Die Weltspitze im Frauenmarathon beginnt bei Zeiten unter 2:23 Stunden. Das ist
die Erkenntnis nach dem Boston-Marathon, der am traditionellen Montags-Termin
am Tag nach dem London-Marathon stattfand. In London waren vier
Läuferinnen unter dieser Zeit geblieben, in Boston schafften das die
ersten beiden. Es ist noch nicht lange her, da waren derartige Zeiten die
absolute Ausnahme, doch inzwischen reichen Ergebnisse um 2:25 Stunden nicht
mehr aus, um vorne dabei zu sein. Die Tendenz geht zu weiteren Ergebnissen
unter 2:20 Stunden, nachdem Naoko Takahashi (Japan) beim Berlin-Marathon 2001
diese Marke zum ersten Mal unterboten hatten.
Auf der zwar insgesamt abfallenden, aber sehr hügeligen und daher
schwer zu laufenden Strecke von Boston siegte Margaret Okayo in 2:20:43
Stunden. Die Kenianerin erzielte die viertschnellste Zeit aller Zeiten und war
exakt genauso schnell wie Tegla Loroupe (Kenia), die 1999 beim Berlin-Marathon
eine Weltbestzeit aufgestellt hatte. Die 25-jährige Margaret Okayo brach
in Boston auch den acht Jahre alten Kursrekord der Berlinerin Uta Pippig, die
1994 in der deutschen Bestzeit von 2:21:45 Stunden gewonnen hatte. Zweite war
Catherine Ndereba (Kenia), die im vergangenen Herbst in Chicago in der heute
noch gültigen Weltbestzeit von 2:18:47 Stunden gewonnen hatte. Mit 2:21:12
blieb auch Ndereba unter dem Streckenrekord von Uta Pippig, die als
Kokommentatorin eines amerikanischen TV-Senders teilweise mitjoggte und Anfang
Mai bei einem 10-km-Rennen in Ottawa in die Saison starten möchte.
Einmal mehr stellte das Frauenrennen des Boston-Marathons jenes der
Männer in den Schatten. Rodgers Rop (Kenia) gewann die 106. Auflage des
Traditionslaufes in 2:09:02 Stunden mit nur drei Sekunden Vorsprung vor seinem
Landsmann Christopher Cheboiboch. Damit haben die Kenianer ihre
Boston-Erfolgsserie wieder aufgenommen. Im vergangenen Jahr hatte der
Südkoreaner Lee Bong-Ju das Rennen gewonnen, nachdem kenianische
Läufer zehnmal in Folge dort triumphiert hatten. Lee Bong-Ju wurde dieses
Mal Fünfter in 2:10:30. Bei sehr gutem Laufwetter mit Temperaturen von 13
° Celsius, bedecktem Himmel und einem phasenweise sehr leichten
Rückenwind gingen 14.837 der 16.936 gemeldeten Läufer an den Start.
Die gemessen an der Starterzahl erstaunliche Zahl von 14.572 Läufern
erreichte das Ziel.
Rodgers Rop, der zur Trainingsgruppe des Detmolder Managers Volker Wagner
zählt und erst vor rund einem Jahr das erste Mal außerhalb Kenias
ein Rennen gelaufen war, hatte bei 25 km als erster Läufer der
großen Spitzengruppe die Initiative ergriffen. Zuvor hatte die
große Gruppe mit rund 25 Läufern lange Zeit ein gemächliches
Tempo vorgelegt. 10 km waren nach 31:27 Minuten erreicht, 15 km nach 46:44. Und
das trotz der besonders anfänglich abfallenden Strecke. Auch an der
Halbmarathonmarke (65:19) hatte sich noch nicht viel getan. „Ich habe die
Gruppe auseinandergerissen“, erklärte Rop später, der mehrmals
kurzzeitig das Tempo beschleunigt hatte. Bald nach seinem ersten Antritt auf
einem abfallenden Stück bei 25 km fiel auch Lee Bong-Ju zurück. Auf
den nächsten Kilometern reduzierte sich die Führungsgruppe auf
fünf kenianische Läufer. Bei Kilometer 30 (1:32:17) fielen dann auch
Fred Kiprop und Elias Chebet zurück, bald darauf traf es Joshua
Chelang’a.
