Was dem FSV Mainz 05 auf dem Fußballterrain nicht gelungen ist, das
schafften die Organisatoren des Gutenberg Marathon-Mainz schon im dritten Jahr
laufenderweise, den Aufstieg nämlich in das erweiterte Oberhaus der
Marathonszene. Gewiss lassen sich die Resultate auf dem Zwei-Runden-Kurs durch
die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt nicht mit den Großen der
Szene in Berlin, Hamburg, Frankfurt oder Köln vergleichen, doch bereits im
dritten Jahr ihres Bestehens hat die Karnevalshochburg am Rhein eine
erstaunliche Marathonkarriere gestartet. Eine stabile Beteiligung über
fünftausend Marathonläufer (oder solche, die sich nach halber Distanz
für den Zieldurchlauf entschieden) und eine leistungsstarke
Atmosphäre an den zentralen Punkten sprechen für die Organisation,
für die die Stadt Mainz die Verantwortung trägt. Das „Goldene
Mainz“ entwickelt sich dank des unermüdlich ins Mikrophon textenden
05-Stadionsprechers Klaus Hafner aber auch zum „Event der Kalauer“.
Das Schwergewicht vom Bruchweg bekennt sich gewiss auch zu seinen Pfunden:
„Ich wiege vier Kilo mehr als Rainer Callmund“ und hat deftige
Sprüche auf Lager, die gestandenen Marathonfans das Blut in Wallung
bringen lassen. Sein „Auf geeeeeht’s“, das „Ihr seid
Spitze“ und das „Auch du schaffst es!“ mag noch Aufmunterung
sein, aber bei Kalauer wie „Lasst den Hunger nicht spüren, wir
ziehen das auch durch“, „Richtig, dass du heute 5 Kilo
abnimmst!“ oder „Ok Jungs, geht noch ein bisschen Mädels
gucken und lauft noch eine Runde“ und „Richi, du bist ja auch schon
im Ziel, und das nach den drei Litern Bier gestern Abend!“ scheiden sich
gewiss die Geister.
Wer in Mainz allerdings mit hoch gesteckten Ambitionen startet, der muss
starke Nerven haben. Es sei denn, er ist slalomerprobt und weiss sich durch die
Masse der langsamen Halbmarathonläufer bzw. der Vier- und
Fünf-Stunden-Läufer durchzuschlängeln. Oder man heißt
Elijah Mutnadiro und hat das Privileg des Spitzenreiters, der sich hinter dem
Führungsfahrzeug zwar in der abgasgeschwängerten Luft aber dafür
relativ sorglos auf der Ideallinie trotz der Rekordkulisse von 6 418 Starter
laufen kann. Der 26jährige aus Harare hat zusammen mit weiteren
afrikanischen Läufern bei dem Manager-Ehepaar Clemens und Elizabeth
Schröder auf der früheren Militärbase Hahn im Hunsrück ein
zweites Zuhause gefunden und im sechsten Marathoneinsatz nun in Mainz den
ersten Sieg eingefahren. Noch dazu in Streckenbestzeit von 2:16:22 Stunden. Der
Läufer aus Simbabwe wusste sich zusammen mit seinem zunächst die Pace
bestimmenden Landsmann Michael Ngaseke schon früh von den vermeintlichen
Mitfavoriten um den kenianischen Vorjahressieger Francis Mbiu und dessen
Teamkollegen Samwel Okemwa sowie dem Vorjahreszweiten Vitaly Melzaev zu
lösen. Dieses einfache Rezept ging euroträchtig auf, auch wenn Elijah
Mutnadiro in der Mittagshitze am Rhein fast vier Minuten mehr für den
zweiten Abschnitt brauchte. Doch auch die Verfolger bauten merklich ab, allen
voran der Vorjahressieger Mbiu, der heuer nur auf Rang fünf, direkt vor
dem besten deutschen Läufer Frank Hahn, einkam.
Etlichen Ärger gab es einmal mehr um die Halbmarathon-Wertung, eine in
dieser Version gewiss strittige „Mainzer Regelung“. Tempomacher
Ngaseke, der nach achtundzwanzig Kilometer aus dem Rennen gehen sollte, wird
nämlich als Gewinner des Halbmarathons geführt, gefolgt von den
„deutschen Aussteigern“ Heiko Schinkitz und Dirk Schinkoreit, die
sich einen Kilometer vor dem Ziel für ein Abbiegen ins Halbmarathonziel
vereinbarten, während der Läufer aus Zimbabwe allerdings am Ziel
vorbei in die zweite Runde gemeinsam mit dem späteren Marathonsieger ging.
