Seit vielen Jahren wird bei vielen sich bietenden Gelegenheiten von Sportfunktionären und Politikern unterstrichen, dass der Trainer neben dem Athleten die zentrale Person im Hochleistungssport ist. Seit genau so langer Zeit wird aber auch darüber geredet, die Rahmenbedingungen für die Trainer zu verbessern, die bei durchschnittlicher Bezahlung einen familienunfreundlichen Job mit unregelmäßigen Arbeitszeiten ausüben, ständig unter Erfolgsdruck stehen und so sehr auf eine Sportart oder Disziplin spezialisiert sind, dass diese Spezialisierung bei einer notwendigen neuen Jobsuche zum Nachteil gereichen könnte.
Bisher ist es nur bei Appellen, Resolutionen und Absichtserklärungen geblieben. Doch jetzt hat eine Arbeitsgruppe des Bereichs Leistungssport des Deutschen Sportbundes (DSB) einen Strategieplan und Forderungskatalog entwickelt, mit dessen Umsetzung eine Verbesserung erreicht werden soll. Dieser Maßnahmenplan wurde kürzlich dem Bundesvorstand Leistungssport des DSB vorgestellt und jetzt beim Bundestrainer-Großseminar in Nürnberg präsentiert und diskutiert. Der Strategieplan sieht eine Verbesserung der Ausbildungsangebote, die Installation haupt-amtlicher Lehrreferenten in den Spitzenverbänden, unbefristete Arbeits-verträge und eine Anpassung der Vergütungsstruktur vor. Die mehr als 100 Bundestrainer aus den verschiedensten Sportarten begrüßten in Nürnberg die Initiative des Bereichs Leistungssport im DSB ausdrück-lich und werteten dies als einen positiven Beitrag zum Motto des dreitägigen Großseminars, das „Steuerung sportlicher Spitzenleistungen“ lau-tete.
Verschwommenes Berufsbild in der Öffentlichkeit
In der Diskussion wurde deutlich, dass das Bild der Bundestrainer in der Öffentlichkeit sehr verschwommen registriert wird. Ein erfolgreicher Bundestrainer machte seinem Ärger mit folgenden Sätzen Luft: „Die Leute meinen doch, wir würden schön um die Welt reisen, genug Geld verdienen und ein bisschen Spaß haben mit unseren Sportlern. Dabei verdient heute jeder normale Lehrer mehr wie ein Bundestrainer.“
Bedeutendes Diskussionsforum für Trainerinnen und Trainer
Das Bundestrainer-Großseminar, das von der Bundesregierung gefördert und seit vielen Jahren auch von den Wirtschaftspartnern adidas und Audi unterstützt wird, erwies sich auch in diesem Jahr als ein bedeutendes Diskussionsforum, bei dem einmal jährlich Trainerinnen und Trainer sowohl aus den Sommersportarten als auch aus den Wintersportarten zusammentreffen, denen ein anspruchsvolles Lehrgangsprogramm ange-boten wird, die zugleich aber auch in gemeinsamen Diskussionen - auch außerhalb des offiziellen Programms - über den Tellerrand blicken können, wie es Tagungsleiter Helmut Ranze, Box-Bundestrainer und Mitglied im Beirat der Trainerinnen und Trainer, in Nürnberg formulierte.
Mit von der Partie bei dem dreitägigen Seminar waren neben namhaften Referenten auch Gäste aus den verschiedensten Institutionen, darunter auch Thorsten Burmester, der stellvertretende Abteilungsleiter Sport im Bundesinnenministerium, und Josef Nehren vom Streitkräfteamt der Bundeswehr.
"Der deutsche Nachwuchssport in der Krise ?!"
