Was für ein Sport-Wochenende in Mainz! Am Samstag feierten die
Fußball-Profis von Mainz 05 trotz einer 2:4-Niederlage gegen
Abonnementsmeister Bayern München zusammen mit 22 000 Zuschauer im
Bruchwegstadion überschwänglich den Klassenerhalt in der Ersten
Bundesliga, am Sonntag feierten 80 000 Zuschauer auf den Straßen der
Landeshauptstadt über insgesamt über 13.000 Teilnehmer beim
Gutenberg-Marathon, allen voran Marek Dryja und Yelena Tikhonova, die
Marathonsieger der sechsten Auflage in 2:16:53 und 2:38:05 Stunden.
Handlungsbedarf
Doch beim Spaßmarathon in der Karnevalshochburg am Zusammenfluss von
Rhein und Main scheint aber auch Handlungsbedarf geboten. „Wir müssen
mit etwas Abstand diskutieren, was kann, was muss verändert werden“,
gestand Sportbürgermeister Norbert Schüler trotz zufriedenstellendem
Gesamtfazit („Sportliches und gesellschaftliches Ereignis für die Stadt
Mainz“) unmissverständlich im Ziel ein.
Denn der Pole Marek Dryja hatte größte Mühe, am im Stau der
langsamen Halbmarathonläufer steckenden Führungsfahrzeug vorbei den
Zielkanal zu finden. „Das hat mich dreißig Sekunden gekostet“, zeigte
sich der 31jährige Pole zunächst sichtlich verärgert, denn mit dieser
spekulativen Schätzung wäre er exakt auf Streckenrekordzeit von Elijah
Mutnadiro gelandet.
Steigerung
Mit 3.191 Finishern über die Marathondistanz, haben die Mainzer zwar
ihre Einlaufquote um 300 steigern können, ob dies allerdings ausreichen
wird, ihre „top ten“-Platzierung des Vorjahres zu behalten, ist zur
Saisonhälfte sicherlich nicht zu sagen.
Fest steht allerdings eines, mit 5.573 Finishern über die
Halbdistanz und 928 im 2/3-Marathon (zudem 3 200 Teilnehmer im
Schüler-Ekiden, 286 Skater und 55 Handbiker) haben die Mainzer
Verantwortlichen um Sportamtsleiter Günter Pfeifer und Rennleiter
Friedel Dolhacz mit dem Mix des Laufangebotes Grenzbereiche erreicht,
zumal die eigentlich geräumige Rheingoldhalle wegen Umbauarbeiten nur
bedingt als Marathonzentrum zur Verfügung stand. Die Begeisterung der
Zuschauer jedenfalls fand letztlich im Zielbereich weder Grenzen noch
Barrieren, so dass die Zuschauer, sicherlich in bester Absicht, den
vielen Läufern schlichtweg im Weg standen.
Sechs Läufer unter 2:20
Rein sportlich konnte die sechste Auflage des Gutenberg-Marathon nur
bedingt die Erwartungen erfüllen, denn mit Jaroslaw Cichocki, Miklos
Artur Ianos, Vitaly Mezaev, Andrej Naumov, Marek Dryja und Jacek
Kasprzyk hatte man schließlich sechs Läufer unter 2:20 eingeladen. Doch
beim Aufstieg zur Theodor-Heuss-Brücke musste der favorisierte Ukrainer
Naumov den späteren Sieger zum Alleingang entlassen, der zwar eine
erstaunliche gute zweite Hälfte hinlegte, aber die Streckenbestzeit
doch letztlich klar verpasste. Naumov behauptete Rang zwei mit Mühe
gegen den Rumänen Artur Ianos, der sich übrigens vor zwei Jahren schon
einmal in Mainz als Sieger feiern lassen durfte. Eine schwache
Vorstellung zeigte hingegen Vitaly Melzaev als abgeschlagener Vierter.
Tobias von Ghemen wurde mit einer Steigerung um vier Minuten auf
2:28:35 bester Deutscher.