Glücklicherweise gibt es für diese „Mainzer
Spezialität“ kein Preisgeld.
Auf die Streckenrekordprämie musste die Frauensiegerin Elena Fadeeva
bei ihrem Zieldurchlauf in 2:39:26 Stunden zwar verzichten, doch die
36jährige Ukrainerin verzeichnete in Mainz schon ihren zweiten
Marathonsieg im zweiten Rennen ihrer Karriere, nachdem sie bereits bei ihrem
Debüt in Birmingham/ USA erfolgreich war. Die spät eingeschriebene
Ukrainerin lief vom Start weg an der Rheingoldhalle ein kontrolliertes Rennen,
das im zweiten Abschnitt sogar noch 35 Sekunden schneller als die erste
Halbstrecke war. Das Nachsehen hatten dabei Elijahs Landsfrau Tabitha Tsatsa
und die Kenianerin Ledysha Biwott, die nach ihrem Missgeschick in Hannover
(Schuh verloren, Sturz) mit zwei dritten Marathon-Plätzen reichlich
gefrustet den Weg in die kenianische Heimat antreten muss.
Großer Bahnhof für drei 05-Fussballprofis, die sich in den Dienst
der guten Sache stellten. Mannschaftskapitän Dimo Wache, Christian Hock
und Torsten Lieberknecht sammelten vor ihrem Halbmarathonstart, den die drei
medienwirksam in 2:10 absolvierten, runde 4000 Euro für die
„Interessengemeinschaft für Kinder der Intensivstation und
Kinderkardiologie Mainz“ (KIKAM).
Wilfried Raatz
3. Gutenberg-Marathon Mainz (20.5.):Männer: 1.
Mutnadiro (ZIM) 2:16:22, 2. Melzaev (UKR) 2:17:42, 3. S. Okemwa 2:19:08, 4.
Beikong 2:23:01, 5. Mbiu (alle KEN) 2:24:12, 6. Han (LG
Bonn-Troisdorf-Niederkassel) 2:27:26, 7. Tandoi (KEN) 2:27:34, 8. Van Ghemen
(LSG Karlsruhe) 2:30:12, 9. Skopac (CRO) 2:32:38, 10. Mertes (TSV Bayer
Leverkusen) 2:34:48, 11. Lipecki (LG Bad Soden-Neuenhain) 2:37:54, 12. Kiefer
(Spiridon Frankfurt) 2:38:04, 13. Reinke (TV Großostheim) 2:39:28, 14.
Schneider (LGV Marathon Gießen) 2:40:11, 15. Schedler (LTF Marpingen)
2:41:35.
Frauen: 1. Fadeeva (UKR) 2:39:26, 2. Tsatsa (ZIM) 2:45:09, 3. Biwott
(KEN) 2:48:15, 4. Ruppert (LC Saucony Saar) 2:49:17, 5. Schedler (LTF
Marpingen) 2:52:42, 6. Wagner (TV Rheinau) 2:53:27, 7. Sinnewe (LTF Marpingen)
3:07:39, 8. Sinning-Kane (USA) 3:08:01, 9. Olmedo-Bubbico (CHI) 3:13:09, 10.
Defland (TV Braunfels) 3:15:28.
Rahmenwettbewerbe: Halbmarathon:Männer: 1.
Ngaseke (ZIM) 1:06:10, 2. Schinkitz (SG Adelsberg) 1:09:48, 3. Schinkoreit (LC
Cottbus) 1:09:48, 4. Musial (TV Meisenheim) 1:12:02, 5. Leoncioni (USA)
1:12:41, 6. Krempchen (PostSV Telekom Trier) 1:15:11, 7. Boch (TuS Horn)
1:15:49, 8. Munsch (VT Zweibrücken) 1:16:27.
Frauen: 1. Brengel (DJK St. Ingbert) 1:23:01, 2. Petersen (ASV
Köln) 1:25:50, 3. McCarthy (GBR) 1:29:01.