Artikel des Running News Network - runnn.com
Rogers Rop hat in diesem Frühjahr alles richtig gemacht. Vor drei Wochen war der frühere Boston- und New York-Marathon-Sieger beim durch Hitze beeinträchtigten Rotterdam-Marathon nach 25 km vorzeitig aus dem Rennen gegangen, hatte sich mental in seiner kenianischen Heimat nahe Eldoret wieder aufgetankt, um dann als Last-Minute-Schnäppchen in Hamburg groß aufzutrumpfen: Mit persönlicher Bestzeit von 2:07:32 Stunden wurde der erst seit fünf Tagen auf der Startliste aufgeführte 31-jährige Kenianer Sieger der 22. Auflage des Hamburg-Marathons und kassierte für diese Punktlandung auf deutschem Boden eine Leistungsprämie von 50.000 Euro.
Glück und Pech lagen dabei beim diesjährigen Conergy Marathon Hamburg für den Schützling des deutschen Managers Volker Wagner dicht beisammen, denn um 13 Sekunden verpasste er die Weltjahresbestmarke von Mubarak Shami (Katar), um drei Sekunden einen um 5.000 Euro höheren Zeitbonus, rettete sich aber zugleich gegen den fast auflaufenden Wilfred Kigen (Kenia) mit hauchdünnem Vorsprung von einer Sekunde über die Ziellinie auf der Karolinenstraße.
Weniger spektakulär gewann die 27-jährige Äthiopierin Ayelech Worku ein in der Schlussphase spannendes Finale in 2:29:14 Stunden mit acht Sekunden Vorsprung vor der Kenianerin Rose Kerubo Nyangacha, während die bis Kilometer 35 zum Teil mit über einer Minute Vorsprung führenden Litauerin Zivile Balciunaite letztlich mit zwei Minuten Rückstand als Vierte völlig entkräftet ins Ziel einlief. Für die beiden deutschen Spitzenläufer Martin Beckmann und Claudia Dreher endete das Unternehmen Hamburg unter den 23.027 angemeldeten Läufern mit zwei soliden Resultaten und zumindest der WM-Teamnorm des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV). Martin Beckmann verpasste seine in Berlin erzielte Bestmarke mit 2:15:22 als 17. nur knapp, während Claudia Dreher durch eine Muskelentzündung gehandikapt als Achte mit 2:33:58 einlief.
„Das ist mehr als ein Minimalschub“, freute sich Bundestrainer Detlef Uhlemann über die Leistungen der beiden deutschen Spitzenläufer. Zwar hat damit immer noch kein Deutscher die WM-Norm, aber über das Hintertürchen Teamnorm ist für die Entsendung einer deutschen Männermannschaft lediglich eine Durchschnittszeit von 2:17:20 notwendig. Schließlich stehen am kommenden Wochenende mit dem Düsseldorf-Marathon und den Deutschen Meisterschaften in Mainz zwei weitere Möglichkeiten zur Normerbringung an. „Nun bin ich ziemlich sicher, dass es eine deutsche Männermannschaft schaffen kann.“ Und Martin Beckmann ergänzte: „Wenn wir diese Chance nicht nutzen, dann haben wir es auch nicht verdient, in Osaka dabei zu sein.“
Fast ein Luxusproblem hat Uhlemann hingegen bei den Frauen, denn mit den Vorjahresleistungen stehen mit Ulrike Maisch, Luminita Zaituc und Claudia Dreher bereits drei Frauen mit der WM-Norm da, so dass das Vehikel Team-Norm nicht einmal herangezogen werden muss.
