommen hatte. Und gleich auf Anhieb gelang es mir

mit 03.28.45 (natürlich noch ohne Chip-Zeitmessung) seine Bestzeit zu

unterbieten. Beflügelt von dieser Erfahrung gelang es mir für das

darauf folgende Jahr sechs Freunde für den Marathon zu gewinnen. Damals

war das Laufen noch ein viel belächelter und absolut kein Breitensport.

Was mit einer Wette begann, endete in meiner persönlichen Bestzeit in

03.13.34 - immer noch ohne Chip-Zeitmessung. Und so war ich auch im

nächsten Jahr am Start. Auch hier klappte es unter 03.30 Stunden -

genauer in 03.24.15.

1995 machte ich den größten Fehler meiner "Laufbahn": ich ging

fremd! Und zwar nach Frankfurt. Ich wurde mit Dauerregen und einer Zeit

von 03.38.24 bestraft!

Das lange Comeback

Es folgten sieben Jahre des Nachdenkens! 2002 schließlich das Jahr

der "Großereignisse": zunächst im Juni meine Hochzeit und dann im

September das "Comeback". Mein vorgegebenes Ziel war die 4 Stunden

Marke. Kritiker behaupteten, ich müsse überhaupt zufrieden sein, wenn

ich ins Ziel komme. Das Übergewicht wiegte schwer!

Ich war selbst unsicher und hatte etwas Angst. Am Start viel mir

plötzlich mein zwei Jahre vorher verstorbener Freund ein, mit dem ich

zum ersten Marathon angereist war. Und plötzlich konnte ich unbekümmert

und ohne Druck der Kritiker loslaufen. Das Ergebnis war die Zeit von

03.29.45.

Das schönste Geschenk

Davon beflügelt, die Kritiker verstummt kam es 2003 zu erneuten

Wiedersehen mit Berlin. Und hier das Ereignis, welches eigentlich der

Hauptgrund meiner zu erzählenden "Story" ist. Leider konnte auch in

jenem Jahr meine Frau - arbeitsbedingt - nicht in Berlin dabei sein.

Wir wussten, dass unser erstes Kind unterwegs war, wenn auch erst im

zweiten Monat. Als es Richtung Potsdamer Platz ging - also auf der

Potsdamer Straße, irgendwo zwischen km 35 und km 36, wo schon sehr viel

weh tut und der Gedanke an die Zielankunft sich breit macht, wo bei

vielen - bei mir zumindest immer - das Rechnen beginnt, welche Zeit

noch möglich ist wenn..., erblicke ich auf dem Seitenrand eine Mutter

mit ihrer - vielleicht 1 Jahr alten - Tochter, die ein großes Schild in

der Hand hielt auf welchem folgendes stand: "Mein Papa ist der Beste -

Judith".

Wie ein Blitz schoss mir folgender Gedanken in den Kopf "Ihr mögt

laufen wie die Verrückten, euch anstrengen und quälen soviel ihr wollt

- mein Papa ist und bleibt der Beste - eure Judith". Für mich war dies

die Anfeuerung die man (in diesem Fall nur männlich!) sich nur wünschen

kann bzw. die ich mir bis zu diesem Moment immer gewünscht hätte. Viele

Anfeuerungen sieht man von den einmaligen Zuschauerinnen und Zuschauern

in Berlin, aber gerade diese ist und bleibt in mir unvergessen. Zwar

waren es fremde Menschen, aber ich habe sie wie für mich aufgenommen.

Von diesem Moment an war mir klar, dass unser Kind - falls es ein

Mädchen wird - Judith heißen wird. Der Zufall wollte, dass dieser Name

auf Anhieb meiner Frau gefiel und so kam - mit einem Monat Vorsprung

auf der "Marschtabelle" - im März 2004 Judith auf die Welt.

Auch 2004 ging ich wieder an den Start. Ich hoffte auf ein "Wiedersehen" mit dem Schild - suchte aber vergebens.

...Und wieder nach Berlin

Und heuer? Na ja - es ist sicherlich nicht der Hauptgrund, warum ich

den real,- BERLIN-MARATHON  liebe. Zu viele andere Gründe wären da

zu nennen, warum man nach den langen Wintermonaten wieder die

Laufschuhe auspackt - nach Strecken sucht, die nicht immer nur bergauf

oder bergab führen (hier in den Dolomiten eben nicht einfach) usw. Da

ist z.B. der Wunsch endlich einmal auf einem Foto, das im Marathonbuch

veröffentlich wird, sichtbar zu sein oder auch nur das Gefühl in den

Südtiroler-Apfel (ein Stück Heimat!) nach der Zielankunft zu beißen,

oder, oder, oder ... Ich finde, dass meine Story schon so, lang genug

ist um nicht noch auch diese Aspekte auszumalen. Vielleicht konnte ich

ein klein wenig von meinen Gefühlen mit euch teilen - auf jeden Fall

habe ich es versucht so rüberzubringen - wie es in mir ist.

  Karl Gustav Mahlknecht

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