So entstand ein spannender Zweikampf, der sich bis zur Zielgeraden
fortsetzen sollte. Das kuriose dabei war, dass Rodgers Rop stets in
Führung lag, aber seinen Verfolger nicht los wurde. Christopher Cheboiboch
lief dabei, je nach Tempoverschärfungen von Rop, zwischen 5 und 25 Meter
hinter dem Führenden. Interessant war, dass Rop immer wenn es bergab ging
erfolgreich Druck machte. Doch noch auf den letzten 1000 Metern wurde es wieder
eng. Cheboiboch, der mit einer Bestzeit von 2:10:50 nach Boston gekommen war,
mobilisierte die letzten Kräfte und kam wieder bis auf wenige Meter heran.
Doch Rop sah, was passierte, forcierte ein letztes Mal und hatte das Rennen
gewonnen. „Ich war mir sicher, dass er mich nicht mehr überholen
konnte, denn ich hatte gesehen, dass er müde war“, erklärte
Rodgers Rop, der im vergangenen Jahr als Dritter in New York bei seinem
Marathondebüt 2:09:51 Stunden gelaufen war.
„Vor dem Start hatte ich gesagt, dass wir unseren Titel
zurückholen müssen. Denn es ist für die Kenianer zu einer
Tradition geworden, hier in Boston zu gewinnen“, sagte der
26-jährige Rodgers Rop, der vor knapp einem Jahr bei den 25 km von Berlin
in der Weltbestzeit von 1:13:44 Stunden gewonnen hatte.
Auch Kenias Frauen haben inzwischen eine kleine Siegserie in Boston
vorzuweisen. Nach je drei Erfolgen von Uta Pippig und Fatuma Roba
(Äthiopien) siegte zuletzt Catherine Ndereba zweimal in Boston. Doch die
Weltbeste verpasste den dritten Hattrick einer Frau in Boston, weil eine
Landsfrau schneller war. Das Duell mit Margaret Okayo wurde als das
hochkarätigste Frauenduell in der Geschichte des Boston-Marathons
bezeichnet.
Catherine Ndereba hatte das Rennen schnell begonnen und führte bei 10
km (33:41 Minuten). Zwischenzeitlich schaltete sich dann die Chinesin Sun
Yingjie in den kenianischen Zweikampf ein. Sie führte noch bei der
Halbmarathonmarke (70:40), doch bald darauf übernahm Margaret Okayo die
Initiative, und die Chinesin fiel noch deutlich zurück. Fünf Meter
vor Ndereba lief Okayo, die zur Gruppe von Dr. Rosa gehört, durch die
30-km-Marke (1:40:16) und die schweren Hügel auf der Strecke von Boston.
Hinter dem Heartbreak-Hill lief Ndereba zeitweilig neben Okayo. Aber dann ging
die 25-jährige Okayo, die im November in New York bereits in der
Kursrekordzeit von 2:24:21 Stunden gewonnen hatte, wieder in Führung.
„Ich wusste immer, dass Catherine hinter mir war, aber ich habe mich
nicht umgeschaut. Ich fühlte mich gut und stark in Form“,
erklärte Margaret Okayo später.
Die Entscheidung fiel erst nach Kilometer 40, als Catherine Ndereba einer
weiteren Tempoverschärfung nichts mehr entgegen setzen konnte. „Ich
merkte etwas in meiner rechten Oberschenkelmuskulatur, so dass ich nicht mehr
schnell laufen konnte. Ich hoffte nur, dass ich ins Ziel kommen
würde“, erklärte die zweifache Boston- und Chicago-Siegerin
Ndereba, die hinzufügte: „Mein Ziel war der Kursrekord – und
das habe ich geschafft.“ Das Problem ist freilich, dass die neue
Kursrekordlerin Margaret Okayo heißt. Die Siegerin verdiente sich ebenso
wie Rodgers Rop 80.000 Dollar. Für den Streckenrekord gab es weitere
25.000 Dollar. „Auf einer schnellen Strecke sollte es für Margaret
Okayo möglich sein, 2:18 oder 2:19 Stunden zu laufen“, sagte Dr.
Rosa.
Ergebnisse, Männer: 1. Rop (KEN) 2:09:02, 2. Cheboiboch (KEN) 2:09:05,
3. Kiprop (KEN) 2:09:45, 4. Hussein (KEN) 2:09:45, 5. Lee Bong-Ju (KOR)
2:10:30, 6. Chebet (KEN) 2:10:40, 7. Bor (KEN) 2:11:39, 8. Kebede (ETH)
2:11:43. Frauen: 1. Okayo (KEN) 2:20:43, 2. Ndereba (KEN) 2:21:12, 3. Alemu
(ETH) 2:26:01, 4. Yingjie (CHN) 2:27:26, 5. Sultanowa (RUS) 2:27:58, 6.
Genovese (ITA) 2:29:02.