Ausstieg von Fadeeva
Bei den Frauen war nach dem schnellen Ausstieg der zweifachen
Siegerin Elena Fadeeva der Weg frei für Yelena Tikhonova, die sich erst
in letzter Minute für den Gutenberg-Marathon entschied und mit 2:38:05
Stunden sogar neue Bestzeit erzielen konnte. Wie stark sich die
28jährige Russin in Mainz vorstellte, das geht alleine aus der Tatsache
hervor, dass ihre zweite Streckenhälfte fast eine Minute schneller als
die erste war. Bonn-Marathon-Siegerin Valentina Delijon dürfte sich mit
einem weiteren Start wenige Wochen nach ihrem Frühjahrsmarathon keinen
Gefallen getan haben, denn schon früh musste sie die Russin an der
Spitze ziehen lassen. Hinter der Rumänin Maria Teodorescu überraschte
die SWR-Journalistin Christine Defland mit Rang vier und 2:46:07
Stunden. Die hatte damit einen deutlich kürzeren Arbeitstag als ihre
diensthabenden TV-Kollegen, die viereinhalb Stunden live aus Mainz
übertrugen.
Auf dem richtigen Weg
Herbert Steffny zog als exzellenter Kenner der Marathonszene und
ehemaliger Student an der Uni Mainz nach überlanger Marathonarbeit ein
überaus positives Fazit und sprach damit vielen aus dem Herzen: „Der
Gutenberg-Marathon ist auf dem richtigen Weg. Es ist ein Spaß- und
Genußevent mit einem Teil Spitzensport. Die erstaunliche große Zahl von
über 3 200 Schüler bei der Ekiden-Staffel mag vielleicht auch daher
rühren, dass die laufenden Eltern ihren Nachwuchs auch wieder zum
Laufen gebracht haben!“ Von Null auf 42, die SWR-Aktion schlägt
vielleicht nicht nur in diesen Wochen und Monaten Wellen, sondern ist
vielleicht auch mittelfristig angelegt, um talentierte Jugendliche
möglicherweise verstärkt dem Leistungssport zuzuführen. Der heimischen
Marathonszene würde es sicherlich gut tun.
Wilfried Raatz
Gutenberg-Marathon Mainz (8.5.):Ergebnisse:
Männer:Marathon: 1. Dryja (POL) 2:16:53. 2. Naumov
(UKR) 2:20:01, 3. Arthur Lanos (ROM) 2:20:37, 4. Melzaev (UKR) 2:22:06,
5. Idin (TUR) 2:27:35, 6. von Ghemen (ASC Darmstadt) 2:28:35, 7. Bier
(Post-Sport Telekom Trier) 2:29:32, 8. Kümpel (SV BG Dernau) 2:33:39,
9. Reiser (LG Odenwald) 2:37:23, 10. van den Berg (NED) 2:38:06.
Halbmarathon: 1. Green (LG Wedel-Pinneberg) 1:07:21, 2. Hecktor (1. FC Kaiserslautern) 1:11:44, 3. Jung (LC Schifferstadt) 1:14:46.
2/3-Marathon: 1. Strizakov (RUS) 1:35:05, 2. Rötzheim (TV Waldstraße) 1:48:43, 3. Isigkeit (LGE Frankfurt) 1:49:20.
Frauen:Marathon: 1. Tikhonova (RUS) 2:38:05, 2.
Delijon (MOL) 2:39:45, 3. Teodorascu (ROM) 2:43:37, 4. Defland
(Hofheim) 2:46:07, 4. Gulal (TUR) 2:48:58, 5. Asikoglu (TUR) 2:48:58,
6. Grivac (MOL) 2:49:30, 7. Hooß (LTF Marpingen) 2:57:48, 8. Becker
(Wiesbaden) 3:06:34, 9. Greiml-Lenertz (TV Bitburg) 3:11:22, 10. Glatz
(LTF Marpingen) 3:10:41.
Halbmarathon: 1. Hoffmann (Mainz) 1:24:05, 2. Stegmann (LC Bingen) 1:26:56, 3. Lene (AHS Freiburg) 1:27:06.
2/3-Marathon: 1. Schöneberg (VfL Sindelfingen) 2:10:12, 2. Schramm 2:21:16, 3. Rothery (GBR) 2:23:41.