Mit 2:15:22 Minuten streifte Beckmann dabei seinen Hausrekord von Berlin (2005) nur knapp. „Mich haben die Schüttelfrosteinlagen mit dem stetig wechselnden Wind irgendwie aus dem Rhythmus gebracht“, gestand der Leinfelder, der zwischen 32 und 37 km seine Zielzeit von 2:14 aus dem Auge verlor. „Nach diesen schlechten Kilometern ist es dann aber wieder gut gelaufen.“ Nach einer Reihe von wenig zufrieden stellenden Ergebnissen zeigt die Leistungskurve bei Martin Beckmann leicht aufwärts. „Die persönliche Weiterentwicklung hat heute zwar nicht geklappt, aber dafür ist eine WM-Teilnahme mit dem Team eine Riesengeschichte.“
Mit ganz anderen Problemen hatte hingegen Claudia Dreher zu kämpfen. Umfangreiche Trainingsmaßnahmen in Südafrika und Kenia hatten der Magdeburgerin zwar eine hervorragende Grundlage für ihren Frühjahrsmarathon in Hamburg eingebracht, aber auch bedingt durch die unterschiedlichen Bodenverhältnisse eine Entzündung der Quadrizepssehne. „Die Ärzte haben mir sogar geraten, nicht zu laufen. Aber ich wusste, was ich drauf habe und wollte unbedingt finishen“, gestand die sichtlich erleichterte Magdeburgerin im Ziel. Zwar war es weder das erwartete Resultat unter 2:30, noch eine persönliche Bestmarke, die seit 1999 bei 2:27:55 steht. Statt dessen nur 2:33:58 Stunden – und Rang acht in einem turbulenten Rennen, das nach 35 km eine überraschende Wende genommen hatte. „Über eine WM-Teilnahme mache ich mir derzeit wirklich keine Gedanken, vielmehr kommt es darauf an, dass ich diese Verletzung auskuriere, und dann werden wir weiter sehen.“
War beim Frankfurt-Marathon 2005 Wilfred Kigen der glückliche Sieger nach einem Wimpernschlagfinale, so hatte er auf der Hamburger Karolinenstraße diesmal das Nachsehen gegen seinen Landsmann Rogers Rop. Mit großer Fahrt hatte Kigen zum nach 25 km stets Tempo machenden Rop auf dem Schlusskilometer aufgeschlossen, hatte aber mit dem unerwarteten Angriff des zuvor wie der sichere Sieger aussehenden Rogers Rop nicht mehr gerechnet. „Ich wollte nicht mehr verlieren, nachdem ich so lange Tempo gemacht hatte“, freute sich Rop über seinen Coup, zudem über seinen neuen Hausrekord.
Aber nicht alleine Rop setzte mit der aktuell zweitbesten Zeit weltweit das Maß, sondern mit Kigen und Kiprotich Kinei (2:07:42) blieben zwei weitere Läufer unter 2:08, mit James Rotich und Matthew Sigei zwei weitere Finisher unter 2:10 Stunden bei nach der Hitzewelle der vergangenen Tagen erträglichen Temperaturen um 16° C, aber zeitweise böigem Wind. Einmal mehr hat Race-Director Wolfram Götz auf die richtige Mischung an der Spitze gesetzt, so dass selbst die kostspieligeren Elitefelder in London, Boston oder Rotterdam in diesem Jahr im Zeitvergleich das Nachsehen hatten.
Bei den Frauen überraschte die Äthiopierin Ayelech Worku in ihrem zweiten Marathon nach ihrem Debüt mit 2:31:11 im vergangenen Jahr in Amsterdam. In der Laufszene ist die 27-jährige eher als zweifache WM-Dritte über 5000 m bekannt. „Ich war sehr aufgeregt“, gestand sie im Ziel, „weil mir für die Straße einfach noch die Erfahrung fehlt.“ In der turbulenten Schlussphase hatte sie zunächst Edith Masai abgeschüttelt, dann im Verbund mit der späteren Zweiten Rose Kerubu Nyangacha die klare Spitzenreiterin Zivile Balciunaite eingeholt, um sich dann auch im Finish gegen die 31-jährige Nyangacha durchzusetzen, die eher als Siegerin bei Hitzerennen wie in Hongkong, Mumbai oder Singapur aufgefallen war. Dritte wurde Beatrice Omwanza (Kenia/2:30:46).
Insgesamt hielt das Frauenfeld allerdings nicht das, was in Hamburg längst Standard ist. Pech zudem, dass die für drei Jahre per Vertrag verpflichtete Europameisterin Ulrike Maisch nur als Co-Kommentatorin in Erscheinung treten konnte, eine Edith Masai trotz persönlichem Tempomacher klar hinter ihren Ansprüchen zurück blieb und die frühere 10.000-m-Olmypiasiegerin Fernanda Ribeiro (Portugal) ebenso fehlte wie die starke Rumänin Mihaela Botezan. Wilfried Raatz