Eröffnet wurde das Bundestrainer-Großseminar mit einer Podiumsdiskussion unter dem Thema „Der deutsche Nachwuchssport in der Krise?!", die von dem ehemaligen erfolgreichen Sprinter und langjährigen Leiter der Sportredaktion der Süddeutschen Zeitung, Michael Gernandt, geleitet wurde. Diese Diskussion brachte keine alle zufriedenstellende Ergebnisse oder gar Patentrezepte (was wohl kaum erwartet werden konnte), war aber ein interessanter Einstieg für die Bundestrainer in das Seminar. Gernandt stellte am Anfang die These in den Raum: „Wir haben kein Nachwuchsproblem, sondern ein Erwachsenenproblem mit Mängel in der Führung und Betreuung der jungen Athleten.“
Bundestrainer-Ikone
Paul Schmidt, Olympiavierter über 800 Meter 1960 in Rom und Bundestrainer-Ikone bemängelte, dass zwar genügend Nachwuchskonzepte entwickelt, aber nie umgesetzt wurden. In der Leichtathletik sei Deutschland in vielen Disziplinen nicht mehr konkurrenzfähig. Schmidt weiter: „Wir leben vom Zufall, und der war früher häufiger.“ Der Ruder-Nachwuchsbundestrainer Dr. Dieter Altenburg wies auf die „Schere zwischen Eingangsleistung und Spitzenleistung“ hin, die immer größer werde, und Dr. Eike Emrich, Vizepräsident Leistungssport im Deutschen Leichtathletikverband und Inhaber des Lehrstuhls für Sportentwicklung an der Johann Wolfgang von Goethe-Universität Frankfurt kam zu dem Schluss: „Je mehr Talente wir suchen, um so weniger finden wir. Hochleistungssport funktioniert nicht durch Anordnung, sondern durch Kreativität und Individualisierung.“
Emrich warnte erneut vor einer zu frühen Spezialisierung in bestimmten Sportarten und appellierte, auch Spätzündern eine Chance zu geben: „Wir rekrutieren die Kinder immer früher in die Vereine, aber die Bindungsdauer bleibt die gleiche.“ Ein Zahlenspiel, das in die Diskussion eingebracht wurde, wirkt beängstigend. Von den sieben Millionen zehn- bis 18-jährigen sollen 30 Prozent übergewichtig und zudem zwei Millionen bereits an den Deutschen Fußball-Bund gebunden sein. Was bleibt da noch? Und Lutz Buschkow, erfolgreicher Trainer der Wasserspringer, sagte: „Warum sind Biathleten und Kanuten so stark? Weil sie bei der Bundeswehr optimale Trainingsmöglichkeiten haben. Aber ich kann doch keinen aus der 7. Klasse zur Bundeswehr schicken!“
Erfolgsfaktor TEAM
Da war es gut, dass nach einem fundierten Ausblick auf die Olympischen Winterspiele 2006 in Turin und den aufschlussreichen Ergebnissen einer Befragung unter Kaderathleten des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, präsentiert von Gaby Bußmann und Kathrin Glatzel, mit Jörg Löhr einer der angesehensten und kompetentesten Erfolgs- und Motivationstrainer Deutschlands zum Finale blies. Der Mann, der auf eine erfolgreiche Leistungssport-Karriere im Handball zurückblicken kann und lange für Milbertshofen in der Ersten Bundesliga spielte, kredenzte sein Rezept für den „Erfolgsfaktor TEAM“ zur Optimierung von Leidenschaft und Begeisterung in Mannschaften.
Löhr bezeichnete die Bundestrainer als Führungskräfte und ständige Problemlöser, die mit Gewinner-Denken, Optimismus und Leidenschaft ihre Aufgabe anpacken müssten. Talentfindung, klare Leistungsvorgaben, Mitarbeitermotivation, Mitarbeiterentwicklung und Leistungskontrolle gab Löhr dem Trainerseminar als zukunftsweisende Schlagworte mit. Aber er erreichte mehr. Er entfachte Aufbruchstimmung, vermittelte Mut zu neuen Ideen und unkonventionellen Schritten.
Er entließ die Trainerschar auf den Weg nach Turin und Peking mit einem besonderen Zauber, der viele sagen ließ: „Dieses Seminar hat sich gelohnt.“
Quelle:
www.dsb.de