An der Kantstraße passierte etwas ungewöhnliches. Als dort vor zwei
Jahren im Mai die Läufer der traditionellen 25 km von Berlin
vorbeirannten, drehten einige von ihnen wieder um und liefen ein Stück
zurück. Sie hatten erst nach dem Vorbeilaufen registriert, dass an dem
dortigen Erfrischungspunkt nach 5 Kilometern Horst Milde stand. Der Chef des
BERLIN-MARATHON half bei der vermeintlichen Konkurrenzveranstaltung, die
Läufer zu versorgen. So machten ein paar die Kehrtwende, um Milde zu
begrüßen und sich danach auf den restlichen, 20 Kilometer langen Weg
zu machen. Diese Episode sagt viel über den Stellenwert des real,-
BERLIN-MARATHON, den Horst Milde wie kein zweiter repräsentiert.
Doch nicht nur bei den Läufern steht der real,- BERLIN-MARATHON so hoch
im Kurs wie nie zuvor. Auch die anderen großen Rennen über die
klassische Distanz von 42,195 Kilometern haben in den 90er Jahren ein ums
andere Mal erfahren, dass sie diesen real,- BERLIN-MARATHON sehr viel
stärker beachten müssen als dies noch in den 80er Jahren der Fall
war. Wenn nun am nächsten Sonntag die 27. Auflage des mit Abstand
größten, spektakulärsten und vor allen Dingen hochklassigsten
deutschen Straßenlaufes gestartet wird, dann werden die Veranstalter der
Marathonläufe von New York, London, Boston, Rotterdam oder Tokio sehr
genau beobachten, was in Berlin passiert. Denn der real,- BERLIN-MARATHON wurde
zuletzt mehr und mehr zu einem Maßstab - es ist im letzten Jahrzehnt das
hochklassigste Rennen dieser Art weltweit gewesen.
Höhepunkte waren dabei die Jahre 1995, '98 und '99.
Zunächst war es 1995 der Kenianer Sammy Lelei, der mit 2:07:02 Stunden so
schnell lief wie vor ihm nur der damalige Weltbeste Belayneh Dinsamo
(Äthiopien). Dessen 2:06:50 Stunden datierten jedoch noch aus dem Jahr
1988. Drei Jahre später fiel beim 25. Berlin-Marathon mit der Rekordzahl
von 27.621 Meldungen die inzwischen schon 10 Jahre alte
Männer-Weltbestzeit. Der Brasilianer Ronaldo da Costa krönte das
Jubiläum mit seiner unglaublichen Zeit von 2:06:05 Stunden. 1999 fiel
wieder eine Weltbestzeit in Berlin. Dieses Mal bei den Frauen. Die Kenianerin
Tegla Loroupe verbesserte ihre eigene Bestzeit um vier Sekunden auf 2:20:43
Stunden. Doch der Berlin-Marathon bot vor einem Jahr noch mehr. Es war der
erste Lauf, bei dem zwei Männer unter 2:07 Stunden blieben: Josephat
Kiprono (Kenia) siegte in 2:06:44 vor dem Asienrekord laufenden Japaner
Takayuki Inubushi (2:06:57). Und noch einen anderen "Weltrekord"
registrierte der Berlin-Marathon: Nie zuvor waren in einem Marathon die Frauen-
und die Männer-Siegzeit zusammengerechnet derart hochklassig - 4:27:27
Stunden sind bis heute unerreicht. Zudem war der Berlin-Marathon erst der
Zweite überhaupt, bei dem beide Streckenrekorde auch Weltbestzeiten waren.
Nur die Veranstalter von Rotterdam hatten dies vorher geschafft.
Inzwischen sind die Berliner eine Weltbestzeit wieder los: In Chicago lief
im Oktober 1999 der Marokkaner Khalid Khannouchi 2:05:42 Stunden. Umso
gespannter werden die Chicagoer Veranstalter am Sonntag die Ergebnisse des
real,- BERLIN-MARATHON erwarten. Doch es wäre vermessen, davon auszugehen,
dass die Bestzeit auf der flachen und deswegen für beste Zeiten besonders
gut geeigneten Berliner Strecke erneut fällt. Zumal nur zwei
beziehungsweise drei Wochen später die olympischen Marathonrennen der
Frauen und Männer in Sydney gestartet werden. Viele Topathleten
konzentrieren sich auf Olympia und verzichten daher auf einen City-Marathon im
Herbst. Es bleiben zwar auf Grund der in den letzten Jahren enorm verdichteten
Weltspitze genügend erstklassige Läufer übrig, doch hat der
real,- BERLIN-MARATHON in punkto Finanzen nach wie vor längst nicht die
Mittel zur Verfügung wie andere Veranstalter. Die Organisatoren der
Herbst-Rennen von beispielsweise Chicago oder New York verfügen über
ganz andere Athletenbudgets als die Berliner. So lassen sich viele
Eliteläufer schlichtweg nicht bezahlen.
Doch während der Berlin-Marathon seinen Konkurrenten trotzdem bei den
Siegzeiten immer wieder voraus war, hat der größte deutsche Lauf in
den letzten zwei Jahren in anderer Hinsicht enorm aufgeholt. Zum ersten Mal
werden am Sonntag über 30.000 Teilnehmer starten. Sowohl bei den
Läufern als auch bei den Inline-Skatern werden die Starterlimits erstmals
seit 1990 erreicht werden. Damals, als die Skater beim ersten Marathon durch
Ost und West noch nicht dabei waren, lag das Limit bei 25.000 Läufern. In
diesem Jahr wurden die Höchstwerte auf 6.500 Skater und 27.000 Läufer
festgelegt. Das sind Zahlen, die bei Marathonrennen zurzeit nur von den
Veranstaltungen in New York und London übertroffen werden. In Chicago
sollen im Oktober allerdings auch bis zu 35.000 am Start sein. Bei diesen drei
Rennen handelt es sich allerdings ausschließlich um Läufer. Den
"Weltrekord" in dieser Hinsicht hält der traditionsreiche
Boston-Marathon, der bei seiner 100. Auflage 1996 genau 36.264 Starter
zählte, von denen 35.868 Läufer das Ziel erreichten.
Diese reinen Läuferzahlen sind beim real,- BERLIN-MARATHON zurzeit noch
außer Reichweite. Doch dass am Marathontag insgesamt vielleicht sogar
fast 40.000 Starter gezählt werden, dafür sorgt der real,-
MINI-MARATHON. Über 5500 Schüler beteiligten sich zuletzt am
größten Rennen dieser Art in Deutschland. Die Kinder und
Jugendlichen laufen die letzten 4,2195 km der Originalstrecke. Wenn schon die
deutschen Athleten keine große Rolle spielen, so zeigt dieser
Schülerlauf zumindest, dass es eigentlich keine Nachwuchssorgen geben
kann. So ist die Gesamt-Veranstaltung real,- BERLIN-MARATHON ein riesiges
Volksfest über 42,195 Kilometer quer durch die Stadt mit bis zu einer
Million Zuschauer.