In Kooperation mit RUNNER’S WORLD erscheint hier jeden Monat ein Thema aus dem aktuellen Heft.
Schützt Laufen vor Krebs?
Regelmäßig betriebener Ausdauersport hat viele positive
Auswirkungen auf unsere Gesundheit. Doch kann er auch vor Krebs
schützen?
Der Zusammenhang von Krebs und Sport ist ein Thema, das zunehmend in
den Blickpunkt der Öffentlichkeit rückt. Zum einen durch
Erfolgsgeschichten von Athleten, die ihre Krebserkrankung besiegt haben
und auf Siegertreppen von Meisterschaften und anderen sportlichen
Großereignissen stehen, zum anderen aber auch durch betroffen machende
Nachrichten über Menschen, die trotz ihrer langjährigen sportlichen
Betätigung an Krebs erkrankt und in manchen Fällen der Krankheit
erlegen sind. Wie Fred Lebow, der weltbekannte Erfinder und Organisator
des New-York-Marathons, der einen 1990 diagnostizierten Gehirntumor
schon besiegt glaubte und vier Jahre später dann doch der Krankheit
erlag.
Ein anderes Beispiel ist Steve Scott, US-amerikanischer Rekordhalter
über eine Meile, der bereits im Alter von 38 Jahren an Hodenkrebs
erkrankte. Nach solchen Nachrichten stellt sich so manchem,
insbesondere, wenn es in der eigenen Familie bereits eine Vorgeschichte
an Krebserkrankungen gibt, die sorgenvolle Frage, ob Laufen über ein
bestimmtes, niedriges Maß hinaus denn überhaupt gesund sei oder das
Immunsystem nicht eher schwächt und in der Folge auch für
Krebserkrankungen anfällig macht.
170 einschlägige Studien
Die Wissenschaft hat sich des Themas schon seit langem angenommen.
Bereits vor 20 Jahren wurde in speziellen Studien sportlich aktiven
Personen ein vermindertes Krebsmortalitätsrisiko attestiert. Inzwischen
liegt eine große Zahl von epidemiologischen Studien vor, die den
Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und Krebs weiter erhellen
und konkreter belegen. Ende 2002 gab die amerikanische
ernährungswissenschaftliche Zeitschrift »Journal of Nutrition«
einen Überblick über 170 einschlägige Studien. Hier einige Beispiele,
zu welchen Erkenntnissen die Forscher gekommen sind:
Dickdarmkrebs: 31 der 51 vorliegenden Studien erbrachten
positive Ergebnisse (das heißt, es konnte ein Zusammenhang zwischen
sportlicher Betätigung und geringerer Zahl von Krebserkrankungen
hergestellt werden), wobei sich das Erkrankungsrisiko um 40 bis 70
Prozent verringerte.
Brustkrebs: 32 von 44 Studien stellten bei körperlich aktiven Frauen eine Senkung des Brustkrebsrisikos um 30 bis 40 Prozent fest.
Prostatakrebs: in 15 von 30 Studien wurde eine Verringerung des
Risikos um zehn bis 30 Prozent ermittelt, insbesondere hinsichtlich der
aggressivsten Formen dieser Krebsart.
Endometriumkrebs (eine Form von Gebärmutterkrebs): neun von 13 Studien
schlossen auf ein um 30 bis 40 Prozent niedrigeres Krebsrisiko.
Lungenkrebs: acht von elf Studien führten zu dem Ergebnis, dass
das Risiko dieser Erkrankung bei Sporttreibenden um 30 bis 40 Prozent
unter dem Durchschnitt liegt.
Nun sind wir keine Spieler, die ihren Einsatz unter dem Aspekt der
Chancen und Risiken abwägen. Und natürlich muss man wissen, dass es
ganz vielfältige Formen von Krebs gibt, die die unterschiedlichsten
Körperteile aus verschiedensten Gründen befallen können. Wichtig an den
vorliegenden Studien ist jedoch, dass der Grundtenor positiv und damit
Motiv genug ist, auch weiterhin die Laufschuhe zu schnüren.
Krebspatienten scheinen von sportlicher Aktivität zu profitieren
Selbst wenn Sport Krebserkrankungen nicht verhindern kann, ist seine
Wirkung für die Rehabilitation unbestritten, wie in jüngster Zeit
zahlreiche Studien untermauern. Sportliche Betätigung hilft Patienten,
besser mit der Krankheit umzugehen und die belastenden Nebenwirkungen
der Therapien besser zu überstehen. Nun ist leicht vorstellbar, dass
man in einer Zeit, in der man infolge der Krankheit und der Behandlung
unter Schmerzen, Übelkeit, Schwäche und Depressionen leidet, oft alles
andere im Sinn hat, als sich sportlich zu betätigen. Die vorliegenden
Studien beweisen jedoch eindeutig, dass Sport in hohem Maße
therapieunterstützend wirkt.
