Das Ziel wäre eigentlich kein Hindernis gewesen für Nastja Ryshich.
Genauer gesagt das Zielgerüst. Der Aufbau war etwa vier Meter hoch, die
Bestmarke von Nastja Ryshich steht bei 4,50 m. Mit dieser Höhe wurde die
22-Jährige im vergangenen Jahr Hallen-Weltmeisterin im Stabhochsprung. Vor
dem 17. AVON-Frauenlauf im Tiergarten hatte die Weltklasseathletin des LAZ
Zweibrücken ein ganz anderes Problem. Denn das Ziel zu erreichen, hatte
sie sich ursprünglich nicht zugetraut. Fünf Kilometer waren beim
größten deutschen Frauenlauf des SCC, an dem sich die Rekordzahl von
5093 Starterinnen aus 17 Nationen beteiligte, im Fun-Run zu absolvieren. Doch
laufen gehört eigentlich nicht zum Trainingsprogramm von Nastja Ryshich.
"Laufen bedeutete früher für mich den Tod. Wenn ich einmal
zehn Minuten gejoggt bin, dann brauchte ich danach mindestens zehn Minuten, um
mich davon zu erholen", erzählt die Europameisterschafts-Vierte von
1998. "Vor meinem Training laufe ich manchmal zwei bis drei Runden im
Stadion - aber auf dem Rasen!" So hatte Frank Lebert keinen leichten Job.
Der Promotion-Manager ihres Sportartikelsponsors Nike, der auch den
AVON-Frauenlauf in Berlin unterstützt, überredete sie mühsam zum
Start im Tiergarten. "Zuerst habe ich gesagt, oh nein. Aber dann meinte
er, ich hätte ja eine Stunde Zeit, um das Ziel zu erreichen, und irgendwie
würde ich das schon schaffen", erzählt Nastja Ryshich, die
zuletzt während ihres Trainingslagers in Schweden begann, etwas für
das Ausdauervermögen zu tun. Dies hatte gleich zweierlei positive Effekte:
erstens schaffte sie die 5-km-Strecke im Tiergarten ohne Probleme in 27:50
Minuten, zweitens dürfte sie von dem Training bei ihrem Sportstudium
profitieren. "Jetzt habe ich vor der Laufprüfung keine Angst
mehr", sagt Nastja Ryshich, die noch eine gute halbe Stunde vor dem Start
hoffte, um den 5-km-Lauf doch herumzukommen. "Da hat es geregnet, und ich
dachte, dann muss ich ja nicht mehr rennen!"
Während Nastja Ryshich sich nun langfristig auf die Olympischen Spiele
vorbereiten möchte, kann Sydney in den Planungen von Kathrin Weßel
keine Rolle spielen - obwohl die Läuferin des Veranstalterklubs SCC im
Tiergarten das 10-km-Rennen gewann und damit ein perfektes Comeback feierte.
Vor einem Jahr startete die zehnfache nationale 10.000-m-Meisterin ihr letztes
Rennen vor einer Babypause im Tiergarten. Am gleichen Ort verschlief am
Sonnabend ihre sechs Monate alte Tochter Nele den Sieg der Mutter in 35:09
Minuten. "Ich hätte nicht gedacht, dass ich schon wieder 35 Minuten
laufen kann", sagte eine sehr zufriedene Kathrin Weßel, die
erzählte: "Es ist nicht leicht, zweimal am Tag zu trainieren. Hilfe
bekomme ich dabei auch vom Olympiastützpunkt." Dort absolviert die
32-Jährige die wichtigsten Trainingseinheiten zurzeit auf dem Laufband,
während ihre Tochter meistens daneben schläft. Im Sommer und Herbst
will Kathrin Weßel bei weiteren Straßenläufen starten,
darunter auch bei der City-Nacht auf dem Kurfürstendamm am 5. August.
Spätestens im nächsten Frühjahr soll dann ein Marathon auf dem
Programm stehen. "Über diese Distanz sehe ich meine
Perspektive."