„Viele haben mich schon abgeschrieben, aber ich weiß, dass ich noch
einige gute Marathonläufe rennen kann“, sagt Josia Thugwane, der 1996
als erster farbiger Südafrikaner eine olympische Goldmedaille gewann.
Er sagt dies, obwohl der Marathon-Olympiasieger von Atlanta beim
Wien-Marathon vor einiger Zeit in einem Hitzerennen aufgab. Der 1,58
Meter kleine und 45 Kilogramm leichte Langstreckenläufer hat immer
wieder bewiesen, dass er Rückschläge verkraften kann. Kaum ein anderer
Athlet dürfte so viele Hochs und Tiefs erlebt haben wie der 34-Jährige
– und zwar nicht nur sportliche sondern auch menschliche.
Erste Prämie mit 8.50 Euro
In ärmsten Verhältnissen aufgewachsen, lebte Josia Thugwane mit
seiner Familie in einer Wellblechhütte. Geld verdiente er als Putzkraft
in einer Mine. Josia Thugwane konnte nicht lesen, nicht schreiben und
sprach natürlich kein Englisch. Fußballspielen war ein Hobby, doch dann
versuchte er es mit dem Laufsport, denn er hatte gehört, dass man damit
Geld verdienen kann. Seine erste Prämie gewann er bei einem
Halbmarathon – es handelte sich um 8,50 Euro.
Nachdem er 1996 Südafrikas Marathon-Meisterschaften gewonnen und sich
damit für Olympia qualifiziert hatte, begannen die Probleme, die ihn
jahrelang plagen sollten. Noch vor den Spielen wurde er in seinem Auto
überfallen. Eine Kugel streifte ihn am Kinn, die Narbe ist heute noch
zu sehen. Es gelang ihm, aus dem Fahrzeug zu springen und zu entkommen.
„Nach meinem Olympiasieg war ich monatelang im Fernsehen, und ständig
erschienen Zeitungsartikel über mich. Dadurch wurde es noch schlimmer“,
erzählt Josia Thugwane.
In Fukuoka 2:07:28
Während seine sportlichen Leistungen stark schwankten – in Fukuoka
gewann er 1997 in der Weltklassezeit von 2:07:28, doch bei mehreren
hochkarätigen Rennen gab er auf –, gab es Bedrohungen gegen ihn und
seine Familie. Auf Erpressungsversuche ging Josia Thugwane nicht ein.
Doch als eines Tages der Kopf eines Affen auf den Zaun vor seinem Haus
gespießt worden war, zog er nach Johannesburg in ein sicheres
Wohnviertel und trainierte fortan zeitweise in den USA.
„Erst seit zwei Jahren ist es ruhiger, weil ich nicht mehr erfolgreich
war“, sagt Josia Thugwane. Zu seinem letzten Marathonsieg lief er 2002
in Nagano. Vor kurzem ist der Olympiasieger aus Johannesburg in die
Nähe von Pretoria gezogen. „Ich habe eine Farm gekauft, denn das ist
die Zukunft für mich und meine Familie.“ Außerdem betreut Josia
Thugwane dort eine Gruppe von jungen Läufern, denen er eine Perspektive
geben möchte. „Vielleicht haben sie eines Tages die Chance, mit dem
Sport Geld zu verdienen. Es sind aber nicht nur Läufer, auch einigen
Fußballspielern versuche ich zu helfen.“
Er selbst spricht inzwischen recht gut Englisch. „Meine Kinder haben
es in der Schule gelernt und mir dann geholfen.“ Dass die Farm nicht so
sicher ist wie das Haus in Johannesburg nimmt Josia Thugwane in Kauf.
Wenn er wieder Erfolg haben sollte, muss er mit neuen Bedrohungen
rechnen. Aber Josia Thugwane will nicht nachgeben:
„Ich kann noch einige Jahre laufen.“