Positiver psychologischer Effekt
Im Jahre 2003 wies eine im Journal of Clinical Oncology veröffentlichte
Studie nach, dass Krebspatientinnen, die dreimal pro Woche trainierten,
ihre allgemeine aerobe Leistungsfähigkeit um 17,4 Prozent steigerten,
während sie bei nicht Sport treibenden um 3,4 Prozent zurückging. Noch
wichtiger ist jedoch, dass die Sportlerinnen aus dem Training
zusätzliche Energie schöpften, die ihnen half, ihre täglichen Aufgaben
mit mehr Optimismus zu meistern. Laut dem Verfasser der Studie, dem
Kinesiologen Dr. Kerry Courneya, berichteten die Sport treibenden
Frauen sogar von »zusätzlichen 19 Stunden Lebensfreude pro Woche, das
heißt, etwa einem Tag Gewinn«.
Natürliche Killerzellen zur Krebsbekämpfung
Dr. Courneya, der sich bereits seit vielen Jahren mit dem Thema
beschäftigt, legt auch eine biologische Erklärung für die förderliche
Wirkung des Sports bei Krebs vor: »Durch Sport entwickeln sich im
Körper mehr natürliche Killerzellen, die die Krebszellen bekämpfen.« Im
Rahmen einer Mitte dieses Jahres im »Journal of Applied Physiology«
veröffentlichten Studie an Brustkrebspatienten stellte derselbe Autor
fest, dass sich bei den aktiven und nicht aktiven Probanden zwar die
gleiche Anzahl von Killerzellen gebildet hatte, diese aber bei den
Sport treibenden eine größere Fähigkeit besaßen, Krebszellen
anzugreifen.
Diese und ähnliche wissenschaftlichen Erkenntnisse machen
Krebspatienten Mut und motivieren sie, weiter Sport zu treiben. Sie
müssen mit dem Krebs leben, dürfen ihn nie ignorieren, müssen
akzeptieren, dass es bessere und schlechtere Tage in ihrem Leben gibt.
Zur Bewältigung der physischen und psychischen Belastungen jedoch kann
Sport ein guter Helfer sein.
Es gibt Anzeichen, dass körperliche Aktivität das Krebs-Risiko mindert
Wer leistungsorientiert läuft und 40 oder mehr Trainingskilometer pro
Woche absolviert, stellt sich sicher hin und wieder die Frage nach der
gesundheitlichen Wirkung intensiveren Laufens, und zwar unter dem
Aspekt, ob man Risiken damit eher ausschließt oder erhöht. Leider ist
die Zahl dieser Personen bezogen auf die Gesamtbevölkerung so gering,
dass sie in Studien zum Krebs bisher keine gesonderte Rolle spielen.
Dennoch seien zwei aktuelle internationale epidemiologische Studien
erwähnt, in die Daten von 22000 finnischen Männern und 24000 finnischen
Frauen wie auch von 116000 amerikanischen Krankenschwestern einbezogen
wurden. Die Untersuchungen belegen deutlich weniger Sterbefälle – aus
allen Ursachen, einschließlich Krebs – bei den körperlich aktiven
Teilnehmern. Auch andere, ähnlich angelegte Studien haben den Nachweis
erbracht, dass die Sterblichkeitsrate durch Krebs bei vermehrter
sportlicher Betätigung generell rückläufig ist.
Der Epidemiologe Steven Blair, Präsident und Direktor des renommierten
Cooper Institute im Dallas, Texas (USA), einer der weltweit führenden
Experten zum Themenkomplex Sport und Langlebigkeit, räumt ein, dass das
Zusammenhang zwischen Krebserkrankungen und Leistungssport noch nicht
abschließend geklärt ist. »Dennoch gibt es nach dem gegenwärtigen
Forschungsstand keinen Grund zu der Annahme, dass in der Gruppe der
leistungsorientierten Freizeitsportler und der Hochleistungssportler
ein erhöhtes Krebsrisiko vorliegt. Eher dürfte das Gegenteil der Fall
sein, da in den sportlich aktivsten Gruppen durchgehend die geringsten
Mortalitätsraten verzeichnet wurden.«
Der eingangs erwähnte Mittelstreckler Steve Scott zählt zu denjenigen,
die den Krebs erfolgreich bekämpft haben und für die positiven
Nachrichten zum Thema Krebs und Sport steht. Zehn Jahre nach seiner
Krebsoperation fühlt er sich gesund, läuft 40 bis 50 Kilometer pro
Woche und arbeitet als Trainer an der California State University.
Amby Burfoot