Als Anni plötzlich als alleinerziehende Mutter von drei Kindern dasteht, rettet Laufen ihr das Leben – glaubt sie zumindest selbst. Eine Woche nach dem ihr Mann sie und ihre gemeinsamen Kinder im Alter von 5, 3 und 1 verlässt, flüchtet sie aus Berlin. Sie will einfach raus. Nach Norden, nach Hause. Nicht für immer zwar, aber um erst mal durchzuatmen.
In Finnland ist es Winter, die Straßen sind vereist, der Schnee reicht bis zum Knie. Seit einigen Monaten schon läuft Anni dem Stress davon, um die Gedanken zu klären, den Kopf freizubekommen und um schlafen zu können. Am ersten Abend in ihrer Heimat schnürt sie die zu kleinen Laufschuhe ihrer Mutter. Ihre Eltern halten sie wegen der fast 20 Grad minus davon ab, los zu laufen, bringen sie ins Fitnessstudio, und stellen sie aufs Laufband: Hirnlos, wie ein Hamster im Rad läuft und läuft und läuft sie bis ihr schlecht ist. Bis ihre Zehen blutig sind. Bis ihr Vater sie nach 90 Minuten vom Laufband wieder runter holt.
Ein 3.000 kilometerlanger Kampf
Jetzt eineinhalb Jahre später geht es Anni gut. Sie hat es geschafft. Ihre Kinder ebenso. Und dabei hat das Laufen eine große Rolle gespielt. „Ich muss nicht mehr laufen, um nicht irre zu werden“, lacht sie. „Ich habe das alles quasi aus mir rausgelaufen.“ Sie erzählt von einem etwa 3.000 km langen Kampf, der in ihren Laufschuhen ausgefochten wurde. „Das Laufen hat mir beigebracht, an mir selber zu arbeiten und die Verantwortung für mein eigenes Glück in die Hand zu nehmen. Es hat mir Durchhaltevermögen und Disziplin gegeben. Und nebenbei habe ich gemerkt, dass ich eigentlich ziemlich zäh bin. Das hätte ich nie gedacht. Dass ich eben nicht aufgebe, bis ich im Ziel bin“, sagt die 35jährige Finnin.
„Mein nächstes Ziel ist allerdings ganz schön weit. Genauer gesagt, 42 Kilometer vom Start entfernt. Ob ich auch da so viel Kampfgeist habe?“, fragt Anni. Sie hat sich dieses Jahr für ihren ersten Marathon angemeldet – in ihrer lieben Heimatstadt, wie sie Berlin mittlerweile nennt. „Ich hatte es dem Zufall überlassen und gesagt, wenn ich ausgelost werde, ziehe ich es auch durch.“ Dabei wusste sie nicht ganz, worauf sie sich eingelassen hatte. „Naiverweise dachte ich, die Herausforderung ist, am großen Tag die 42 Kilometer zu bewältigen. Dass die Schwierigkeit eines Marathons aber darin liegt, das zeitaufwändige Training Tag für Tag, Woche für Woche durchzuziehen, das habe ich vollkommen unterschätzt.“
Für die Mutter von drei Kindergartenkindern stellte sich das Training zuerst als eine echte Herkulesaufgabe dar. Doch letztlich sei das nur eine Sache der Organisation gewesen, wie die Finnin erzählt. Schwieriger sei es dagegen mit der Motivation: „Früher war das Laufen ein seltenes Privileg: kostbare Zeit nur für mich – ohne Kinder. In einer solchen Häufigkeit wird aber auch das Schönste langsam zur Arbeit“, betont Anni. Zehn Stunden Laufen pro Woche, da wird das Hobby schon fast zum Minijob. „Ich fragte mich, wofür das Ganze. Wozu so viel Zeit investieren?“
Laufen für wahre Helden
Bereits im Frühjahr, um sich für den Vattenfall BERLINER HALBMARATHON zu motivieren, sammelte Anni Geld für ein Frauenhaus in Nairobi, Kenia. „Ich bat Menschen, meinen Lauf mit einem Euro Spende pro gelaufenen Kilometer zu unterstützen. Ganze 700 Euro kamen so zusammen. Das hat dem Laufen endlich einen Sinn gegeben und mich zusätzlich gezwungen, dran zu bleiben.“
Und weil das so gut funktioniert hat, will Anni ihr Marathondebüt ebenfalls zum Spendenlauf erklären. Diesmal allerdings für ein Berliner Projekt: Das Kinderhospiz Sonnenhof. „Einer der kleinen Patienten des Hospizes hatte mal den Wunsch, einen echten Astronauten zu treffen, bevor er stirbt. Es dauerte sehr lange, aber der Junge hielt durch, bis sein Traum in Erfüllung ging. Zwei Tage später verstarb er. Dieser Traum wurde durch Spenden ermöglicht. Als ich das hörte, wollte ich mehr solcher Träume ermöglichen“, erzählt Anni.
„Außerdem sind die kleinen Patienten des Hospizes selber wahre Helden: Sie wissen weit mehr über das Kämpfen als ich. Und ich heule, wenn ‚der Mann mit dem Hammer’ kommt, weil ich meine Zielzeit doch nicht schaffe – oder weil ich Alleinerziehend bin? Da verändern sich die Relationen. Und immerhin habe ich drei wunderbare, gesunde Kinder!“ sagt Anni nachdenklich.
Die kleinen Gäste von Sonnenhof haben die 35jährige beeindruckt, als sie die Einrichtung Anfang September besuchte. „Diese Kinder müssen an viel brutaleren Fronten kämpfen als ich es je getan habe. Von ihrer Zähigkeit kann man sicher auch als abgebrühter Marathonläufer viel lernen. Was sind dagegen schon 42 Kilometer? Ich hoffe, dass wir viel Geld für diese Kinder sammeln und ihnen somit gemeinsam ein Bisschen Glück schenken können."
Spenden für das Kinderhospiz Sonnenhof in Berlin
An alle Läufer: Wer Kinderträume erfüllen möchte, kann beispielsweise einen Euro pro gelaufenen Kilometer an das Kinderhospiz Sonnenhof spenden. Und wer nicht selbst an den Start geht, aber trotzdem spenden möchte - für den läuft eben Anni.
Berliner Sparkasse
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VERWENDUNGSZWECK: Anni Marathon
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